Übersichtsarbeiten - OUP 12/2018

Vor- und Nachbehandlung im Kontext knorpelregenerativer Operationen am Kniegelenk

Da die postoperative Rehabilitation nach knorpelregenerativen Eingriffen langwierig und anspruchsvoll ist und von den Patienten viel Geduld, Ausdauer und Disziplin fordert, erscheint dieser Aspekt besonders wichtig [4]. Darüber hinaus kann eine mögliche Wartezeit im Rahmen der Anzüchtung der Knorpelzellen so effektiv genutzt werden, um die Patienten auf ihre individuelle Rehabilitation optimal vorzubereiten. Unter anderem können bereits die erforderliche Teilbelastung und die Bewegungslimitierung am operierten Gelenk antizipiert und entsprechend eingeübt werden. Optimal angeleitete Übungen und ein besseres Verständnis für die Notwendigkeit und Effektivität dieser Übungen erhöhen die Compliance der Patienten, die für eine erfolgreiche Rehabilitation notwendig sind. Diverse Arbeiten zeigen, dass Bewegungsprogramme erfolgreicher sind, wenn die Patienten eine positive Einstellung zum vorgeschlagenen Programm haben. Die Adhärenz des Patienten zum Trainingsprogramm ist ein wichtiger Faktor für die Effektivität des Trainings, für die Beurteilung des Schmerzes, der Funktion und der Selbstwirksamkeit [5, 6].

Das präoperative Training sollte in erster Linie die funktionellen Defizite adressieren, die Patienten mit fokalen Knorpelschäden häufig aufweisen. Dazu gehören Kraftdefizite der vorderen Oberschenkelmuskulatur, eine reduzierte neuromuskuläre Kontrolle mit Beeinträchtigung der Beinachsenstabilität und eine Reduktion der allgemeinen Fitness [7, 8]. Darüber hinaus sollten allgemeine „Skills“ vermittelt werden, u.a. das korrekte Einhalten einer Teilbelastung und der Umgang mit der Motorbewegungsschiene und der Orthese.

Bei der praktischen Durchführung des Trainings sollte eine negative Beeinflussung der Gelenkhomöostase, die sich z.B. durch Schmerzverstärkung und vermehrter Schwellung des Kniegelenks bemerkbar macht, vermieden werden. Um dem Regenerat nach der Operation die besten Einheilungschancen bieten zu können, ist eine korrekte Ausführung der Übungen von großer Wichtigkeit, insbesondere mit einer optimalen Stabilisierung der Beinachse. Dies sollte daher bereits in der Prähabilitationsphase erlernt werden.

Zu den Schlüsselkomponenten des präoperativen Trainings zählen die Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur, die Optimierung der Rumpfstabilität sowie die Kräftigung der Hüftabduktoren, die nun anhand praktischer Beispiele illustriert werden.

Muskelaufbautraining des M. quadriceps kann durch Übungen in der geschlossenen Kette durchgeführt werden, z.B. mit „Squats“ (Abb. 1), und durch Übungen in der offenen Kette, z.B. „Leg-curl“ (Abb. 2) oder mit Hilfe eines am Stuhlbein befestigten Gummibands. Bei der Ausführung der Übungen muss auf die Stellung der Beinachse (insbesondere eine Vermeidung des Valguskollaps des Kniegelenks) und auf die Position des Oberkörpers geachtet werden, um Scherkräfte im Kniegelenk zu vermeiden

Die Rumpfstabilität hat einen entscheidenden Einfluss auf die Stabilisierung der Beinachse und ist daher eine wichtige Komponente sowohl in der Rehabilitation als auch in der Prävention von Verletzungen der unteren Extremität [9]. Über ihren positiven Einfluss auf die Stabilität der Beinachse kann das Rumpfkrafttraining daher Scherkräfte im Knie minimieren und sollte in das sensomotorisch-neuromuskulär orientierte Trainingsprogramm integriert werden [10]. Entsprechende Übungen sind der Unterarmstütz und der Seitstütz, die ohne Geräteeinsatz auf einer Matte durchgeführt werden können (Abb. 3 und 4).

