Arzt und Recht - OUP 01/2019

Wirtschaftliche Aufklärungspflicht gegenüber dem Privatpatienten
GOÄ-Abrechnung

Heiko Schott

Dass dem Behandler auch eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten obliegen kann, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, sodann, ob der Behandler (Arzt) seine Leistung und seine Auslagen erstattet bekommt.

Wenn Patienten vorgeben, nur Behandlungen zu wünschen, die ihre PKV auch bezahlt, täte der Arzt gut daran, den Patienten zu bitten, nur an Erkrankungen zu leiden, die ausreichend versichert sind.

Obgleich das in der GKV geltende Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 12 SGB V weder für die PKV noch auf das privatärztliche Behandlungsverhältnis unmittelbar anzuwenden ist, bedeutet dies nach überwiegender Auffassung nicht, dass Kostengesichtspunkte in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rolle spielen dürfen1 . Wurde die Pflicht jahrelang als vertragliche Nebenpflicht des Arztes in verschiedenen Konstellationen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB hergeleitet, ist sie seit Februar 2013 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten unmittelbar im Gesetz verankert.

§ 630c Abs. 3, Satz 1 BGB lautet: „Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren.“

Die alltagsrelevante Problematik ist allerdings die im Gesetz fehlende Differenzierung zwischen GKV- und PKV-Patient. Die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers war es, insbesondere GKV-Patienten bei der Inanspruchnahme von individuellen Gesundheitsleistungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Tragweite in nicht zu beanstandender Weise zu schützen. Daher scheint auch die Gesetzesbegründung nachvollziehbar und schlüssig, in der es heißt: „Den Behandelnden trifft die Informationspflicht aus Absatz 3 Satz 1, wenn er weiß, dass die Behandlungskosten durch einen Dritten, in der Regel den Krankenversicherer, nicht vollständig übernommen werden. Voraussetzung ist insoweit, dass der Behandelnde positive Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme durch einen Dritten hat. In diesem Fall muss der Behandelnde die voraussichtliche Höhe der Behandlungskosten beziffern. Diese Information ist notwendig, damit der Patient die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung überschauen kann. Der positiven Kenntnis des Behandelnden steht es gleich, wenn sich aus den Umständen hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist. Auch in diesem Fall ist es die Pflicht des Behandelnden aus Absatz 3 Satz 1, den Patienten über die voraussichtliche Höhe der Behandlungskosten zu unterrichten. Dies folgt schon aus dem überlegenen Wissen des Behandelnden im täglichen Umgang mit Abrechnungen und dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn es ist der Behandelnde, der die Abrechnung mit der kassenärztlichen Vereinigung vorzunehmen hat und der regelmäßig darüber im Bilde ist, welche Behandlungen zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören und somit erstattungsfähig sind. Ein Vertragsarzt kennt die für die Erstattung maßgeblichen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (92 SGB V), da diese für die Leistungserbringer gemäß § 91 Absatz 6 SGB V verbindlich sind und gemäß § 94 Absatz 2 Satz 1 SGB V bekanntgemacht werden. Demgegenüber vermag der Patient als medizinischer Laie die Frage der medizinischen Notwendigkeit und die damit verbundene Übernahmefähigkeit der Behandlungskosten in der Regel nicht zu beurteilen (Schelling MedR 2004: 422–423)2.“

Hinsichtlich der Privatversicherten macht der Gesetzgeber an gleicher Stelle deutlich: „Etwas anders dürfte sich die Situation für den Bereich der privaten Krankenversicherung darstellen. Zwar haben die Patienten die Möglichkeit, besondere Tarife mit ihrer privaten Krankenversicherung zu vereinbaren, über die der Behandelnde in der Regel keine Kenntnisse hat. Bei privat krankenversicherten Patienten liegt es daher grundsätzlich im Verantwortungsbereich der Patienten, Kenntnisse über den Inhalt und Umfang des mit der Krankenversicherung abgeschlossenen Versicherungsvertrages zu haben. Etwas anderes muss allerdings dann gelten, wenn Behandelnde auch im Verhältnis zu einem privat krankenversicherten Patienten einen Informationsvorsprung haben. Dies ist insbesondere bei sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) der Fall. Dabei handelt es sich um Leistungen der Vorsorge- und Service-Medizin, die von der Krankenversicherung nicht bezahlt werden, da sie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören bzw. nicht von den privaten Krankenversicherungen als medizinisch notwendig anerkannt sind 3.“

Bei privat krankenversicherten Patienten soll es aber weiterhin grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Patienten liegen, sich Kenntnisse über den Inhalt und den Umfang der Versicherungsleistungen aus seinem konkreten Krankenkostenversicherungsvertrag zu verschaffen4 . Es geht eindeutig zu weit, zu verlangen, dass § 630c Abs. 3 BGB pauschal zulasten des Arztes und zugunsten der Patienten weitherzig ausgelegt werden sollte5. Der Arzt darf schlicht nicht in die Nähe der Stellung eines Versicherungsspezialisten oder Vermögensverwalters des Patienten rücken.

Allerdings ist im medizinischen und juristischen Alltag oft nicht ohne Weiteres konkret zu beurteilen, was von privaten Krankenkostenversicherern als medizinisch notwendig bzw. als nicht (mehr) medizinisch notwendig erachtet wird. Genau hierauf kommt es aber – der Gesetzesbegründung folgend – bei Privatversicherten an. Lediglich medizinisch notwendige Leistungen aus Sicht der PKV werden erstattet und bedürfen daher keiner gesonderten, der Schriftform unterliegenden, wirtschaftlichen Aufklärung.

Zugunsten der Behandler ist bei diesem Punkt allerdings direkt an der Vorschrift des § 630c Abs. 3 BGB zu verbleiben. Der Arzt muss entweder positive Kenntnis von einer drohenden Nichterstattung haben oder hinreichende Anhaltspunkte hierfür. Bei dem Gros der verschiedenen Behandlungen und/oder Therapien wird vermutlich darauf hinzuweisen sein, dass der Behandler nicht in unmittelbarem Verhältnis zur PKV steht und weder positive Kenntnis noch hinreichende Anhaltspunkte von einer drohenden Nichterstattung der Versicherung haben konnte (anders im Falle von GKV-Patienten und dem entsprechenden Leistungskatalog).

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