Übersichtsarbeiten - OUP 05/2017

Weichteilmanagement bei Verletzungen des oberen Sprunggelenks

Christopher Bliemel1, Rene Aigner1, Goetz Andreas Giessler2, Steffen Ruchholtz1

Einleitung: Frakturen des oberen Sprunggelenks gehören zu den häufigsten Frakturen erwachsener Menschen. Basierend auf dem demografischen Wandel, steigt vor allem die Inzidenz geriatrischer Frakturen des oberen Sprunggelenks. Gerade im geriatrischen Kollektiv sind in der Literatur hohe Komplikationsraten nach operativer Versorgung beschrieben, wobei Wund-Komplikationen im Vordergrund stehen. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es deshalb, die adäquate Prophylaxe und das Management von Weichteilkomplikationen darzustellen.

Prophylaxe von Weichteilkomplikationen: In unserer Klinik wurde ein standardisiertes präoperatives Vorgehen zur Diagnostik und Therapie von Durchblutungsstörungen bei Patienten mit oberer Sprunggelenkfraktur etabliert. Bei behandlungsbedürftiger pAVK erfolgt die Optimierung der Durchblutungssituation durch die Kollegen der interventionellen Radiologie oder Gefäßchirurgie. Die operative Versorgung erfolgt in der Regel nach 4–7 Tagen stationärer Behandlung und konsequenten abschwellenden Maßnahmen. Bei weiter kritischer Weichteilsituation kann die Möglichkeit einer eingeschobenen minimalinvasiven Plattenosteosynthese und die Konditionierung der Wunde mittels epikutanem VAC-Verband erwogen werden.

Management von Weichteilkomplikationen: Im Falle von Weichteilkomplikationen, die einer operativen Revision bedürfen, kann bei Frühinfekten häufig die Osteosynthese erhalten werden. Die intermediäre Therapie mittels VAC hat einen großen Stellenwert. Sollte ein spannungsfreier Hautverschluss nicht mehr gelingen, so stehen verschiedene plastisch-chirurgische Therapiealternativen zur Verfügung. Diese reichen von der Mobilisation der kurzen Peronealmuskulatur und Spalthauttransplantation bis hin zur Deckung mittels lokaler oder freier Lappenplastik. Bei Patienten mit Weichteildefekten, bei welchen plastisch-chirurgische Deckungsverfahren nicht angewendet werden können, ist als Rettungseingriff die Resektion der distalen Fibula und Implantation eines retrograden Arthrodesennagels zu erwägen.

Schlüsselwörter Obere Sprunggelenkfraktur, Komplikation, Wundinfektion, Plastische Deckung, Management von Wundkomplikationen

Zitierweise
Bliemel C, Aigner R, Giessler GA, Ruchholtz S: Weichteilmanagement bei Verletzungen des oberen Sprunggelenks.
OUP 2017; 5: 266–272 DOI 10.3238/oup.2017.0266–0272

Introduction: Ankle fractures are one of the most common fractures. Especially the incidence of geriatric ankle fractures is increasing due to ongoing demographic changes. The recent literature shows high complication rates after surgical fixation of geriatric ankle fractures with wound complications being the most common. Therefore the aim of this article is to describe adequate prophylaxis and management of soft tissue complications in ankle fractures.

Prophylaxis of soft tissue complications: In our department a standardized pre-operative diagnostic algorithm to assess peripheral vascular disease was established. In case of peripheral vascular disease and if optimization is possible, patients are treated by interventional radiologists or vascular surgeons before surgical fixation of their ankle fracture. Operative treatment is usually performed 4–7 days after soft tissue swelling decreased. In case of persistent critical soft tissue situation minimal invasive approaches and epicutaneous vacuum treatment represent viable treatment alternatives.

Management of soft tissue complications: In case of early soft tissue complications requiring operative revision the implant can often be retained. Intermediate use of VAC therapy plays an important role in the management of wound complications in ankle fractures. If skin closure is not successful there are several plastic surgical therapy alternatives. These are mobilisation of peroneal muscles and split skin grafts as well as plastic coverage using local or free flaps. Resection of the distal fibula and arthrodesis with a calcaneo-talo-tibial nail serves as a salvage procedure for patients with contraindications for plastic surgical coverage.

