Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2015

Sonografische Diagnostik am kindlichen Sprunggelenk und Fuß

Hartmut Gaulrapp1

Zusammenfassung: Diese Übersichtsarbeit vermittelt den Einsatzbereich der Sonografie in der Abklärung von Verletzungen und Schmerzen an Fuß und Sprunggelenk im Kindes- und Jugendalter. Auch bei heranwachsenden Patienten kann die primäre klinische Arbeitsdiagnose bezüglich einer Reihe von Verletzungen und Erkrankungen sonografisch unmittelbar abgesichert werden. Dazu gehören Band- und Knochenläsionen infolge von Sprunggelenkverstauchungen einschließlich der funktionellen Stabilitätsprüfung, die Differenzierung intra- und periartikulärer Ursachen bei Gelenkschwellungen und -schmerzen sowie die Früherkennung juveniler Arthritisformen. Nicht zielgerecht indizierte Röntgenbilder können vermieden werden. Die MRT-Diagnostik wird auf weitergehende Fragestellungen reduziert. Unmittelbare, zielgerichtete Therapie wird umgehend möglich.

Schlüsselwörter: Ultraschall, Sonografie, Verstauchung Sprunggelenk, fibulare Bandläsion, Kind, kindliche Verletzung, Fußschmerz

Zitierweise
Gaulrapp H. Sonografische Diagnostik am kindlichen Sprunggelenk und Fuß
OUP 2015; 07: 376–381 DOI 10.3238/oup.2015.0376–0381

Summary: This article shows what diagnostic ultrasound aids in establishing a definite diagnosis after ankle sprains. This refers to bony and ligamentous lesions including functional dynamic testing, intra- vs. periarticular joint swelling and joint pain as well as early diagnosis of juvenile arthritis. X-ray and MRT imaging thus may be reduced, whereas immediate therapy be induced.

Keywords: Ultrasound, sonography, ankle sprain, fibular ligament tear, child, pediatric injury, foot pain

Citation
Gaulrapp H. Sonographic diagnosis in the pediatric ankle joint and foot. OUP 2015; 07: 376–381 DOI 10.3238/oup.2015.0376–0381

Grundlagen

Schmerzen und Verletzungen an Fuß und Sprunggelenk haben einen großen Anteil an den Behandlungen in der kinderorthopädischen Fachpraxis. Die Ultraschalldiagnostik kann als Screeningmaßnahme Gelenkergussbildung und Verletzungen der Weichteile sowie der knöchernen Oberflächen ausschließen. Als unmittelbar anwendbare, strahlungsfreie und den Seitenvergleich zulassende bildgebende Technik steht sie dem klinischen Untersucher bed-side zur Verfügung. Die anamnestisch-klinisch erhobene Arbeitsdiagnose kann unter Sicht auf den Monitor strukturell, aber auch funktionell überprüft werden.

Die Ultraschalluntersuchung erfolgt je nach Fragestellung in Rücken- oder Bauchlage, in aller Regel in zwei oder mehreren Schnittebenen und insbesondere bei der Abklärung einer Gelenkinstabilität im Seitenvergleich. Die deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) empfiehlt Standardebenen. Darüber hinaus existieren viele zusätzlich hilfreiche Schnittebenen [1]. Die knöchernen Referenzstrukturen zeichnen sich durch klare echogene Linien aus. Je nach Reife des Kindes grenzen sich die noch nicht verknöcherten Bezirke durch breite echoarme Zonen hyalinen Knorpels ab. Besonderes Augenmerk gilt Wachstumszonen und ihren Besonderheiten (Wachstumsfuge, Knochenkerne, Periost, Apophysen und akzessorische Knochenkerne).

Abbildung 1 zeigt beim 9-jährigen Kind einen normalen LS (Longitudinalschnitt) mit echogenen Linien der Tibiaoberfläche und des Talus, über dem eine mäßig breite echoarme Schicht hyalinen Knorpels liegt. Die tibiale Epiphysenfuge ist als v-förmige echoarme Struktur erkennbar.

