Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022

Therapie des adulten Pes planovalgus

Franziska Leiß, Michael Knebl, Jan Reinhard, Melanie Schindler, Joachim Grifka, Timo Schwarz

Zusammenfassung:
Der Pes planovalgus des Erwachsenen stellt eine komplexe dreidimensionale Deformität des Fußes dar. Meist ist der Pes planovalgus Folge von degenerativen Veränderungen der Tibialis-posterior-Sehne. Zur exakten Erfassung der Deformität bedarf es einer umfassenden klinischen Untersuchung sowie bildgebenden Diagnostik. Die Therapie des Pes planovalgus richtet sich nach dem Ausmaß und Stadium der Deformität und kann neben der konservativen Therapie sowohl gelenkerhaltende als auch gelenkversteifende Eingriffe enthalten.

Schlüsselwörter:
Pes planovalgus, Tibialis posterior-Sehne, FDL-Sehnentransfer, Kalkaneusverschiebeosteotomie, Cotton-Ostoetomie

Zitierweise:
Leiß F, Knebl M, Reinhard J, Schindler M, Schwarz T: Therapie des adulten Pes planovalgus.
OUP 2022; 11: 4–10
DOI 10.53180/oup.2022.0004-0010

Summary: The adult-acquired pes planovalgus represents a complex three-dimensional deformity of the foot. In most cases, pes planovalgus is a consequence of degenerative changes of the tibialis posterior tendon. A comprehensive clinical examination as well as imaging diagnostics are required for the exact diagnosis of the deformity. The therapy of pes planovalgus depends on the extent and stage of the deformity and may include conservative treatment options as well as joint-preserving interventions and arthrodesis.

Keywords: adult-acquired flatfoot, pes planovalgus, tibialis posterior tendon, medial displacement calcaneal osteotomy, cotton osteotomy

Citation: Leiss F, Knebl M, Reinhard J, Schindler M, Schwarz T: Therapy of adult-acquired pes planovalgus
OUP 2022; 12: 4–10. DOI 10.53180/oup.2022.0004-0010

Orthopädische Klinik der Universität Regensburg, Asklepios Klinikum Bad Abbach

Einleitung

Eine Pes planovalgus Deformität stellt in der Regel eine dreidimensionale Fehlstellung des Fußes mit Valgusfehlstellung des Rückfußes (Frontalebene), Mittel-Vorfußabduktion (Transversalebene), Abflachung der medialen Längswölbung und Supination des Mittel-/Vorfußes (Sagittalebene) dar. Daneben können begleitend eine mediale Hypermobilität und Verkürzung des Gastroc-soleus-Komplexes vorliegen. Die Fußwölbung hat sowohl aktive als auch passive Stabilisatoren. Zu den passiven Stabilisatoren gehören neben den knöchernen Strukturen wie Kalkaneus, Talus, Os naviculare auch ligamentäre Strukturen wie der tibio-kalkaneo-naviculare Bandapparat. Wesentlicher Bestandteil dieses Bandapparates sind vor allem das Springligament und die naviculo-cuneiformen Ligamente. Aktive Stabilisatoren sind unter anderem die Tibialis-posterior-Sehne, Tibialis-anterior-Sehne und Peronealsehnen. Degenerative Veränderungen der Tibialis-posterior-Sehne können ursächlich für eine Planovalgus-Deformität des Erwachsenen sein.

In der Klassifikation der Tibialis-posterior-Sehnen-Deformität nach Johnson und Strom werden flexible Fehlstellungen im Stadium II zusammengefasst (Tab. 1) [17]. Die Klassifikation von Deland unterscheidet bei der flexiblen Fehlstellung ein Stadium IIa und IIb. Im Stadium IIa besteht eine milde flexible Deformität mit geringer Abduktion im Talonavikulargelenk (< 30–40 %). Das Stadium IIB umfasst eine schwere flexible Deformität mit Abduktion im Talonavikulargelenk > 30–40 %. 2007 erfolgte eine Überarbeitung der Klassifikation durch Bluman, Craig und Meyerson. Sie unterscheiden ein Stadium IIa, IIb und IIc. Im Stadium IIa besteht eine flexible Deformität des Rückflusses mit oder ohne Supination des Mittel-/Vorfußes gegenüber dem Rückfuß. Das Stadium IIb beschreibt eine flexible Deformität mit Abduktion des Mittel-/Vorfußes gegenüber dem Rückfuß. Im Stadium IIc dominiert die Instabilität des 1. Vorfußstrahls.

