Übersichtsarbeiten - OUP 11/2014

Traumarehabilitation der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
Besondere Heilverfahren in den BG-UnfallklinikenSpecial rehabilitation measures in the BG-trauma centers

Die Handlungsanleitung nennt diverse Indikationen für die Durchführung einer BGSW (Tab. 1). Seit 2008 hat sich das rehabilitative Spektrum jedoch weiterentwickelt und es gibt derzeit zahlreiche spezialisierte Verfahren, die diagnosebezogen und angepasst an die Bedürfnisse des Versicherten die Rehabilitation optimieren. Insbesondere die BG-Unfallkliniken haben entsprechende Rehabilitationsangebote entwickelt, die weiter unten ausführlicher dargestellt werden. Vom D-Arzt wird erwartet, dass er diese Angebote kennt und differenziert die geeignetste Maßnahme veranlasst. Beispielsweise sollten Patienten mit Schädel-Hirnverletzungen nahtlos einer neurologischen Rehabilitation zugeführt werden, schwere Handverletzungen einer speziellen handtherapeutischen Rehabilitation oder Polytrauma-Patienten einer komplexen stationären Rehabilitation.

ABMR

Eine wesentliche Weiterentwicklung der Rehabilitationsverfahren der DGUV stellt die Einführung der ABMR im Jahr 2012 dar. Mit ihr soll die medizinische Rehabilitation noch mehr auf den spezifischen Bedarf der Versicherten zugeschnitten werden mit dem konkreten Ziel einer raschen Wiedereingliederung an den bisherigen Arbeitsplatz. Die ABMR orientiert sich am individuell ausgeübten Beruf des Versicherten, der körperlich arbeitet und in seinem Beruf spezifischen körperlichen Arbeitsbelastungen ausgesetzt ist. Von besonderer Bedeutung für die Durchführung einer ABMR ist daher der Abgleich der konkreten Arbeitsplatzanforderungen mit den Fähigkeiten des Betroffenen. Dieser ermöglicht es, den tatsächlichen Rehabilitationsbedarf zu ermitteln und darauf die individuelle Therapieplanung aufzubauen, insbesondere auch arbeitsplatzorientierte Therapiemaßnahmen zu erbringen.

Eine wichtige Voraussetzung für die ABMR ist daher eine ausreichende medizinische Grundbelastbarkeit, die eine mindestens 3 Stunden tägliche arbeitsplatzbezogene Therapie zulässt. Diese wird in der Regel in der zugelassenen ABMR-Einrichtung festgestellt und führt dazu, dass der Rehabilitand aus den herkömmlichen therapeutischen Maßnahmen in die ABMR übergeleitet wird. Wie bei der BGSW ist auch hier die Zustimmung des Unfallversicherungsträgers erforderlich, der diese ggf. auf Antrag innerhalb von 24 Stunden erteilt. Der genehmigte ABMR-Zeitraum beträgt grundsätzlich 2 Wochen und kann vom qualifizierten Arzt der ABMR um 2 Wochen verlängert werden. Darüber hinausgehende Verlängerungen werden von der UV nur auf der Grundlage eines erneuten Abgleichs zwischen der Tätigkeitsanalyse mit dem aktuellen Fähigkeitsprofil entschieden.

Die ABMR kann sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden. Sie ist stark auf die körperlichen Defizite des Patienten hin ausgerichtet. Unfallverletzte, die beispielsweise aufgrund psychischer Unfallfolgen, komplexer Verletzungsmuster oder wegen chronischer Schmerzen, Probleme mit der Rückkehr ins Erwerbsleben haben, bedürfen häufig einer multimodalen Behandlung, wie sie eher in der Tätigkeitsorientierten Rehabilitation (TOR) angeboten wird.

