Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016

Vermeintliche Inlaylockerung
FallberichtCase report

Anette von Glinski1, Jacob Rondhuis1

Zusammenfassung: Dieser Fallbericht ermahnt zur Vorsicht bei einer Prothesenrevision bei vermeintlicher Inlaylockerung. Bei Beschwerdepersistenz nach erfolgter
Prothesenrevison ex domo mit Schmerzen sowie Gangproblematik stellte sich ein 48-jähriger männlicher Patient in
unserer Abteilung vor. In der klinischen und radiologischen Diagnostik wurde der Verdacht auf eine Inlaylockerung bei Malrotation gestellt. Nach entsprechender Aufklärung und Vorbereitung erfolgte die Arthrotomie des Hüftgelenks –
ohne den Hinweis auf ein Inlayproblem aufzuzeigen – jedoch mit dem Nachweis eines Gluteus-Medius-Abriss, der entsprechend adressiert wurde.

Der röntgenologische Befund darf nicht zum vorschnellen Schluss auf eine Inlayproblematik bei vorliegender Lima-Delta-Revisionspfanne verleiten. Kenntnis der eingesetzten Pfanne, die Information des Patienten über mögliche persistierende Beschwerden sowie radiologischer Befund mit ggf. notwendiger weiterführender Diagnostik sind angeraten, um Fehldiagnosen präoperativ zu vermeiden.

Schlüsselwörter: Revisionsprothetik, Hüftpfanne, Inlaylockerung

Zitierweise
von Glinski A, Rondhuis J: Vermeintliche Inlaylockerung.
OUP 2016; 6: 376–378 DOI 10.3238/oup.2016.0376–0378

Summary: This case report urges caution in a prosthesis revision with supposed inlay loosening. Because of persistent pain as well as transition issues after revision of the prosthesis ex domo, a 48 year-old male patient turned in our department. In the clinical and radiological diagnostics a suspicion of inlay loosening with malrotation was made. After proper medical enlightenment and preparation an arthrotomy of the hip joint was done without reporting an inlay problem – but with the evidence of gluteus medius rupture, which was properly addressed.

The radiographic findings should not lead us to hasty conclusions about a problem with this kind of Lima Delta revision cup. Knowledge of the used cup, information to the patient about possible persistent symptoms and radiological findings with possibly necessary further diagnostics are advised to avoid misdiagnosis preoperatively.

Keywords: endoprothetic revision, acetabulum; inlay loosening

Citation
von Glinski A, Rondhuis J: Supposed inlay loosening.
OUP 2016; 6: 376–378 DOI 10.3238/oup.2016.0376–0378

Einleitung

In der Revisionsendoprothetik der Hüfte liegen eine Vielzahl von verschiedenen Pfannentypen je nach Indikation und Hersteller vor. Effenberger [1, 2] hat die Komplexität und Vielfalt vorliegender Hüftgelenkendoprothesen zusammengefasst und gegenübergestellt. Eine weitere Übersichtsarbeit von Gollwitzer [3] zeigt ebenfalls eine Aufstellung der verschiedenen Pfannentypen und ihre Anwendungsgebiete. Im vorliegenden Fall beschreiben wir einen Fallstrick der Röntgendiagnostik bei auffälliger Pfannenkonfiguration.

Falldarstellung

Wir berichten über den Fall eines 48-jährigen männlichen Patienten. Dieser zog sich im Rahmen eines berufsgenossenschaftlichen Verkehrsunfalls im Jahr 1992 eine Beckenfraktur mit resultierender posttraumatischer Coxarthrose rechtsseitig zu. Es erfolgte die Implantation einer zementfreien Hüftendoprothese 1994 ex domo.

Erstmalig 2012 ist eine Kontrolluntersuchung dokumentiert, in welcher der Patient über muskuläre Probleme und Schmerzen klagt (Tab. 1). Es erfolgte die Vorstellung in einer externen Klinik, welche radiologisch eine Schaftlockerung und einen Inlayverschleiß diagnostizierte. Darauf erfolgte im März 2014 ein Inlaywechsel und Wechsel auf einen SLR-Schaft. Bei steiler Pfanneneinstellung wurde hierbei ein Inlay mit Randerhöhung gewählt.

