Informationen aus der Gesellschaft - OUP 03/2020

Update CRPS
Zusammenfassung des für den VSOU-Kongress 2020 in Baden-Baden vorgesehen Symposiums

9. Frettloh J, Maier C, Gockel H et al. Validation of the German Mainz Pain Staging System in different pain syndromes. Schmerz 2003; 17: 240–251

10. Geertzen JH, De Bruijn-Kofman AT, De Bruijn HP et al. (1998) Stressful life events and psychological dysfunction in Complex Regional Pain Syndrome type I. Clin J Pain 14:143–47

11. Meena S, Sharma P, Gangary SK et al. Role of vitamin C in prevention of complex regional pain syndrome after distal radius fractures: Eur J Orthop Surg Traumatol 2015; 25: 637–641

12. Sandroni P, Low PA, Ferrer T et al. Complex regional pain syndrome I (CRPS I): prospective study and laboratory evaluation. Clin J Pain 1998; 14: 282–89

13. Scholz-Odermatt SM, Luthi F, Wertli MM et al. Direct health care cost and work incapacity related to complex regional pain syndrome in Switzerland: A retrospective analysis from 2008 to 2015. Pain Med 2019; 20: 1559–69

Christian Geber, Mainz

Zentrale Reorganisationsprozesse bei CRPS als Folge einer maladaptiven kortikalen Plastizität

Beim CRPS spielen neben der veränderten peripheren und zentralen Nozizeption auch kortikale Reorganisationsprozesse eine wesentliche Rolle. Diese Veränderungen wurden erstmals bei Patienten mit Phantomschmerzen beschrieben. Auch bei Patienten mit CRPS kann sich die betroffenen Extremität fremd oder nicht dem Körper zugehörig anfühlen und so beschrieben werden. Diese neglect-artigen Wahrnehmungsphänomene deuten auf eine veränderte kortikale Repräsentation der betroffenen Extremität hin [6].

In funktionellen Bildgebungsstudien (fMRT) konnten diese Veränderungen nachgewiesen werden [1]. So war beim Phantomschmerz wie auch bei Patienten mit CRPS eine höhere Schmerzintensität mit dem Ausmaß der kortikalen Reorganisation korreliert [1, 4]. Dass es sich hierbei im Wesentlichen nicht um strukturelle Veränderungen des Kortex handelt, sondern um prinzipiell therapeutisch beeinflussbare funktionelle Veränderungen im Sinne einer maladaptiven kortikalen Plastizität, konnte ebenfalls in Bildgebungsstudien belegt werden, die vor und nach therapeutischer Intervention durchgeführt wurden [5]. Der wesentliche therapeutische Ansatz besteht in Ergo- /physiotherapeutischen Interventionen wie Imaginationstraining oder Spiegeltherapie [2].

Diagnostik

Die Diagnose CRPS ist eine klinische Diagnose. Deshalb sind die Anamneseerhebung, die klinisch-orthopädische und neurologische Untersuchung die entscheidenden Schritte in der Diagnosefindung. Im Prinzip gilt, dass für die Diagnosestellung ärztlich erhobene und dokumentierte Befunde wichtiger sind als die subjektiven Beschwerden. Ein wesentliches Merkmal des CRPS ist, dass die Symptome generalisieren, d.h. fast die gesamte distal betroffene Extremität erfassen. Eine besondere diagnostische Herausforderung kann eine Abgrenzung gegenüber Langzeitfolgen des Anfangstraumas sein. Man muss deshalb fordern, dass die Diagnose CRPS in den zeitlichen Zusammenhang mit einen Trauma erfolgt. Ein sinnvoller Zeitraum dabei ist ca. 3 Monate, dann sollten die Diagnosekriterien erfüllt sein. Diagnosen nur aufgrund einer Schmerzpersistenz, z.T. Jahre nach dem Trauma sind nicht selten Verlegenheitsdiagnosen. Ein Red flag nach Radiusfraktur ist ein persistierender Schmerz der Stärke über 5/10 eine Woche nach Fraktur [3].

