Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017

Arthroskopische superiore Kapselrekonstruktion bei irreparabler Rotatorenmanschettenruptur

Zur medialen Fixierung des Grafts am Glenoid werden 2 Schlaganker unmittelbar medial des superioren Labrums platziert. Die Ankeranlage erfolgt perkutan in Outside-in-Technik (Abb. 3a-d). Mit Hilfe einer Kanüle, über die wiederum eine Bohrhülse gestülpt wird, wird die korrekte Ausrichtung der Bohrung gewährleistet. Nach einer 3,0 mm-Bohrung wird der erste Anker über eine Stichinzision ventral des AC-Gelenks anterior am oberen Glenoidpol eingebracht (Abb. 3a–b). Der zweite glenoidale Anker wird über das Neviaser-Portal in gleicher Technik posterosuperior am Glenoidhals platziert (Abb. 3c–d). Die nicht-resorbierbaren Fäden werden entsprechend ausgeleitet und am Abdecktuch fixiert, um einen Hautkontakt zu vermeiden. Im weiteren Vorgehen wird die mediale Ankerreihe für die knotenlose humerale Doppelreihen-Fixierung des Grafts angelegt. Nach vorherigem Anfrischen des Footprints am Tuberculum majus werden die Fadenanker an der Knorpel-Knochengrenze im Bereich der Supraspinatussehneninsertion platziert (Abb. 3e–f). Die Ankeranlage erfolgt zum einen über ein anterolaterales (Abb. 3e) und zum anderen über ein laterales Portal. Der hintere Fadenanker wird nahe der Infraspinatussehneninsertion angelegt.

Zur Vorbereitung des Grafts werden die anteroposterioren Abstände zwischen den glenoidalen (Abb. 4) und humeralen sowie mediolateralen Abständen der vorderen und hinteren Anker mit einer speziellen Messvorrichtung arthroskopisch ausgemessen.

An einem sterilen Beistelltisch wird das Graft aus extrazellulärer dermaler Matrix vorbereitet. Die zuvor genommenen Maße werden eingezeichnet und das Graft mit einer sterilen Schere oder sterilem Skalpell auf die gewünschte Größe zugeschnitten. Um ein Einreißen durch die Fäden zu verhindern, sollten 5 mm nach medial bzw. glenoidal, anterior und posterior Überstand gelassen werden. Nach lateral ist ein Abstand von 10 mm notwendig, um eine vollständige Abdeckung des humeralen Footprints zu gewährleisten (Abb. 4).

Während der gesamten Prozedur ist auf ein gutes Fadenmanagement inklusive Hochbinden der Fäden zu achten, um einen Hautkontakt zu vermeiden (Abb. 5a). Mit einem Fadenrückholer werden zunächst die 4 Fäden der glenoidalen Ankerreihe gefasst und nach lateral über eine Gummikanüle ausgeleitet (Abb. 5b). Jeweils ein Faden wird dann durch das mediale Graftende geführt, welches später am oberen Glenoidrand zu liegen kommen soll. Die Fadenenden werden so verknotet, dass sie später eine anteroposteriore Brücke bilden, über die das Graft an das Glenoid gezogen und fixiert werden kann (Abb. 5c). Mithilfe einer Scorpion-Zange (Arthrex, Naples, Florida), welche das Graft durchsticht und den Faden dabei mitführt, werden die 2 verbliebenen Fadenenden zwischen den beiden vorherigen durch das Graft gezogen und dienen als Zugfäden (Abb. 5c). Die Fadenbrücke wird über die beiden Zugfäden festgezogen und das Graft mithilfe eines Weichteilgreifers über eine Gummikanüle im lateralen Portal eingebracht. Über die Zugfäden und mithilfe der Fasszange kann das Graft unter arthroskopischer Sicht von posterior am oberen Glenoidrand platziert werden. Die beiden langen Fadenenden werden festgezogen und verknotet, sodass das Graft medial fixiert ist (Abb. 5d).

Im weiteren Vorgehen wird dann die humerale Fixierung in knotenloser Doppelreihen-Technik am Tuberculum majus durchgeführt. Dafür werden zunächst die Fäden des anterioren humeralen Ankers nach lateral über die Kanüle mithilfe eines Fadenrückholers ausgeleitet. Anschließend wird das Graft lateral durchstochen und die Fäden durch das Graft gezogen, sodass eine humerale Fixierung gelingt. In gleicher Weise werden die Fäden des posteromedialen Ankers durch das laterale Graftende geführt Um das Graft in einer knotenlosen Doppelreihentechnik am Footprint zu fixieren, werden die Fäden nach lateral abgespannt und mit einer weiteren Ankerreihe fixiert (Abb. 6a–c). Die Fadenschenkel der Infraspinatussehnenrefixation können hierbei ebenfalls mit abgespannt werden, sodass schlussendlich ein Konstrukt entsteht, welches ausreichend Fläche und Anpressdruck für eine Graft-Knochen-Einheilung am humeralen Footprint gewährleistet (Abb. 6c). Zur vollständigen Rekonstruktion der superioren Gelenkkapsel sollten abschließend noch Adaptationsnähte von Infraspinatus- bzw. Rotatorenintervall an das Graft in Seit-zu-Seit-Technik durchgeführt werden (Abb. 6d). Mithilfe dieser Adaptationsnähte lässt sich eine vollständige Kontinuität der oberen Gelenkkapsel gewährleisten und die Chance auf das Einwandern von nativen Zellen erhöhen. Im eigenen Vorgehen werden je nach Befund in der Regel 2 Seit-zu-Seit-Nähte von Infraspinatussehne zum Graft (Abb. 6d) und eine Seit-zu-Seit-Naht vom Graft zu Rotatorenintervall durchgeführt. Nach einer abschließenden subacromialen Dekompression werden die Arthroskopieportale standardmäßig verschlossen und ein steriler Kompressionsverband angelegt.

Rehabilitation

Die Nachbehandlung erfolgt analog zu der Rehabilitation nach Rotatorenmanschettenrekonstruktion. Postoperativ wird die Schulter für 6 Wochen in Neutralstellung mit einem Abduktionskissen immobilisiert. In dieser Zeit erfolgt ausschließlich eine passive Mobilisierung, wobei die Flexion und Abduktion auf 90° begrenzt sind und forcierte Innen- und Außenrotation zu vermeiden sind. Ab der 7. Woche kann mit einer aktiv-assistierten Mobilisierung begonnen werden. Eine Belastung des Arms ist für 10–12 Wochen zu vermeiden.

Ergebnisse

In einer retrospektiven Fallserie konnten Mihata et al. 23 Patienten (24 Schultern, ø 65 Jahre (52–77)) mit einem durchschnittlichen Follow-up von 34,1 (24–51) Monaten nachuntersuchen [10]. Die Autoren verwendeten hierbei ein Fascia-lata-Autograft, welches doppelt bis dreifach gefaltet und vernäht wurde, um eine entsprechende Dicke zu erreichen. Die Indikation zur SCR wurde bei posterosuperioren Rotatorenmanschettenrupturen gestellt, welche sich nicht an den humeralen Footprint mobilisieren ließen und damit nicht rekonstruierbar waren. In 3 Fällen handelte es sich um einen Revisionseingriff, in den übrigen 21 Fällen um einen Primäreingriff. In dieser Studie zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Beweglichkeit und Abduktionskraft der Patienten. Die Flexion konnte um 64°, die Außenrotation um 14° und die Innenrotation um 2 Wirbelkörperhöhen verbessert werden.

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