Keywords: ankle fracture, complication, wound infection, plastic coverage, management of wound complications

Citation
Bliemel C, Aigner R, Giessler GA, Ruchholtz S: Soft tissue
management in ankle fractures.
OUP 2017; 5: 266–272 DOI 10.3238/oup.2017.0266–0272

Einleitung

Frakturen des oberen Sprunggelenks gehören mit einer Inzidenz von bis zu 187 Fällen pro 100.000 Personen und Jahr zu den häufigsten Frakturen des erwachsenen Menschen. 60–70 % aller Frakturen des oberen Sprunggelenks treten als unimalleolare Frakturen auf, in 15–20 % findet man bimalleolare Frakturen und in 7–12 % aller Fälle trimalleolare Frakturen [1]. Hinsichtlich der Geschlechterverteilung zeigte sich in skandinavischen Studien, dass Frauen und Männer in etwa gleich häufig betroffen sind, wobei der Altersgipfel bei Frauen über 50 Jahren, bei Männern jedoch unter 45 Jahren liegt [2, 3]. Basierend auf dem demografischen Wandel, welchem unsere westliche Gesellschaft unterworfen ist, verschiebt sich das Verletzungsalter zusehends in Richtung der älteren Generation. Der Anstieg der Lebenserwartung führt zur höchsten altersspezifischen Inzidenz von Sprunggelenkfrakturen bei Frauen zwischen 75–84 Jahren [4]. Insgesamt wurde in der Literatur eine Zunahme der Inzidenz geriatrischer Sprunggelenkfrakturen von 163 % über einen Studienzeitraum von 30 Jahren beschrieben [5].

Während die operative Versorgung im Sinne einer offenen Reposition und Plattenosteosynthese den Standard zur Versorgung von dislozierten Frakturen des Außenknöchels jüngerer Patienten darstellt [6, 7], existieren weiterhin Kontroversen bezüglich der Behandlung beim geriatrischen Patienten. Im hochbetagten Kollektiv sind sowohl die konservative Therapie als auch perkutane Verfahren relevante Therapiealternativen [8–10]. In diesem Zusammenhang wurden in vorangegangenen Studien zur chirurgischen Therapie von Sprunggelenkfrakturen hohe Komplikationsraten unter geriatrischen Patientenkollektiven beschrieben [11, 12]. Im Vordergrund stehen hierbei Wundheilungsstörungen, gefolgt von Osteosyntheseversagen [7, 12, 13]. Im Einklang mit diesen Daten wurde auch in einem eigenen Patientenkollektiv im Untersuchungszeitraum von 2004–2014 eine hohe Komplikationsrate von 28,7 % bei insgesamt 237 Patienten über 65 Jahre beschrieben [14]. Auch in unserem Kollektiv überwogen Weichteilkomplikationen wie Wundheilungsstörungen und Wundinfektionen. Als Risikofaktoren für perioperative Komplikationen wurden mit Diabetes mellitus, peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) und Nikotinabusus in der Literatur vorwiegend solche Vorerkrankungen identifiziert, welche die Durchblutung des Beins kompromittieren [12, 15, 16]. Zudem konnte im oben bereits beschriebenen eigenen Patientenkollektiv eine verlängerte Operationszeit als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung perioperativer Komplikationen identifiziert werden. Vor dem Hintergrund häufig auftretender Weichteilkomplikationen nach Frakturen des oberen Sprunggelenks wurde in unserer Klinik ein standardisierter Algorithmus zur Diagnostik und gegebenenfalls Optimierung der präoperativen Durchblutung der verletzten Extremität entwickelt und etabliert (Abb. 1).

Algorithmus zur
präoperativen Prophylaxe von Weichteilkomplikationen

In unserer Klinik erhalten zunächst alle Patienten mit Sprunggelenkverletzung eine klinische Untersuchung des Gefäßstatus. Sollten in diesem Zusammenhang die Fußpulse gut tastbar sein, keine prädisponierenden Begleiterkrankungen wie etwa eine pAVK oder ein Diabetes mellitus vorliegen und die Patienten darüber hinaus jünger als 65 Jahren sein, ist keine weiterführende Abklärung notwendig. Alle übrigen Patienten, die a) älter 65 Jahre sind, b) keine tastbaren Fußpulse haben oder c) prädisponierende Begleiterkrankungen aufweisen, bedürfen einer weiterführenden angiologischen Abklärung. Hierzu führen wir neben einer Dopplerverschlussdruckmessung eine Farb-/Duplexsonografie der Beinarterien durch. Sollte sich hierbei der Nachweis einer pAVK ergeben, welche in der Zusammenschau der Befunde behandlungsbedürftig ist, wird eine weiterführende Abklärung eingeleitet und die Kollegen der interventionellen Radiologie und/oder Gefäßchirurgie kontaktiert. Durch diese wird dann, falls möglich im Rahmen einer Angiografie, eine Rekanalisation der eingeengten arteriellen Blutstrombahn vorgenommen und so der Blutzufluss zum Operationsgebiet präoperativ optimiert (Abb. 2a-d).