Die klinische Untersuchung sollte Aufschluss über das Ausmaß der Fehlstellung geben. Die Untersuchung erfolgt am entkleideten Patienten. Bestandteil der Untersuchung ist die Überprüfung der Beweglichkeit im Subtalargelenk, der Funktion der Tibialis-posterior-Sehne (TPS), des Vorhandenseins einer Vorfußabduktion bzw. Supination und der Verkürzung des Gastroc-Soleus-Komplexes. Die Funktion der Tibialis-posterior-Sehne kann mit Hilfe des „single-heel-rise“-Tests überprüft werden. Der M. tibialis posterior hat einen Anteil von bis zu 40 % an der plantarflektierenden Kraft [26]. Insbesondere bei jüngeren Patienten kann eine Insuffizienz durch den Gastroc-Soleus-Komplex und den M. flexor hallucis longus kompensiert werden. Dies kann durch wiederholte Testung des „single-heel-rise-Tests“ aufgezeigt werden. Die Testung einer Verkürzung des Gastroc-soleus-Komplexes kann durch den „Silverskjöld“-Test erfolgen. Dabei wird eine aktive und passive Dorsalextension im OSG bei gestrecktem Kniegelenk und bei 90°-flektiertem Kniegelenk ausgeführt. Ist die Dorsalextension sowohl aktiv als auch passiv bei gestrecktem Knie über die Neutralstellung hinaus nicht möglich, jedoch bei gebeugtem Kniegelenk, so besteht eine Kontraktur des M. gastrocnemius. Eine vermehrte Vorfußabduktion gegenüber dem Rückfuß bezeichnet man als „Too-many-toes“-Zeichen.

Die Bildgebung des Fußes sollte am belasteten Bein erfolgen, um das tatsächliche Ausmaß der Fehlstellung zu erfassen. Die konventionelle Röntgenbildgebung umfasst eine Aufnahme des Fußes dorsoplantar (d.p.) und streng seitlich sowie OSG anterior-posterior (a.p.) (Abb. 1). Zur Beurteilung des Rückfußvalgus wird eine Aufnahme nach „Saltzmann“ bzw. eine „Long-axial-view“ empfohlen. Diese stellt die Achsabweichung des Fersenbeins gegenüber der Tibiaachse dar. Ergänzend kann insbesondere zur Beurteilung der Tibialis-posterior-Sehne eine MRT-Bildgebung oder Sonographie durchgeführt werden [3]. Degenerationen der Sehne stellen sich bildgebend als intratendinöse Veränderungen/Sehnenverdickungen, longitudinale Risse oder auch Komplettrupturen dar.

Konservative Therapie

Die Therapie des Pes planovalgus richtet sich nach dem Ausmaß der Fehlstellung. Primär sollte eine konservative Therapie eingeleitet werden. Zwingende Gründe gegen eine konservative Therapie sind insbesondere groteske Fehlstellungen oder Ulzerationen. Eine stadiengerechte orthopädie-schuhtechnische Versorgung und Physiotherapie sind Behandlungsoptionen der konservativen Therapie.

Die Therapie im Stadium I umfasst eine Ruhigstellung in einer Orthese bis hin zu einer temporären Ruhigstellung im Gips/Walker für 4–6 Wochen. Zudem wird eine antiinflammatorische Therapie mit NSAR für einen Zeitraum von ca. 2 Wochen empfohlen. Auch physikalische antiinflammatorische Anwendungen wie Iontophorese oder Kryotherapie können eingesetzt werden. Auf eine lokale Steroidinfiltration sollte verzichtet werden, da Kortison die Durchblutung der Sehne beeinträchtigt und damit der Heilung entgegenwirkt [22]. In der postakuten Phase des Stadiums I und Stadiums II kann eine physiotherapeutische Behandlung zur Kräftigung der Tibialis-posterior-Sehne durchgeführt werden. Als effektive Übung hat sich eine Adduktion gegen Widerstand erwiesen [19].

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