Übersichtsarbeiten - OUP 09/2014

Veränderte Indikationsstellung zu operativen Eingriffen in der Rheumaorthopädie?

An der Schulter haben die modernen operativen Entwicklungen ganz entscheidend die Indikation verändert. Die Indikation zur Synovialektomie bestand natürlich in der vormodernen Ära wie bei den übrigen Synovialektomien nach 6 Monaten erfolgloser Basistherapie. In der Realität war die Anzahl der Synovialektomien an der Schulter jedoch unproportional klein. Dies hatte 2 Gründe. Einerseits war die Schulter für den Patienten im Vergleich zu den anderen Gelenken subjektiv im Hintergrund, sodass er in frühen Stadien nicht spontan darüber klagte. Es fordert also aktives Befragen des Untersuchers und anschließend bildgebende Diagnostik, da die klinische Untersuchung insbesondere in frühen Stadien nicht ausreichend für das Erfassen der Synovialitis ist. Manche Rheumatologen bezeichneten die Schulter daher auch gerne als „forgotten joint“. Gleichzeitig hatten die großen offenen Operationen an der Schulter eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Indikation hervorgerufen. Die arthroskopischen Techniken haben dies grundlegend geändert. Dies hat eindeutig zu einer Sensibilisierung für die arthroskopische Schultersynovialektomie geführt. Die prinzipielle Indikationsstellung zur Synovialektomie unterscheidet sich nicht von den anderen Gelenken. Der orthopädische Rheumatologe muss jedoch bewusst und aktiv die Schulter in sein Untersuchungsprogramm integrieren und dies bei Verdacht der Schulterbeteiligung mit bildgebender Diagnostik komplettieren. In gleicher Weise stellen wir die Indikation bei der Mini-open-Technik zur Rekonstruktion der Rotatorenmanschettenruptur deutlich weiter.

Fuß

Der „goldene Standard“ der Vorfußoperation ist unverändert die Mittelfußköpfchenresektion. Sie gehört zu den „Winner“-Operationen oder Operationen erster Ordnung. Die moderne Fußchirurgie mit ihren rekonstruktiven Möglichkeiten hat jedoch zu einer Erweiterung der Indikation geführt. Die Umstellungsosteotomien haben sich auch in der rheumatischen Vorfußchirurgie etabliert. Sie bilden eine ausgezeichnete Möglichkeit für frühere Stadien der Erkrankung, bis zu Larsen 0–2/3. Beim Rheumakranken enorm wichtig ist die Beurteilung der Weichteile. Sie stellen den entscheidenden Parameter für den Langzeiterfolg der Operationen am Fuß dar. Die Weichteile bestimmen zunehmend die Indikation zur Osteotomie. Sind sie komplett elongiert oder kontralateral so kontrakt, dass sie nur schwer korrigierbar sind, stellt die Arthrodese am Großzehengrundgelenk den bevorzugten Eingriff dar. Insgesamt hat sich die Indikation verschoben zu rekonstruktiven Eingriffen, zumal sie die Arthrodese mit Mittelfußköpfchenresektion, die unverändert zu den „Winner“-Operationen der Rheumaorthopädie gehört, immer noch als spätere Option möglich lässt.

OSG/USG

Die Arthrodese des unteren Sprunggelenks ist für den Patienten subjektiv sehr erfolgreich. Die Schmerzsituation durch die Zerstörung des unteren Sprunggelenks ist z.T. konservativ nur sehr schwierig zu beherrschen, insbesondere wenn der Patient noch recht aktiv ist. Deshalb beraten wir den Patienten auch entsprechend, sich bei therapieresistenten Beschwerden operieren zu lassen. Am oberen Sprunggelenk gewinnt die Endoprothese auch im Vergleich zur Arthrodese zunehmend an Bedeutung. Die Differenzialindikation zur Arthrodese beraten wir unverändert sehr individuell, da absolute Richtlinien fehlen.

Knie/Hüfte

Bei der Endoprothetik des Arthrose-Gelenks unterscheidet sich die Indikationsstellung fundamental zur Beratung beim rheumatisch destruierten Gelenk. Bei der rheumatoiden Arthritis ist ein wichtiger Parameter die Verlaufsform. Eine rasch progressive Rheumatoide Arthritis würde mich bewegen, dem Patienten früher zu einem Gelenkersatz zu raten, da ich verhindern möchte, plötzlich mehrere destruierte Gelenke gleichzeitig zu sehen. Hier beeinflusst die Indikationsstellung nicht nur die Symptomatik des destruierten Gelenks, sondern den Gesamtbefall und Verlauf der rheumatischen Erkrankung.

Gleichzeitig muss man aber auch die erhöhte Komplikationsrate der Endoprothetik beim rheumatischen Gelenk im Auge behalten. Dies betrifft nicht nur die Infektionswahrscheinlichkeit, sondern beim Hüftgelenk auch die Luxationsrate. Die Langzeitergebnisse in der Endoprothetik jedoch unterscheiden sich nicht wesentlich vom Arthrosepatienten. Hingegen zeigen aktuelle Studien, dass die Erfahrung des Operateurs mit Rheumatoider Arthritis die Komplikationsrate in der Endoprothetik des Rheumatikers reduziert.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Stefan Sell

Sana Gelenk- und Rheumazentrum
Baden Württemberg

Klinik für Endoprothetik und
Gelenkchirurgie

König-Karl-Straße 3, 75323 Bad Wildbad

michaela.rapp@sana.de

Literatur

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