Die definitive operative Versorgung erfolgt in der Regel 4–7 Tage nach dem Trauma. In dieser Zeit werden die Patienten stationär aufgenommen und müssen bis auf das Nötigste strikte Bettruhe halten. Die Lagerung des frakturierten Sprunggelenks erfolgt dabei in einem gespaltenen Unterschenkelweißgips, welcher bereits am Aufnahmetag angelegt wird. Sollte sich mithilfe des Weißgipses die Fraktur nicht adäquat reponieren lassen, erfolgt initial die Anlage eines Fixateur externe zur temporären Ruhigstellung.

Bei Ruhigstellung im Weißgips verordnen wir unseren Patienten Eisbeutel, um ein schnelleres Abschwellen der Weichteile zu gewährleisten. Bei Ruhigstellung im Fixateur externe wird neben der lokalen Kühlung mit Eis, welches nicht direkt auf die Haut des Patienten appliziert werden darf, um Kälteschäden vorzubeugen, eine pneumatische Kompressionspumpe (A-V Impulse-System) für den betroffen Fuß verordnet, um die Weichteilschwellung zu verbessern. Eventuell sich entwickelnde Spannungsblasen werden unter sterilen Kautelen abpunktiert. Falls die Spannungsblasen von alleine einreißen und sich eröffnen, werden sie abgetragen. Wenn die Haut über dem Sprunggelenk beginnt, leichte Falten zu werfen, wird die Indikation zur definitiven operativen Versorgung gestellt.

Der Standard ist hierbei in unserer Klinik ein offenes Vorgehen mit exakter anatomischer Reposition der distalen Fibulafraktur und anschließender Implantation einer interfragmentären Zugschraube. Additiv wird die Fraktur über eine Drittelrohrplatte gesichert, welche als Abstützplatte fungiert. Bei Vorliegen einer reduzierten Knochenqualität (Osteoporose) bei welcher die konventionellen Schrauben keinen ausreichenden Halt bieten, wird auf ein polyaxial winkelstabiles Implantat gewechselt, welches für eine optimale Passform bereits anatomisch vorgeformt ist. Die Versorgung des Innenknöchelfragments erfolgt nach anatomischer Reposition mit 2 Teilgewinde-Spongiosaschrauben mit Unterlegscheibe. Der Wundverschluss wird generell mehrschichtig mit subkutanen Nähten sowie einer Hautnaht in Donati-Rückstichtechnik durchgeführt. Fortlaufende Hautnähte sind aufgrund von möglichen Durchblutungsstörungen bei Anschwellung zu vermeiden.

Intraoperative Maßnahmen zur Prophylaxe von
Weichteilkomplikationen

Eingeschobene
Plattenosteosynthese

Bei kompromittierten Weichteilverhältnissen mit Kontusionsmarken, Schürfwunden, Spannungsblasen oder noch bestehender Schwellung ist eine minimalinvasive, eingeschobene Plattenosteosynthese zu erwägen. Dieses Vorgehen ist umso mehr zu empfehlen, falls aufgrund einer ausgeprägten Trümmerzone keine direkte Reposition mittels einer interfragmentären Zugschraube durchgeführt werden kann. Hierzu erfolgt im Bereich des distalen Anteils der Fibula eine kurze Inzision. Anschließend wird mit dem Raspatorium ein Plattenlager retrograd entlang der lateralen Fibulafläche geschaffen. Unter axialem Zug mit der spitzen Repositionsklemme erfolgen die Reposition der Fragmente und die Rekonstruktion der anatomischen Länge der Fibula. Anschließend wird ein winkelstabiles Implantat retrograd eingeschoben und zunächst temporär mit Kirschnerdrähten fixiert. Nach radiologischer Kontrolle des Implantats erfolgen das Belegen der Schraubenlöcher mit winkelstabilen Schrauben sowie anschließend die Entfernung der zuvor eingebrachten Kirschnerdrähte (Abb. 3a-g).

Konditionierung der Wunde mit einem zusätzlichen VAC-Verband

Um bei starker Beanspruchung der Weichteile etwas Zug von den oberflächlichen Weichteilen der Haut zu nehmen, kann es in seltenen Fällen hilfreich sein, bereits intraoperativ auf die verschlossene OP-Wunde einen zusätzlichen VAC-Verband aufzulegen (Vacuum Assisted Closure Therapy). Der VAC-Verband wird hierbei an einen kontinuierlichen Sog der Stärke 40–60 mmHg angeschlossen und kann so dazu beitragen, die Weichteile zu entspannen. Die Entfernung des VAC-Verbands erfolgt anschließend nach 5–7 Tagen auf der Station (Abb. 4 a-b).

