Übersichtsarbeiten - OUP 01/2017

Anwendung von winkelstabilen Formplatten bei der Versorgung komplexer Gelenkfrakturen

Die Vorteile winkelstabiler Platten mit Blick auf die Primärstabilität aus biomechanischer Sicht sind mittlerweile vielfach für unterschiedlichste Lokalisationen und in variierenden Versuchsaufbauten beschrieben [12, 13, 22, 23]. Im Design sind die meisten dieser Implantate der Anatomie des jeweiligen Knochens nachempfunden, um die Rekonstruktion mit der Platte als „Schablone“ zu erleichtern. Hieraus leitet sich auch der teilweise verwendete Begriff der „Formplatte“ ab. Die Vorteile der winkelstabilen Platte schlagen sich in der Klinik in häufig geringeren Komplikationsraten nieder im Vergleich zu konventionellen, d.h. nicht-winkelstabilen Implantaten [24–26]. Es ist an dieser Stelle jedoch darauf hinzuweisen, dass die Datenlage in Bezug auf klinische, prospektiv-randomisierte Studien zur Klärung der Frage der Überlegenheit winkelstabiler Implantate sehr dürftig ist. In der klinischen Praxis jedoch haben sich diese Implantate als Standard in der Frakturversorgung, insbesondere von komplexen (Gelenk-) Frakturen durchgesetzt. Das Angebot seitens der Industrie ist vielfältig, und es existiert eine Vielzahl an Implantaten, die jedoch nahezu alle die wesentlichen Merkmale der Winkelstabilität und der anatomischen Formgebung vereinen. Die vorliegende Arbeit beschreibt die winkelstabile Non-Contact-Bridging- (NCB) Platte (Zimmer Biomet) exemplarisch als eine Möglichkeit der Versorgung komplexer Gelenkfrakturen. Das Portfolio umfasst den proximalen Humerus, das distale Femur, die proximale Tibia sowie speziell entworfene Platte für die periprothetische Femrufraktur, sei es proximal oder distal. Die Implantate sind allesamt anatomisch gestaltete Formplatten mit winkelstabiler Schraubenplatzierung. Der winkelstabile Verriegelungsmechanismus stellt ein Alleinstellungsmerkmal dar. Eine primär konventionelle Schraube, d.h. ohne Gewinde im Kopfbereich, wird sekundär durch das Einbringen einer Verschlusskappe winkelstabil verriegelt. Dies erlaubt die indirekte Reposition gegen die Platte und das Ausüben von interfragmentärer Kompression mit anschließender winkelstabiler Verriegelung mit derselben Schraube. Zudem kann die Schraubenplatzierung polyaxial erfolgen [12].

Aufgrund der Möglichkeit der drastischen Konsequenz in der Prognose für den Patienten und der hieraus erwachsenden klinischen Relevanz, wurden im vorliegenden Artikel die Versorgungen komplexer Gelenkfrakturen des distalen Femurs und der proximalen Tibia mit der NCB-Platte exemplarisch für die Behandlung komplexer Gelenkfrakturen mit winkelstabiler Formplatte beschrieben. Im Falle des distalen Femurs erfolgte die Versorgung bei Gelenk-beteiligender Fraktur über eine laterale Arthrotomie und Applikation der Platte in MIPO-Technik [18]. Es wurden die Prinzipien der dynamischen bzw. Überbrückungsosteosynthese bei metaphysärer Beteiligung im Sinne einer Trümmerzone angewandt [15]. Zu diesen Prinzipien gehört neben der Länge der Platte und Schraubenkonfiguration der limitierte Einsatz von Zugschrauben, vorzugsweise außerhalb der Platte bzw. Cerclagen bei spiralförmigem Frakturverlauf unter der Platte [24]. In dem untersuchten Kollektiv kam es zu 2 Pseudarthrosen (8 %), die bei einem Polytrauma und einer offenen Fraktur auftraten. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Literatur bzw. liegt leicht darunter [27, 28]. Auch das funktionelle Ergebnis ist mit dem anderer Studien vergleichbar [29]. Im Falle der Ergebnisse für die proximale Tibia lag das funktionelle Ergebnis ebenfalls in Einklang mit Literatur [25]. Die Rate an Pseudarthrosen war gering mit 91 % Konsolidierungsrate nach 6 Monaten. Ein Repositionsverlust mit Notwendigkeit der Revision inklusive einer additiven Platte von medial trat in nur einem Fall auf. Dies ist bemerkenswert, wenn man die Rate von 44 % an bikondylären Typ-C-Frakturen betrachtet und spricht für die hohe Primärstabilität des von lateral angebrachten Implantats. Die geringe Rate an Weichteilkomplikationen, insbesondere der Infektion, wird wesentlich auf das minimalinvasive Vorgehen zurückgeführt, was in 64 % erfolgte.

Diese Ergebnisse belegen die bekanntermaßen große Bedeutung der Weichteile in der Behandlung komplexer Gelenkfrakturen. Diese müssen ggf. mit Hilfe einer externen Fixation konsolidiert bzw. plastisch rekonstruiert werden, um dann die definitive Versorgung durchzuführen. Diese Faktoren sind als Implantat-unabhängig zu erachten. Die modernen winkelstabilen Formplatten der führenden Hersteller sind ohnehin als zumeist fast gleichwertig zu erachten, was auch die fehlende Evidenz für die Überlegenheit eines einzelnen Systems erklärt. Die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellte Lösung weist als spezifisches Charakteristikum zwar den winkelstabilen Verriegelungsmechanismus auf, mit der Möglichkeit der Polyaxialität, vereint aber ansonsten die gängigen Eigenschaften einer winkelstabilen Formplatte. Ein weiterer wesentlicher Faktor, der über den Erfolg der operativen Therapie entscheidet, ist wiederum nicht das Implantat selber, sondern seine korrekte Anwendung der Prinzipien der Versorgung. Hier ist die distale Femurfraktur ein gutes Beispiel mit der beschriebenen dynamischen oder auch Überbrückungsosteosynthese. Kein noch so gutes Implantat kann die fehlende oder falsche Anwendung dieser Prinzipien kompensieren, weswegen die konsequente Ausbildung in der Anwendung der modernen Implantate zu fordern ist.

Interessenkonflikt: G. Röderer ist Instrukteur bei Zimmer biomet

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Götz Röderer

Universitätsklinikum Ulm

Zentrum für Chirurgie

Klinik für Unfallchirurgie, Hand-, Plastische- und Wiederherstellungschirurgie

Albert-Einstein-Allee 23

80981 Ulm

goetz.roederer@uniklinik-ulm.de

Literatur

1. Dirschl DR, Dawson PA: Injury severity assessment in tibial plateau fractures. Clin Orthop Relat Res 2004; 423: 85–92

2. Rademakers MV, Kerkhoffs GM, Sierevelt IN, Raaymakers EL, Marti RK: Operative treatment of 109 tibial plateau fractures: five- to 27-year follow-up results. J Orthop Trauma 2007; 21: 5–10

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