Originalarbeiten - OUP 06/2013

Analyse der Lebensqualität nach Rekonstruktion der Rotatorenmanschette

M.H. Baums1, T. Kostuj2, K. Üblacker1, H.M. Klinger1

Zusammenfassung: Anhand des SF-36 Fragebogens erfolgte die Untersuchung der Lebensqualität von 31 Patienten nach Rotatorenmanschettenrekonstruktion. Die
Ergebnisse wurden mit Werten der Normalbevölkerung verglichen, eine Analyse möglicher Einflussfaktoren wurde durchgeführt. Eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität und der körperlichen Funktion der Patienten wurde konstatiert. Allerdings wurde das Niveau der Normalbevölkerung nicht erreicht. Kein signifikanter Effekt ergab sich auf den psychischen Gesundheitszustand. Eine lange Beschwerdedauer geht mit Veränderungen auf psychischer Ebene einher – jedoch ohne Signifikanz. Ein signifikanter Einfluss des Geschlechts auf die Lebensqualitätsveränderung wurde nicht nachgewiesen.

Schlüsselwörter: Rotatorenmanschettenruptur, SF-36, Lebensqualität

 

Zitierweise

Baums MH, Kostuj T, Üblacker K, Klinger HM: Analyse der Lebensqualität nach Rekonstruktion der Rotatorenmanschette. OUP 2013; 6: 302–305. DOI 10.3238/oup.2013.0302–0305.

Summary: The quality of life in 31 patients after rotator cuff repair was stated on the basis of the SF-36 questionnaire. The results were compared with values of the normal population. Additionally, an analysis of possible factors that influence the results was carried out. A significant improvement in the quality of life and physical function was noted. Despite this progress, the level of the general population was not reached. No significant effect was on the mental state of health. A long complaint goes hand in hand with major changes at the mental level but without significance. A significant effect of gender to changes in quality of life was not detected.

Keywords: rotator cuff tear, SF-36, quality of life

 

Citation

Baums MH, Kostuj T, Üblacker K, Klinger HM: Quality of life after rotator cuff repair. OUP 2013; 6: 302–305.
DOI 10.3238/oup.2013.0302–0305.

Einleitung

Die Prävalenz von Rotatorenmanschettenläsionen liegt bei 39 % und steigt in dem selektiven Kollektiv der über 60-Jährigen auf bis zu 55 % an [1]. Aufgrund des zunehmenden Funktionsanspruchs und einer auch im fortgeschrittenen Alter aktiven Bevölkerung erlangt diese Entität somit zunehmende Bedeutung [2].

Folgerichtig ist es nicht nur aus ökonomischen Gesichtspunkten wichtig, Patientenzufriedenheit und Lebensqualität zu evaluieren [3]. In den letzten Jahren rückt dabei die eigene Sicht des Patienten auf seinen durch den operativen Eingriff veränderten Gesundheitsstatus in den Vordergrund. Eine Möglichkeit, diesen Zustand zu bestimmen, ist der Short-Form 36 (SF-36) Fragebogen [4]. Er wurde bereits bei der Analyse der Effektivität von Therapien eingesetzt [5] und gilt als valides Instrument zur Erfassung des allgemeinen Gesundheitszustands [4].

Ziel der Analyse war die Untersuchung der Lebensqualität und möglicher Einflussfaktoren nach operativer Rekonstruktion von Läsionen der Rotatorenmanschette anhand des SF-36 Fragebogens. Die Hypothese bestand darin, nachzuweisen, dass die subjektive Lebensqualität durch die Rekonstruktion der Rotatorenmanschette signifikant verbessert wird und sich die erhobenen Werte denen der Normalbevölkerung angleichen.

Material und Methoden

In die retrospektive Analyse wurden 37 Patienten eingeschlossen, bei denen eine Rotatorenmanschettenrekonstruktion in mini-open-Technik durchgeführt wurde. Sämtliche Patienten wurden von einem Operateur therapiert.

Jeder Patient erhielt SF-36 Fragebögen zur Bearbeitung. Dieser besteht aus 36 Items (Fragen), die sich auf 9 Sub-Skalen verteilen [6]:

  • 1. körperliche Funktionsfähigkeit (KÖFU, 10 Items),
  • 2. körperliche Rollenfunktion (KÖRO, 4 Items),
  • 3. körperliche Schmerzen (KÖSC, 2 Items),
  • 4. allgemeine Gesundheitswahrnehmung (AGENS, 5 Items),
  • 5. Vitalität (VITA, 4 Items),
  • 6. soziale Funktionsfähigkeit (SOFU, 2 Items),
  • 7. emotionale Rollenfunktion (EMRO, 3 Items),
  • 8. psychisches Wohlbefinden (PSYC, 5 Items) und
  • 9. Veränderungen der Gesundheit (1 Item).