Management von Weichteilkomplikationen nach erfolgter operativer Versorgung

Sollte es in der Phase der postoperativen Wundheilung zu einer persistierenden Sekretion aus der Wunde kommen oder die Hautnaht dehiszent werden, so ist frühzeitig ein Revisionseingriff zu erwägen, da eine Keimverschleppung in die Tiefe mit Frühinfekt der einliegenden Osteosynthese zu befürchten ist. Im Rahmen eines derartigen Revisionseingriffs ist ein konsequentes Debridement aller nekrotischen Areale vorzunehmen. Essenziell ist es darüber hinaus, Gewebeproben und Abstriche zur pathologischen und mikrobiologischen Aufarbeitung zu entnehmen. Anschließend muss eine gründliche Spülung des Operationssitus z.B. mit Ringerlösung erfolgen. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die Verwendung von Antiseptika wie z.B. Ocentisept zur intraoperativen Hochdruckwundspülung kontraindiziert ist, da hierbei Fälle von schweren Gewebeschädigungen beschrieben sind.

Bei Vorliegen einer akuten, seit wenigen Tagen andauernden Infektion kann – bei frühzeitigem Handeln – in der Regel ein Erhalt der Osteosynthese angestrebt werden. Bei einem mehr als ca. 10–14 Tage bestehenden Wundinfekt ist eine Besiedelung des Implantats mit Bakterien (Biofilm-bildende Bakterien) wahrscheinlich und deshalb eine komplette Metallentfernung durchzuführen [17]. In solchen Fällen ist eine temporäre Ruhigstellung im Fixateur externe bis zur Wundsanierung und ggf. Reosteosynthese zu erwägen.

Möglichkeiten des Wundverschlusses bei Wunddefekten

Vor allem wenn eine VAC-Therapie zur Säuberung des Wundgrunds notwendig wird (Retraktion der Haut), aber auch wenn Hautnekrosen entfernt werden müssen, kann ein spannungsfreier, sekundärer Wundverschluss schwierig oder sogar unmöglich werden. In solchen Fällen sind plastisch-chirurgische Techniken notwendig.

Mobilisation der kurzen
Peronealmuskulatur und Spalthauttransplantation

Falls es nicht gelingt, die Haut spannungsfrei über der distalen Fibula zu verschließen, kann die Weichteildeckung durch eine Mobilisation des M. peroneus brevis in der Visiertechnik nach Pers et al. [18] mit distaler Durchtrennung der Sehne auf Höhe der Fibulaspitze erzielt werden. Voraussetzung ist, dass ein ausreichend nach distal reichender Muskelbauch vorhanden ist. In der eigenen Praxis erfolgt die unmittelbare Spalthauttransplantation auf den Muskel sowie die Deckung mittels Vakuumversiegelung, wobei darauf zu achten ist, dass der Sog 60 mmHg nicht überschreitet.

Lokale Lappenplastiken

Falls eine lokale Deckung durch das oben genannte Verfahren aufgrund der Defektgröße nicht möglich ist, müssen weitere plastisch-chirurgische Techniken zum Zuge kommen. Als einfachstes Verfahren gilt hierbei der distal gestielte, fasziokutane oder adipofasziale Suralislappen, welcher aber vor allem bei adipösen Patienten aufgrund von Problemen der Lappendicke und dem Verschluss der Hebestelle Probleme machen kann. Der Suralislappen ist der einzige regionale Lappen, welcher ohne mikrochirurgische Expertise zur Defektdeckung rund um das Sprunggelenk, sowohl am Innenknöchel als auch am Außenknöchel verwendet werden kann (Abb. 5).

Weitere regionale Lappenplastiken bedürfen der Expertise in mikrochirurgischer Präparationstechnik. Eine enge Kooperation und interdisziplinäre Kommunikation mit der Plastischen Chirurgie ist hierbei oft von Vorteil. Dies gilt sowohl für die Varianten des M. peroneus brevis Lappens als distal gestielter muskulärer oder osteomuskulärer Lappen [19, 20] als auch für die kleinen Muskellappen der Abduktoren von Groß- und Kleinzehen. Auch für perforatorbasierte Propellerlappen (Abb. 6a-c), welche ein Optimum an vergleichbarer Gewebedicke, Farbe und Textur liefern, ist die Präparation in Blutsperre unter Lupenbrillensicht und mit mikrochirurgischem Instrumentarium Pflicht. Die distalen Perforatorcluster der A. tibialis anterior und posterior eignen sich für Lappenplastiken zur Deckung rund um das Sprunggelenk [22]. In ausgewählten Fällen ist auch ein Propellerlappen an den Perforatoren der A. fibularis zur Defektdeckung am Außenknöchel möglich [23].