Innerhalb eines Monats kam es zu 2 Luxation der Hüftgelenkprothese, sodass ein Pfannenwechsel auf eine Lima Delta One Pfanne (Abb. 1) und einen 5 Xl Merete Adapter in der operierenden Klinik erfolgte. Darunter zeigten sich stabile Verhältnisse, allerdings klagte der Patient über eine persistierende Bewegungseinschränkung und Schmerzen im Bereich des rechten Hüftgelenks.

Im Juli 2015 erfolgte eine Vorstellung in unserer Ambulanz zur weiteren Therapieempfehlung. Neben einer arteriellen Hypertonie kam erschwerend eine Adipositas per Magna hinzu. In der klinischen Untersuchung zeigte sich eine druckschmerzhafte Leiste rechtsseitig mit Rotationsschmerzen, zudem eine eingeschränkte Flexion des Hüftgelenks von < 90°. Es bestand ein hinkendes Gangbild und Krepitationen im Hüftgelenkbereich.

Nativradiologisch stellte sich eine dezente Saumbildung im Bereich der Gelenkpfanne und nicht sicher auszuschließende Pfannen-/Inlaylockerung dar. Weiterhin war anhand des nativen Röntgenbilds nicht klar, ob das Pfanneninlay regelrecht positioniert war (Abb. 2). In der anschließenden CT-Untersuchung der Hüfte zeigten sich keine sicheren Lockerungszeichen und ebenso die nicht sicher regelrechte Lage des Pfanneninlays (Abb. 3).

In Zusammenschau des klinischen und radiologischen Befunds Rücksprache mit dem zuletzt behandelnden Operateur sowie der Firma Lima konnte eine Inlaylockerung nicht sicher ausgeschlossen werden, sodass die Indikation zur diagnostischen Arthrotomie mit Inlaywechsel nach ausführlicher Information des Patienten gestellt wurde.

Therapie

Es erfolgte die Arthrotomie des rechten Hüftgelenks. Inspektorisch zeigte sich hierbei keine Inlaylockerung oder -abrieb, lediglich eine gewisse Malrotation des Inlays. Bei fest sitzender Konusverbindung zwischen Inlaymetallring und Schale wurde auf einen Wechsel bewusst verzichtet, da dieses die Gefahr des zusätzlichen Knochenverlusts mit sich gebracht hätte und keine Instabilitäts- oder Impingementprobleme beim Patienten vorhanden waren. Jedoch konnte ein Abriss des Gluteus Medius am Trochanter Major festgestellt werden, woraufhin dieser refixiert wurde. Um einen Infekt auszuschließen, wurden Proben zur mikrobiologischen/pathologischen Untersuchung entnommen, die unauffällig blieben. Der Patient wurde ausführlich über die Inlaylage aufgeklärt, der vorliegende Gluteus-Medius-Abriss wurde erörtert. Postoperativ zeigte sich eine reizlose Wundheilung. Die Mobilisation erfolgte an Unterarmgehstützen, welche verzögert umgesetzt wurde.

Verlauf

In der 3-Monats-Kontrolle konnte die rechte Extremität voll belastet werden. Der Bewegungsumfang der Hüfte zeigte ein gutes Ergebnis mit Flexion/Extension: 90/0/0, Abduktion/Adduktion: 40/0/20 sowie Innenrotation/Außenrotation: 30/0/20 und eine Besserung zum Vorbefund. Allerdings wurden eine Taubheit sowie Kraftlosigkeit des rechten Oberschenkels beklagt. Neurologisch wurden hier eine partielle N.-femoralis-Läsion sowie eine Läsion des N. Cutaneus Femoris Lateralis gesichert. Klinisch imponierte eine Quadrizeps
atrophie.

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