Arzt und Recht - OUP 02/2012

Versäumte Abrechnungsfrist: Zusätzliche
„Verwaltungsgebühr“ trotz schwerer Krankheit
Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Karlsruhe

Die KV verwies daraufhin auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trug ergänzend vor, mit der Höhe der Verwaltungskosten habe sie ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Sie habe eine autonome Satzungsbefugnis nach § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Die Regelung sei verhältnismäßig. Der Arzt sei nicht der einzige gewesen. Es habe allein weitere 21 Widerspruchsverfahren gegeben. Bzgl. des Arztes sei ein weiteres Verfahren für das Quartal IV/09 anhängig.

Aus den Gründen

Das Sozialgericht hält die Klage des Arztes für unbegründet. Die Festsetzung der Verwaltungsgebühren sei rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben:

In den Abrechnungsrichtlinien der örtlich zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung würden die Einzelheiten der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen geregelt. Nach den vorliegend maßgeblichen Abrechnungsrichtlinien bestehe für verspätet eingereichte Abrechnungen kein Anspruch auf Bearbeitung in der laufenden Abrechnung. Werde die Abrechnung quartalsversetzt bearbeitet, würden die Regelungen des ursprünglichen Abrechnungsquartals angewandt. Für Abrechnungen, die ohne hinreichende Begründung verspätet oder unvollständig eingereicht werden, würden zur Deckung der hiermit verbundenen zusätzlichen Verwaltungskosten über den allgemeinen Verwaltungskostensatz hinaus, für jeden Tag der Fristüberschreitung 50,00 € erhoben. Dieser Abzug werde auf max. 2.500,00 € bzw. höchstens 10% des gesamten abgerechneten Nettohonorars begrenzt.

Nur wenn die Abrechnungen rechtzeitig eingehen, sei gewährleistet, dass alle in einem bestimmten Quartal angefallenen Leistungen auch tatsächlich in der Quartalsabrechnung erfasst werden. Gerade für die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei es von großer Bedeutung, dass die von den Vertragsärzten erbrachten und abgerechneten Leistungen sämtlich im jeweiligen Quartal korrekt erfasst werden und nicht ein Teil der Leistungen aus technischen Gründen erst in den Folgequartalen verbucht werden kann. Erfordert mithin die Struktur der Honorarverteilung eine rechtzeitige Vorlage der Quartalsabrechnung, so stelle dies grundsätzlich eine ausreichende Grundlage für die KV dar, Regelungen zu beschließen, die dazu dienen, eine Abrechnungsverzögerung zu verhindern. Es sei rechtlich grundsätzlich zulässig, wenn die KV durch die Erhebung einer Säumnisgebühr auf die Vertragsärzte Druck ausübt, um eine pünktliche Einreichung der Abrechnungsunterlagen zu gewährleisten. Abrechnungsregelungen könnten auch in einer Satzung der KV geregelt werden, soweit der Honorarverteilungsvertrag wie hier keine abweichende Regelung trifft.

Die Erhebung einer Abrechnungsgebühr in Höhe von 50,00 € für jeden verspäteten Tag sei auch nicht unverhältnismäßig. Die strittige Regelung sehe eine Höchstgrenze bei 10% des Nettohonorars vor, so dass eine übermäßige Belastung in jedem Fall vermieden würde. Die Gebühr diene zum einen zur Deckung des erhöhten Verwaltungsaufwandes, der durch eine verspätete Abrechnung entsteht. Die Beklagte sei dabei berechtigt, eine solche Gebühr zu pauschalieren. Es sei nicht ersichtlich, dass die Gebühr erhöht ist. Zum anderen dürfe die Gebühr auch im Hinblick auf die Bedeutung einer möglichst zügigen Honorarverteilung, die aufgrund verschiedener Budgetierungsmaßnahmen auch voraussetzt, dass alle Leistungen in einem Abrechnungsvorgang berücksichtigt werden können, eine Sanktionierung verspäteter Abrechnungen treffen, um die Vertragsärzte zur Einhaltung der Abrechnungsfristen anzuhalten.

Im Übrigen habe der Arzt nicht dargelegt, dass ihn ein Verschulden für die Verspätung nicht treffen würde. Er hätte daher ohne Weiteres die Festsetzung der Gebühr vermeiden können, wenn er sich an die Abrechnungsfristen gehalten hätte. Die vom Arzt geltend gemachte Ungleichbehandlung führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Gebühr.

Fazit

Das Urteil des Sozialgerichts Marburg zeigt, dass die KV von der Rechtsprechung dabei gestützt wird, bei der Durchsetzung ihrer Abgabefristen für die Abrechnungsunterlagen keine Kulanz walten zu lassen.

Die Tatsache, dass das Urteil lediglich mit einem Satz feststellt, dass der an Krebs erkrankte Arzt „ohne Weiteres die Festsetzung der Gebühr hätte vermeiden können, wenn er sich an die Abrechnungsfristen gehalten hätte“, zeigt, dass auch in Extremsituationen zumindest die Beantragung einer Fristverlängerung für zumutbar gehalten wird.

Hierbei ist unerheblich, ob die KV zuvor Verlängerungsanträge ohne Begründung akzeptiert bzw. erst Wochen nach Abgabe der Abrechnung diese bearbeitet. Unerheblich ist auch, ob andere Ärzte trotz verspäteter Abgabe der Abrechnung keine Säumnisgebühr zu zahlen hatten. Das Gericht stellt hierzu in trockener Kürze fest, die vom Arzt geltend gemachte (und vom Gericht nicht infrage gestellte!) Ungleichbehandlung führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Gebühr.

Mit diesem Urteil wird dem Formalismus des Vertragsarztrechts Vorschub geleistet. Es zwingt jeden an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt, auch in Extremsituationen die von der KV vorgegebenen Regelungen zur Abrechnung einzuhalten:

Der Vertragsarzt muss sich in den Honorarverteilungsverträgen und den Abrechnungsrichtlinien der örtlich zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung darüber informieren, welche Form und Frist für die Abgabe der Abrechnungsunterlagen einzuhalten sind.

Sobald die Gefahr einer Fristversäumung absehbar ist, sollte der Vertragsarzt einen begründeten Antrag auf Verlängerung der Frist zur Abgabe der Abrechnung stellen.

Sollte es unverschuldet zu einer Fristversäumung und infolgedessen zur Festsetzung einer zusätzlichen „Verwaltungsgebühr“ kommen, ist anhand der maßgeblichen Abrechnungsregelungen zu prüfen, ob die Festsetzung dieser Gebühr rechtmäßig ist. Gegebenenfalls ist gegen den Festsetzungsbescheid fristwahrend (in der Regel einen Monat nach Zugang des Bescheides) Widerspruch einzulegen.

Nach der voranstehend zitierten Rechtsprechung sind die Erfolgsaussichten geringer geworden, erfolgreich gegen die Festsetzung einer zusätzlichen „Verwaltungsgebühr“ vorzugehen, wenn nicht auch in Extremsituationen zumindest ein Fristverlängerungsantrag gestellt wurde. Der ohnehin bereits auf die Spitze getriebene Formalismus des Abrechnungssystems wird hierdurch weiter gefestigt. Trotzdem ist ein Rechtsbehelf (Widerspruch, Klage) nicht aussichtslos, wenn der Arzt nachweisen kann, dass er unverschuldet auch an der Beauftragung eines Dritten mit der Stellung des Fristverlängerungsantrages gehindert war.

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