Daraus ergeben sich Summenskalen zur Erfassung des körperlichen (KSK, Skala 1–4) und des psychischen Gesundheitszustands (PSK, Skala 5–8). Skala 9 dient der Individualdiagnostik und geht nicht mit in die Gesamtberechnung mit ein [6].

Statistische Analyse

Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS Software (PASW 18, SPSS, Chicago, IL, USA). Die Normalverteilung wurde mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test (mit Korrektur nach Lilliefors) geprüft. Ein Vergleich erfolgte mittels Wilcoxon-Test, die Gegenüberstellung mit der Normstichprobe mittels U-Test nach Mann und Whitney. Durch die Spearman-Korrelation wurde der Alterseinfluss erfasst. Mittels Symmetrietest nach Bowker wurden die Werte auf Änderung geprüft. Es wurde zweiseitig getestet und das Signifikanzniveau auf 5 % festgelegt.

Ergebnisse

Von den 37 angeschriebenen Patienten standen 31 zur Nachuntersuchung zur Verfügung, davon 11 Frauen und 20 Männer. Der Zeitpunkt der Befragung lag im Mittel 34,2 (14–46) Monate nach dem operativen Eingriff.

Zum Zeitpunkt der Operation waren die Patienten im Mittel 54 (35–71) Jahre alt. Die mittlere Dauer der Beschwerden lag bei 45 (1–260) Monaten. 17 Patienten wurden präoperativ ohne Besserung konservativ behandelt (NSAR, Physio- und Massagetherapie, Analgetika).

Bei 7 Patienten lag eine traumatische Genese vor, 24 Patienten berichteten kein Trauma. 8 Patienten waren Raucher, 23 Nichtraucher.

Die Sehne des M. supraspinatus (SSP) war bei 22 Patienten isoliert betroffen. Bei jeweils 2 Patienten waren die Sehnen des M. subscapularis (SSC) bzw. des M. infrapinatus (ISP) isoliert betroffen. Kombinierte Sehnenverletzungen fanden sich bei 2 Patienten (ISP + SSP bzw. SSP + SSC). Bei 3 Patienten waren 3 Sehnen betroffen (SSC + ISP + SSP).

Der präoperativ mittlere Wert der körperlichen Summenskala (KSK) lag bei 35,4, der der psychischen Summenskala (PSK) bei 45,3. Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung kam es zu einem signifikanten Anstieg des mittleren Wertes für die KSK auf 43 (p = 0,002). Hochsignifikante Steigerungen (p < 0,01) zeigten die Subskalen körperliche Funktionsfähigkeit (KÖFU), allgemeine Gesundheitswahrnehmung (AGENS) und körperliche Schmerzen (KÖSC). Die Veränderungen der Subskalen körperliche (KÖRO) und emotionale Rollenfunktion (EMRO) waren signifikant (p < 0,05). Der Anstieg der PSK auf 45,6 war hingegen nicht signifikant (p = 0,894). Die Ergebnisse sind in Abbildung 1 dargestellt.

Insgesamt kam es zu einer deutlicheren Steigerung der Werte in den einzelnen Subskalen bei Frauen verglichen mit den Ergebnissen der Männer. Eine Signifikanz (p < 0,016) fand sich jedoch nur in der Subskala Vitalität (VITA). Im Vergleich beider Summenskalen wurde kein signifikanter Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Patienten festgestellt (KSK: p = 0,283; PSK: p = 0,773).

In den Veränderungen der Subskalen im prä- und postoperativen Vergleich zeigte sich keine Korrelation bis auf eine mäßig negative Korrelation zwischen Alter und PSK (R = –0,465, p = 0,008) (Abb. 2).

Zwischen der Beschwerdedauer der Patienten und den Veränderungen der Subskalen zeigte sich eine mäßige positive Korrelation zum psychischen Wohlbefinden (PSYC) (R = 0,493, p = 0,005) und zur PSK (R = 0,369, p = 0,005) (Abb. 3).