Freie Lappenplastiken

Aufgrund der anatomischen Form des Sprunggelenks sind klassischerweise die oben beschriebenen regionalen Defektdeckungsverfahren nur begrenzt möglich und freie mikrovaskuläre Transplantate müssen entsprechend der Defektgröße und Form ausgewählt werden. Die zu transplantierenden Gewebekomponenten, Dicke, Textur und Hebestelle der Lappen werden nach Rücksprache mit dem Patienten individuell ausgewählt und in Abhängigkeit vom bestehenden Defekt für die jeweilige Situation hin ausgewählt [24]. Beispiele für freie Lappendeckungen am oberen Sprunggelenk sind der Anterior-lateral-thigh (ALT)-Lappen oder auch der Radialislappen (Abb. 7 a–c). Eine präoperative Angiografie zählt hierbei heute zum Standard. Bei gefäßkompromittieren Beinen ist hierbei der arterielle End-zu-Seit-Anschluss des Lappens an die Unterschenkelgefäße zu bevorzugen. In Extremfällen können mit interdisziplinärer Planung freie Lappentransplantate auch an vaskuläre autologe oder alloplastische Bypässe angeschlossen werden („Piggy-back-Verfahren“) oder temporäre arteriovenöse Gefäßschleifen zum Anschluss des Transplantats an einen proximal gelegenen Gefäßabschnitt mit besserem Perfusionsstatus dienen.

Das Lappentransplantat sollte individualisiert für den Fall ausgewählt werden. Grundsätzlich gilt, dass bei nachgewiesener Keimfreiheit sowohl (faszio-)adipokutane Lappenplastiken als auch Muskeltransplantate zur Knochendeckung geeignet sind. Hohlräume sollten mit Muskelgewebe plombiert werden. Sind größere, ggf. auch strukturelle Knochendefekte vorhanden, kann eine vaskularisierte Knochentransplantation einen späteren Eingriff mit Spongiosatransplantation ersetzen. Interdisziplinäre Therapieplanung und Kommunikation sind hier wichtig, denn das spätere Wiederanheben eines Lappens zur Spongiosa- oder Beckenkammknochentransplantation kann das Transplantat gefährden. Bei der Auswahl des Rekonstruktionsverfahrens sind Schuhversorgungen, Integumentdicke und Anforderungsprofil des Patienten grundsätzlich immer mit zu berücksichtigen. Sowohl nach gestielter als auch freier Lappenplastik am Sprunggelenk empfehlen wir eine Versorgung mit Kompressionssocken für 3–6 Monate.

Bei Patienten mit Weichteildefekten über der distalen Fibula, bei welchen aufgrund einer schlechten lokalen Durchblutung weder lokale noch freie plastisch-chirurgische Deckungsverfahren angewendet werden können, ist als Rettungseingriff die Resektion der distalen Fibula zu erwägen.

Resektion der distalen Fibula und Implantation eines retrograden Arthrodesennagels

Im eigenen Vorgehen erfolgt hierbei nach Resektion der distalen Fibula die Entfernung der tibialen und der talaren Knorpelflächen im Bereich des OSG und die retrograde Arthrodese- Marknagelung in Bauchlage. Nach Entfernung des Knochens kann häufig ein spannungsarmer Verschluss der Haut über der distalen Tibia bzw. der Arthrodesenregion erfolgen (Abb. 8a–g).

Wenn nach Ausschöpfung aller o.g. Maßnahmen der Weichteilverschluss nicht möglich ist, bleibt als letzte Maßnahme nur noch die Amputation im oberen Drittel des Unterschenkels.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Christopher Bliemel

Zentrum für Orthopädie und
Unfallchirurgie

Universitätsklinikum Marburg

Baldingerstraße

35043 Marburg

bliemel@med.uni-marburg.de

Literatur

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24. Engel H, Lin CH, Wei FC. Role of microsurgery in lower extremity reconstruction. Plast Reconstr Surg 2011; 127 Suppl 1: 228S–38S

Fussnoten

1 Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Marburg

2 Klinik für Plastisch-rekonstruktive, Ästhetische und Handchirurgie, Klinikum Kassel

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