Klinische Diagnosestellung durch folgende Kriterien

Symptomkategorien

  • 1. Hyperalgesie, „Hypästhesie“, Allodynie
  • 2. Asymmetrie der Hauttemperatur, Veränderung der Hautfarbe
  • 3. Asymmetrie im Schwitzen, Ödem
  • 4. Reduzierte Beweglichkeit, Dystonie, Tremor, Schwäche, Veränderungen von Haar-/
    Nagelwachstum

Diagnose CRPS, wenn alle
folgenden 4 Punkte erfüllt
sind

  • 1. Anhaltender Schmerz
  • 2. Anamnese: > 1 Symptom aus der 3 der 4 o. g. Symptomkategorien
  • 3. Untersuchung: > Symptom aus 2 der 4 o. g. Symptomkategorien
  • 4. Ausschluss von Differentialdiagnosen

Zusatzdiagnostik in Zweifelsfällen oder bei absehbarer Begutachtung

  • 1. Röntgen(Seitenvergleich): Generalisierte kleinfleckige gelenknahe Entkalkungen
  • 2. 3-Phasen-Knochenszinitgramm mit Technetium-99 m-Diphosphonat: bandenförmige, gelenknahe Anreicherungen
  • 3. Wiederholte und dauerhafte Messung der Hauttemperatur
    im Seitenvergleich (> 1–2 °C
    Differenz)

Therapiealgorithmus (Abb. 1)

Literatur

1. Bailey J, Nelson S, Lewis J, McCabe CS. Imaging and clinical evidence of sensorimotor problems in CRPS: utilizing novel treatment approaches. J Neuroimmune Pharmacol. 2013; 8: 564–575

2. Becker S, Diers M., Chronic pain: Perception, reward and neural processing. Schmerz. 2016; 30: 395–406

3. Birklein F. et al., Diagnostik und Therapie komplexer regionaler Schmerzsyndrome (CRPS), S1-Leitlinie, 2018, in; Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie

4. Maihöfner C, Handwerker HO, Neundörfer B, Birklein F. Patterns of cortical reorganization in complex regional pain syndrome. Neurology. 2003; 61: 1707–1715

5. Maihöfner C1, Nickel FT, Seifert F. Neuropathic pain and neuroplasticity in functional imaging studies. Schmerz. 2010; 24: 137–145

6. Wittayer M, Dimova V, Birklein F, Schlereth T., Correlates and importance of neglect-like symptoms in complex regional pain syndrome. Pain. 2018; 159: 978–986

Martin Legat, CH-Zofingen

Interventionelle
Maßnahmen beim CRPS

Ein invasives Schmerzmanagement spielt beim CRPS zunächst eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht die funktionelle Therapie. Sollte diese jedoch versagen, muss auch über invasive Maßnahmen nachgedacht werden.

Zunächst können Injektionen am Symphatikus, bspw. cervical am Ganglion stellatum oder auch am lumbalen Grenzstrang durchgeführt werden. Diese können sowohl diagnostisch zur Evaluation eines Sympathetically Maintained Pain als auch therapeutisch als sogenannte GLOA (Ganglionäre Opioid Analgesie) verwendet werden.

Während Verfahren mit Schmerzpumpen eine untergeordnete Rolle spielen, ist die Neurostimulation auf dem Vormarsch. Insbesondere neuere technische Verfahren wie die gezielte Stimulation des Dorsal Root Ganglion kann bspw. bei C8 für die Hand oder L5 für ein CRPS am Fuß verwendet werden. Für die seit Jahren übliche Neurostimulation per SCS direkt im Hinterhornbereich des Rückenmarks stehen mittlerweile nicht nur die tonische Stimulation, sondern auch die sogenannte Burst – und High Frequency Technik zur Verfügung.

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