Ein signifikanter Einfluss des Nikotinkonsums auf die Veränderungen des Gesundheitszustandes durch die operative Therapie wurde nicht nachgewiesen (KSK: p = 0,321; PSK: p = 0,652).

Im Vergleich zur Normalbevölkerung waren die postoperativ erreichten Werte der KSK (p = 0,002) und der PSK (p = 0,031) signifikant schlechter.

Diskussion

In vorliegender Untersuchung wurde durch die Rekonstruktion von Rotatorenmanschettenrupturen ein positiver Effekt auf die subjektive Lebensqualität erreicht. Die Hypothesen wurden jedoch nur teilweise bestätigt. Der Einfluss auf die psychische Summenskala war im Gegensatz zu den Veränderungen der körperlichen Summenskala nicht signifikant. Die Werte der Normalbevölkerung wurden nicht erreicht.

Neben organbezogenen Scores zur Verifizierung von Operationsergebnissen rücken zunehmend Fragebögen zur Bewertung der postoperativen Lebensqualität in den Vordergrund. Übereinstimmend mit den Ergebnissen vorliegender Untersuchung zeigten McKee und Yoo [6] signifikante Verbesserungen der körperlichen Summenskala (KSK) des SF-36 nach Rotatorenmanschettenrekonstruktion. Ein Einfluss auf die psychische Summenskala (PSK) wurde ebenfalls nicht bestätigt. Bei Betrachtung der Subskalen wurden übereinstimmend in der körperlichen Rollenfunktion (KÖRO) und den körperlichen Schmerzen (KÖSC) die größten Veränderungen gefunden. Auch die Arbeitsgruppe um Gartsman bestätigt diese Resultate [7]. Sie fanden jedoch auch signifikant-positive Veränderungen in den Subskalen der psychischen Summenskala (PSK) [8]. Allerdings wurden hier Patienten mit Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen, während in vorliegender Arbeit diese Selektion nicht erfolgte.

Ein geschlechtsspezifisch signifikanter Einfluss besteht nach bisherigen Erkenntnissen auch in den Ergebnissen vorliegender Studie nicht. McKee und Yoo [6] bestätigten dies im Gegensatz zur Verwendung organbezogener Auswertungsinstrumente (Constant Score, Simple Shoulder Test). Hier wurden bei weiblichen Patienten signifikant schlechtere Ergebnisse gefunden [9, 10].

Regelmäßiger Nikotinkonsum erwies sich in vielen Untersuchungen als schlechter prognostischer Faktor hinsichtlich Inzidenz und Heilung von Pathologien der Rotatorenmanschette [11, 12, 13, 14]. In einer Studie mit 15.140 Patienten konnte zudem ein Zusammenhang zwischen gesteigertem Nikotinkonsum und Langzeitbeschwerden bei Patienten mit Knie- und Rotatorenmanschettenverletzungen sowie Bandscheibenvorfällen bestätigt werden [12].

In vorliegender Studie fiel auf, dass Nichtraucher im Vergleich zu Rauchern größere, jedoch nicht signifikante Besserungen der körperlichen Summenskala (KSK) zeigten. In der psychischen Summenskala (PSK) präsentierte sich kein Unterschied zwischen den Gruppen. Auch Mallon et al. [15] zeigten diesen Trend bei Auswertung des UCLA-Scores und eines subjektiven Schmerzfragebogens. Insgesamt erreichten mehr Nichtraucher als Raucher gute postoperative Ergebnisse.

Bei Auswertung objektiver, organbezogener Kriterien (Constant Score) konnte hingegen weder ein signifikanter Einfluss des Nikotinkonsums noch des Geschlechts oder Alters auf das postoperative Ergebnis nachgewiesen werden [16].

Hingegen zeigte sich eine Korrelation zwischen der präoperativen Dauer der Beschwerden und der Verbesserung in den psychischen Sub- und Summenskalen (PSK). Zu den Veränderungen der körperlichen Summenskala (KSK) ließ sich keine Korrelation herstellen. Das Vorliegen chronischer Rotatorenmanschettenläsionen scheint hierfür verantwortlich zu sein [6, 17, 18].

Schließlich konnte eine mäßig negative Korrelation zwischen dem Alter der Patienten und der psychischen Summenskala (PSK) nachgewiesen werden. Erklärt werden kann dies mit einer geringeren Beeinflussung der psychischen Komponente durch körperliche Beeinträchtigungen bei älteren Patienten, oft bedingt durch einen weniger hohen Funktionsanspruch. Junge Patienten hingegen sind durch die körperlichen Einschränkungen in sportlichen Aktivitäten auch psychisch stärker belastet [19].