Eine Schwäche der Hüftabduktoren kann zu einer Verstärkung des Valguskollaps im Kniegelenk und damit zu pathologischen Kniemomenten führen [11]. Daher wird auch dem Hüftabduktorentraining in der Rehabilitation von Knieverletzungen immer mehr Bedeutung beigemessen. Zur Kräftigung der Hüftabduktoren ist ebenfalls zumeist das eigene Körpergewicht ausreichend, z.B. im Seitstütz auf der Matte (Abb. 5).

Mehrere Arbeiten konnten zeigen, dass plyometrische Übungen und Gleichgewichtstraining in der Lage sind, den Valgusstress auf das Kniegelenk zu reduzieren. Für Patienten mit isoliertem Knorpelschaden scheint eine dynamische Belastung mit großem Bewegungsumfang dabei am geeignetsten. Reaktive Übungen können in das Prähabilitationstraining einbezogen werden, wenn die Kontaktzeiten kurz sind und so der Einfluss auf die flüssigen Bestandteile der Knorpelmatrix gering bleibt. Wenn die genaue Lokalisation der Knorpelschädigung bekannt ist, können die Übungen in den Winkelgraden durchgeführt werden, die den Defekt und nach der Operation das einheilende Transplantat, zu Beginn nicht tangieren. Die korrekte Ausführung der plyometrischen und dynamisch stabilisierenden Übungen ist dabei zwingend notwendig und kann in der Phase des präoperativen Trainings geübt werden.

Prinzipien und Phasen der Nachbehandlung

Da die Mehrzahl der Knorpeloperation biologisch-regenerative Verfahren darstellen, orientiert sich die phasenweise Rehabilitation in erster Linie an der Regenerationszeit des Knorpelgewebes. Da insbesondere Scherkräfte fatal sind für den unreifen Knorpel, müssen diese vor allem in den ersten Phasen so gut wie möglich vermieden bzw. minimiert werden. Neben der Gewebebiologie müssen individuelle, patientenspezifische Faktoren (wie Alter, Geschlecht, Trainingszustand etc.) ebenso berücksichtigt werden, wie die Defektlokalisation und der generelle Zustand des operierten Gelenks. Auch wenn die Geweberegnerationszeit die Basis der Rehabilitation darstellt, traten in den letzten Jahren zeitbasierte Reha-Schemata zunehmend zugunsten von Kriterien-basierten Schemata in den Hintergrund. Aus unserer Sicht sollten bei einer optimalen Rehabilitation beide Aspekte berücksichtigt werden, sodass beides im Folgenden Erwähnung findet.

In der ersten Phase, der sogenannten Proliferationsphase (Woche 1 bis ca. Woche 4) ist die Protektion des Implantats zur Vermeidung einer frühen Delamination besonders wichtig. Darüber hinaus gilt es, die Nutrition der Knorpelzellen optimal zu unterstützen und die Gelenkhomöostase wiederherzustellen. Die Hauptkomponenten, die in dieser Phase berücksichtigt werden müssen, sind die lokale Wundheilung, die Reduktion postoperativer Schmerzen, die Resorption des Gelenkergusses und die Vermeidung von Adhäsionen und Patellahypomobilität. Verschiedene Studien zeigten, dass Schwellung und Schmerzen eine Inhibierung des Quadrizeps sowie eine Einschränkung der Beweglichkeit, insbesondere der Extension, zur Folge haben [12]. Daher sollten kontinuierliche Kühlgeräte direkt postoperativ zum Einsatz kommen, um die Aufschwellung und Inflammation des Gelenks zu minimieren. Die Wundheilung und Wiederherstellung der Gelenkhomöostase wird unterstützt durch manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie und manuelle Patellamobilisation. Die Verwendung einer Motorbewegungsschiene (CPM) über mindestens 4, idealerweise 6–8 Stunden täglich, wird ab dem ersten postoperativen Tag für 4–8 Wochen empfohlen [13, 14]. In einer systematischen Übersichtsarbeit stellten Rogan et al. dar [13], dass die Studien, die CPM nach Knorpelregenerativen Eingriffen untersuchen, zwar eine niedrige Studienqualität aufweisen, mehrheitlich aber eine signifikante Verbesserung der objektiven Outcomevariablen (Defektgrösse und Knorpelqualität) ergaben. Außerdem beurteilen über 90 % der 437 mit CPM behandelten Patienten die CPM-Therapie und das subjektive Outcome positiv.

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