Das geschwollene Sprunggelenk

Die Patientenvorstellung in der Praxis erfolgt nicht selten aufgrund einer Schwellung des Sprunggelenks. Intraartikuläre Ursachen wie Ergussbildung, Hämarthros oder Synovialitis lassen sich sonografisch problemlos von extraartikulären Veränderungen wie einer Tenosynovialitis der das Sprunggelenk umgebenden Sehnen unterscheiden. Dies ist nicht zuletzt für die Frage von Bedeutung, ob ein punktionswürdiger Erguss oder ein Hämarthros vorliegen, sondern auch in der Rheumatologie (exsudativer oder proliferativer Prozess?). Auch ein periartikuläres Lymphödem, eine Varicosis oder andere subkutane Veränderungen wie Tumore oder Hämatome können einfach abgegrenzt werden.

Erguss/Hämarthros OSG

Im ventralen LS über dem OSG zeigt sich eine echofreie oder echoarme Vorwölbung der Gelenkkapsel (Abb. 2). Aufgrund der rundlichen Form des einsehbaren Anteils des Talus ist eine radiäre Schnittführung über den gesamten ventralen Talus zur umfassenden Durchmusterung nötig. Ergussbildung kann mitunter auch im dorsalen LS in der mit dem OSG kommunizierenden Sehnenscheide der Flexor-hallucis-longus-Sehne zu finden sein.

Während ein Gelenkerguss in aller Regel echofrei ist und auch bleibt, kann ein Hämarthros bereits primär echoreicher sein und zunehmend echogener werden, mitunter sogar fokale fibrotische Verdichtungen zeigen. Die Testung auf Kompressibilität (Dekompressionstest) lässt Hinweise auf die Punktionsfähigkeit zu [2]. Unter sonografischer Kontrolle stellt die Punktion des oberen Sprunggelenks dem Behandler auch bei Kindern keine wesentlichen Probleme. Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass das sonografische Erscheinungsbild eines Gelenkergusses niemals eine septische Arthritis ausschließen lässt.

Juvenile Arthritis

Die bei Kindern typische oligo- beziehungsweise monarthritische Verlaufsform einer rheumatoiden Arthritis geht oft mit einer Sprunggelenkarthritis einher. Abbildung 3 zeigt eine rheumatisch bedingte OSG-Monarthritis bei einem 13-jährigen Mädchen. Der synoviale Randsaum ist mäßig echoreich verbreitert und zeigt ggf. ein positives Power-Doppler-Signal (PD). Das Cavum ist von echoarmer Flüssigkeit gefüllt, das den hyalinen Gelenkknorpel abgrenzen hilft. Bei ausgeprägter proliferativer Synovialitis finden sich mitunter fingerartige echogene Binnenstrukturen. Unter Kompression tritt der sog. Aquariumeffekt auf. Chronisch-proliferative Verlaufsformen zeigen im Gelenkraum dichtes pannöses Gewebe. Bei entzündlichen, aber auch septischen Erkrankungen sind alle ggf. betroffenen Gelenkanteile sonografisch zu untersuchen.

Bei geschwollenem Sprunggelenk sind sonografisch-differenzialdiagnostisch extra- oder periartikuläre Raumforderungen oder Flüssigkeitseinlagerungen abzugrenzen. Abb. 4 zeigt ein nahe dem Taluskopf liegendes Gelenkganglion mit echofreier Aufweitung durch Flüssigkeit. Hiervon zu unterscheiden sind die bei Kindern häufig auffallenden Vorwölbungen mit Schwielenbildung über Talus- oder Kalkaneuskopf, die je nach Reifegrad eine breite hyaline Knorpelzone zeigen, jedoch nicht mit Ganglien verwechselt werden dürfen.

Distorsionstrauma

Verstauchungen des oberen Sprunggelenks erfolgen auch bei Kindern zumeist als Inversions-Supinationsverletzung und gefährden fibulare Gelenkstrukturen vom Außenknöchel bis zum Metacarpale V, die weitaus seltenere Eversionsverletzung dagegen Innenband und tibiofibulare Syndesmose sowie den Außenknöchel. Akute Gelenkverletzungen können im Ultraschall bereits primär gut untersucht werden. Die posttraumatische Schwellung hilft als körpereigene Vorlaufstrecke und unterstützt somit die Untersuchung. Ein Hämarthros des OSG ist als wichtiger Hinweis auf eine Kapselbandverletzung zu werten (Abb. 2).

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