Die besonderen
Rehabilitationsverfahren
der BG-Unfallkliniken

Die BG-Unfallkliniken erbringen umfassende, direkt nach dem Versicherungsfall einsetzende Leistungen zur Rehabilitation in unmittelbarer Zusammenarbeit mit dem Reha-Management der UV-Träger und entsprechend dem Handlungsleitfaden Reha-Management der DGUV. Sämtliche oben genannten Rehabilitationsverfahren der DGUV werden an allen Standorten angeboten. Darüber hinaus werden im Sinne der integrierten Versorgung nach dem SGB VII weitere hochwertige Angebote im Bereich der traumatologischen Rehabilitation von den BG-Kliniken vorgehalten.

KSR

Für komplexe Verletzungsmuster und verzögerte Heilverläufe ist das Leistungsspektrum der BGSW oft nicht ausreichend. Die Prüfung möglicher konservativer oder chirurgischer Therapieoptionen erfordert den schnellen Zugang zu verschiedenen akutmedizinischen Fachbereichen und umfangreichen diagnostischen Methoden. Schwerverletzte haben gerade zu Beginn der Rehabilitation häufig einen höheren Pflegeaufwand. Dies ist in einer herkömmlichen Rehabilitationseinrichtung kaum zu leisten und erfordert letztendlich die Infrastruktur eines Traumazentrums.

Aus dieser Verknüpfung von Akutmedizin und Rehabilitation entstand vor einigen Jahren die komplexe stationäre Rehabilitation (KSR) in den berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken. Bei der KSR stehen die umfangreichen diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen Leistungen im Vordergrund. Die KSR bleibt den berufsgenossenschaftlichen Kliniken und Sonderstationen als Behandlungsoption vorbehalten.

Die Notwendigkeit solcher intensiver medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen kann sich ergeben, wenn bestimmte Merkmale erfüllt sind (Tab. 2). Insbesondere Polytrauma-Patienten profitieren von der interdisziplinären Zusammenarbeit, der Expertise eines Traumazentrums und dem Erfahrungsschatz des Rehabilitationsteams. Für Fälle posttraumatischer Belastungsstörungen oder bei Fehlverarbeitungen, aber auch zur Schmerzrehabilitation, ist die KSR ebenfalls eine therapeutische Option.

Gemäß der BGSW-Handlungsanleitung kommt eine KSR auch immer dann in Betracht, wenn eine Unverhältnismäßigkeit zwischen Art und Schwere der Verletzung und Dauer des Heilverfahrens bzw. der zu erwartenden Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird und demzufolge weitere verstärkte diagnostische und therapeutische Maßnahmen notwendig sind, um eine Teilhabe am Arbeitsleben wieder zu ermöglichen. Ziel ist es, Ursachen der Verzögerungen zu analysieren oder Fehlverläufe der Rehabilitation bzw. bisher unbekannt gebliebene Verletzungsmuster erkennen zu können.

Weitere besondere
Reha-Verfahren

Für besonders komplexe Verletzungen, die einer sehr aufwendigen Rehabilitation bedürfen, wurden integrierte besondere Rehaverfahren etabliert, wie die Komplexbehandlung nach Rückenmarkverletzung, die Neuro-Rehabilitation nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma oder die spezielle Handrehabilitation. Die Besonderheit dieser Verfahren liegt im nahtlosen Übergang von der Akutbehandlung in die Rehabilitation und der engen Abstimmung mit dem Reha-Management des Leistungsträgers.

Im späteren Heilverlauf können spezielle ambulante oder stationäre weiterführende Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich werden, beispielsweise bei chronischen Schmerzen oder zur Wiedereingliederung an den Arbeitsplatz.

Schmerzrehabilitation

Wer ein Polytrauma überlebt, leidet oft nicht nur unter erheblichen körperlichen Funktionseinschränkungen, bemerkenswert ist auch, dass viele Patienten noch nach vielen Jahren über mäßige oder extreme chronische Schmerzen klagen. Damit verbunden sind häufig Einschränkungen der Aktivitäten des täglichen Lebens, der Berufstätigkeit und sozialen Partizipation mit allen damit verbundenen psychologischen Folgen. Schmerz ist damit eines der wichtigsten spezifischen Symptome nach Mehrfachverletzung. Abhängig von der Methode berichten 46–85 % der Patienten, die ein Polytrauma überlebt haben, über langfristig bestehende Schmerzen [6, 7].

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