Bei der Analyse der Daten wirken sich die geringe Fallzahl und der retrospektive Charakter der Studie einschränkend aus. Auch die Erfassung nur eines Zeitpunkts zur Nachkontrolle ist als Limitation zu werten. Allerdings liegen bei den ausgewerteten prospektiven Untersuchungen zum Teil Jahre zwischen den jeweiligen Befragungen, sodass hier der Einfluss unterschiedlicher Lebensumstände und damit divergierender Rahmenbedingungen nicht zu unterschätzen ist. Eine engmaschige prospektive Verlaufsbeobachtung muss deshalb gefordert werden, um valide Ergebnisse zur Veränderung der Lebensqualität zu erfassen. Dennoch können die Resultate vorliegender Analyse den Trend eines positiven Effektes der Rekonstruktion von Rotatorenmanschettenrupturen auch auf die subjektive Lebensqualität bestätigen.

 

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internatinal Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Mike H. Baums

Abteilung Orthopädie

Universitätsmedizin Göttingen (UMG)

Georg-August-Universität

Robert-Koch-Str. 40

37099 Göttingen

mbaums@t-online.de

Literatur

1. Ozaki J, Fujimoto S, Nakagawa Y et al. Tears of the rotator cuff of the shoulder associated with pathological changes in the acromion. A study in cadavera. J BoneJoint Surg Am 1988; 70–A: 1224–1230

2. Habermeyer P, Lehman L, Lichtenberg S. Rotatorenmanschetten-Ruptur. Diagnostik und Therapie. Orthopäde 2000; 29: 196–208

3. Williams A. Setting priorities in health care: an economist’s view. J Bone Joint Surg Br 1991; 73–Br: 365–367

4. Ware JE, Sherbourne CD. The MOS 36– item short form health survey (SF-36). Med Care 1992; 30: 473–483

5. Böhm D. Scores. In: Gohlke F, Hedtmann A (Hrsg) Orthopädie und orthopädische Chirurgie – Schulter. Stuttgart: Thieme Verlag, 2002: 98–101

6. Ware JE, Snow K, Kosinski M et al. SF-36 health survey: manual and interpretation guide. Boston: The Health Institute, New England Medical Center 1993

7. McKee MD, Yoo DJ. The Effect of Surgery for Rotator Cuff Disease in General Health Status. J Bone Joint Surg Am 2000; 7–A: 970–979

8. Gartsman GM, Brinker MR, Khan M et al. Self-assessment of general health status in patients with five common shoulder conditions. J Shoulder Elbow Surg 1998; 7: 228–237

9. Romeo AA, Hang DW, Bach BR et al. Repair of full-thickness rotator cuff tears. Gender, age and other factors affecting outcome. Clin Orthop Relat Res 1999; 367: 243–255

10. Oh JH, Kim SH, Ji HM et al. Prognostic factors affecting anatomic outcome of rotator cuff repair and correlation with functional outcome. Arthroscopy 2009; 25: 30–39

11. Jorgensen LN, Kallehave F, Christensen E et al. Less collagen production in smokers. Surgery 1998; 123: 450–455

12. Lincoln AE, Smith GS, Amoroso PJ et al. The effect of cigarette smoking in musculoskeletal- relates disability. Am J Ind Med 2003; 43: 337–349

13. Galatz LM, Silva MJ, Rothermich SY et al. Nicotine delays tendon-to-bone healing in a rat shoulder model. J Bone Joint Surg Am 2006; 88–A: 2027–2034

14. Baumgarten KM, Gerlach D, Galatz LM et al. Cigarette smoking increases the risk of rotator cuff tears. Clin Orthop Relat Res 2010; 486: 1534–1541

15. Mallon WJ, Misamore G, Snead DS et al. The impact of preoperative smoking habits on the result of rotator cuff repair. J Shoulder Elbow Surg 2004; 13: 129–132

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19. Razmjou H, Holtby R, Myhr T. Gender differences in quality of life and extent of rotator cuff pathology. Arthroscopy 2006; 22: 57–62

Fussnoten

Abteilung Orthopädie, Universitätsmedizin Göttingen (UMG), Georg-August-Universität

Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Rheumaorthopädie, Katholisches Krankenhaus, Dortmund-West

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