Übersichtsarbeiten - OUP 09/2014

Veränderte Indikationsstellung zu operativen Eingriffen in der Rheumaorthopädie?

S. Sell1

Zusammenfassung: Der polyarticuläre Befall der Erkrankung erfordert ein Therapiekonzept, dass einerseits der systemischen Erkrankung gerecht wird, andererseits aber auch durch eine geschickte Planung der Reihenfolge und Strategie des operativen Vorgehens dem Patienten wieder eine Perspektive für die Rückkehr ins normale Leben gibt. Die medikamentöse Therapie sollte frühzeitig und mit hoher Intensität beginnen. Der Faktor Zeit spielt für die Prognose der Erkrankung eine zunehmende Bedeutung. Die klassische Vorgehensweise „start with a winner“ hat sich umgewandelt in ein differenzierteres System, in dem 3 Gruppen Operationen nach ihrer Wichtigkeit in der Indikation bzw. dem direkt spürbaren Erfolg für den Patienten unterteilt werden. Trotz der verbesserten Effizienz der neuen Basistherapeutika und Konzepte verbleibt nicht selten ein Gelenk mit Synovialitis. Ursprünglich hatte sich als Zeit 6 Monate etabliert, um die Wirkung der Basistherapie abzuwarten. In unseren Händen machen wir die Zeit bis zur operativen Indikation jetzt vom eingesetzten Medikament anhängig. Wir nutzen hierbei die bekannten Zeiten bis zum Wirkungseintritt. Die Kenntnis der Verlaufsform erleichtert die Indikationsstellung zu rekonstruktiven Eingriffen insbesondere an Fuß und Hand, die wir vermehrt indizieren. Auch bei der Endoprothetik muss die Progredienz der Erkrankungen mit in die Überlegungen zur Indikationsstellung einbezogen werden.

Schlüsselwörter: Indikation, operative Eingriffe, Rheumatoide
Arthritis

Zitierweise
Sell S. Veränderte Indikationsstellung zu operativen Eingriffen in der Rheumaorthopädie?
OUP 2014; 9: 396–400 DOI 10.3238/oup.2014.0396–0400

Abstract: Rheumatoid arthritis requires an effective medical treatment for the systemic disease; at the same time we perform a planning of surgical procedures, which offers a perspective for returning back to normal life. The aim of medical treatment is to hit hard and hit early. The time before treatment starts, is an important factor for the prognosis of the rheumatoid disease. If the therapy with DMARD is ineffective in a joint, synovectomy is indicated. In the past we have waited for 6 months to see the effect of medical treatment. With modern drugs this period is shortened. “Start with a winner” was an important consideration in planning surgery in rheumatoid arthritis. Nowadays we try to classify the operative procedures in 3 groups according to their importance for function and the subjective amelioration for the patient. With a vaster knowledge on the progression of the disease we are able to perform more reconstructive surgery in hand and foot. In total joint replacement we have to identify an aggressive form of rheumatoid arthritis, in these cases the indication for arthroplasty might be earlier, to avoid to handle with two or more destructed knee and hip joints at a time.

Keywords: planning, surgery, rheumatoid arthritis

Citation
Sell S. New ways in planning surgery in rheumatoid arthritis?
OUP 2014; 9: 396–400 DOI 10.3238/oup.2014.0396–0400

Einleitung

Die medikamentösen Entwicklungen der letzten Jahre haben die Rheumatologie völlig verändert. Manche sprechen von einer Revolution der Therapie. Aber hat sich das Gesamt-Konzept der Rheumatologie geändert oder bleiben die Veränderungen auf den Bereich Diagnostik und medikamentöse Therapie beschränkt? Erfordert dieser Wandel nicht gleichzeitig eine Veränderung des operativen Parts und insbesondere der Indikationsstellung hierzu?

Die Diagnostik in der Rheumatologie wünscht die Erkrankung innerhalb der ersten 6 Wochen bis 6 Monate nach Beginn der Symptome zu erfassen, um dann unmittelbar mit der Therapie beginnen zu können. Während eine kleine Usur früher ein Symptom einer frühen rheumatischen Erkrankung darstellte, bildet sie heute einen Bestandteil einer bereits vorgeschrittenen Krankheitsphase.

Die Therapie sollte frühzeitig und mit hoher Intensität beginnen – früh und hochpotent, „hit hard and early“ – dies sind die Leitgedanken der modernen medikamentösen Therapie. Hinzu kommen die modernen Biologika, die eine weitere Option anbieten, wenn wir mit den Standardmedikamenten nicht ausreichend Erfolg haben. Es drängt sich natürlich die Frage auf, ob wir unser Regime in der Rheumaorthopädie nicht auch den Veränderungen in Medikamententherapie anpassen müssen.

Der Stellenwert moderner Rheumazentren – bei denen Diagnostik, medikamentöse und operativer Therapie miteinander verbunden sind – wird bei diesem Gesamtkonzept immer wichtiger, da der Faktor Zeit für die Prognose der Erkrankung zunehmende Bedeutung erlangt. Der Zeitfaktor bedingt zusätzlich eine notwendige enge Kooperation sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich. Wesentlich ist hier weniger, wer welchen Teil der Diagnostik und Therapie übernimmt, sondern die Koordination der verschiedenen Teilschritte in Diagnostik und Therapie für den Patienten insgesamt. Dabei stellt natürlich auch die Wartezeit vor Diagnostik ein wichtiges Argument dar. Wenn ich nicht zeitgerecht diagnostizieren kann, nutzt das Propagieren von Frühdiagnostik und -therapie auch nichts.

Therapieplan

Rheumatische Patienten unterscheiden sich in der medizinischen Betreuung fundamental von Patienten mit einem Mono-Gelenkproblem z.B. bei der Arthrose. Es gilt bei dem polyarticulären Befall ein Therapiekonzept zu erstellen, das einerseits der systemischen Erkrankung gerecht wird, andererseits aber auch durch eine geschickte Planung der Reihenfolge und Strategie des operativen Vorgehens dem Patienten gleich wieder eine Perspektive für die Rückkehr ins normale Leben gibt. Dieses strategische Vorgehen muss auch die soziale Situation und die persönlichen Bedürfnisse des Patienten berücksichtigen.

Dabei steht in der Regel der Erhalt der Mobilität bei unseren Patienten im Vordergrund. Dies führt zu einer Favorisierung von Eingriffen an der unteren Extremität im Therapieplan.

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