Übersichtsarbeiten - OUP 03/2018

Augmentationstechniken bei Osteoporose-assoziierten Frakturen

Aktuelle Anwendungsgebiete der Zementaugmentation sind insbesondere metaphysäre Frakturen (vornehmlich proximale Humerus- und Femurfrakturen) sowie Augmentation der Pedikelschrauben im Rahmen dorsaler Stabilisierungen. Ferner finden Knochenzemente in der Endoprothetik, bei Vertebro- und Kyphoplastien sowie als Knochenersatzmaterial bei größeren Defekten Anwendung.

Verfügbare Biomaterialien zur Augmentation

Je nach Anwendungsgebiet sind verschiedene Knochenzemente am Markt verfügbar, eine Vielzahl unterschiedlicher Biomaterialien wurde bereits untersucht. Folgende Eigenschaften müssen dabei erwogen werden: Osteoinduktion (Aktivierung der Knochenneubildung), Osteokonduktion (Eigenschaft als Leitstruktur für die Knochenneubildung), Osteogenität (Wachstum neuen Knochens) Defektfüllungsvermögen, Verfügbarkeit, Kosten, strukturelle Unterstützung und Nebenwirkungen.

Bei alterstraumatologischen Patienten liegt hierbei der Fokus auf höchster Stabilität zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Remodelling und sukzessive Umwandlung in Knochen treten deshalb in den Hintergrund, um eine postoperative Vollbelastung durch den Patienten zu ermöglichen.

Die Liste für die Augmentation geeigneter Stoffe erstreckt sich von Calcium-Derivaten über bioaktive Polymere bis hin zum weit verbreiteten Polymethylmethacrylat (PMMA). Die Eigenschaften bestimmter Zemente können sich selbst innerhalb der Stoffgruppen deutlich unterscheiden, sofern die Anteile bestimmter Additive variiert oder ergänzend weitere Komponenten beigemischt werden.

Calciumphosphat

Die Stabilität und Festigkeit menschlichen Knochens wird hauptsächlich durch Einbau von Calciumphosphatkristallen vermittelt. Um physiologische Eigenschaften zu erzielen, werden folglich viele Knochenersatzmaterialien auf Calciumphosphat-Basis eingesetzt. Für Calciumphosphat konnte eine erhöhte Verwindungssteifigkeit bei Patienten mit winkelstabilen Plattenosteosynthesen nach hoher Tibiaosteotomie im Vergleich mit einer Kontrollgruppe ohne Zementaugmentation nachgewiesen werden [46]. Wie auch für Calciumsulfat besteht in der Gruppe der Calciumphosphate eine große Variabilität zwischen verschiedenen Mischungen in Hinblick auf die Druckfestigkeit nach Aushärtung des Materials. Bei guten osteokonduktiven Eigenschaften, struktureller Verstärkung des Knochens und gutem Defektfüllungsvermögen könnte die Beimischung osteoinduktiver Mittel die Knochenheilung und Bildung neuen Knochens weiter begünstigen. Für die Beimengung von Bisphosphonaten konnten keine signifikanten positiven Auswirkungen auf die Knochenheilung nachgewiesen werden [42]. Für „bone morphogenetic proteins“ und Thrombozytenkonzentrate alleine konnte kein signifikanter Vorteil nachgewiesen werden [51], während die Kombination aus Calciumphosphat und thrombozytenreichem Plasma osteoinduktive Eigenschaften im Tierversuch bei der Wirbelkörperaugmentation von Ratten zeigte [8].

Calciumsulfate

Bis heute sind die Anwendungsgebiete für Calciumsulfat nicht genau abgegrenzt. Hauptsächlich wurden Calciumsulfate bisher vorwiegend zur Defektfüllung bei Tibiaplateaufrakturen eingesetzt [53]. Trotz der relativ bröckeligen Konsistenz konnten injizierbare Zemente entwickelt werden, deren Druckfestigkeit unmittelbar nach Applikation Spongiosa entspricht. Im Vergleich mit anderen Zementen zersetzen sich Calciumsulfate sehr rasch. Calciumphosphate und -sulfate konnten im Tierversuch nach Injektion in defekte Wirbelkörper von Schafen nicht dieselbe Stabilität wie intakte oder PMMA augmentierte Wirbelkörper erreichen, die Stabilität konnte jedoch signifikant erhöht werden [55]. Calciumsulfat zeigte im Vergleich mit PMMA und Calciumphosphat deutliche osteoinduktive Wirkung. Aufgrund der raschen Zersetzung lässt auch die Druckfestigkeit rasch nach. Urban et al. konnten im Tierversuch nach Applikation höhere Festigkeiten im Vergleich mit Spongiosa erzielen, welche allerding nach 26 Wochen deutlich nachließ [50]. Die gute Osteoinduktion scheint unmittelbar mit der raschen Zersetzung von Calciumsulfaten einherzugehen. Aus diesem Grund sollten Calciumsulfate insbesondere bei jungen Patienten mit guter Knochenqualität eingesetzt werden, bei denen eine starke Osteoinduktion gegenüber dauerhaft erhöhter Stabilität des Zements vorzuziehen ist.

Hydroxyapatit

Um größere metaphysäre Defektzonen zu füllen, können außerdem Hydroxyapatitblöcke eingesetzt werden. Holmes et al. konnten zunächst im Tierversuch gute osteokonduktive und osteoinduktive Ergebnisse für in metaphysäre Defektzonen von Hunde-Tibiae eingesetzten Hydroxyapatitzement zeigen [23]. In einer Fallserie von 40 metaphysären Tibiafrakturen beschrieben Buchholz et al. für die Kombination aus vorgeformten Hydroxyapatitblöcken und Hydroxyapatitgranulat keine signifikanten Unterschiede im Vergleich mit autologer Spongiosaplastik im Hinblick auf klinische Ergebnisse sowie in der konventionellen Röntgenbildgebung [6]. Nach Biopsien von 7 Patienten zum Zeitpunkt der Metallentfernung konnten die sehr langsame Zersetzung sowie die gute osteokonduktive Wirkung nachgewiesen werden.

Bioglas

Aktuell finden verschiedene bioaktive Polymere Anwendung, zumeist auf Silikat-Basis. Die gute Osteointegration dieser Verbindungen lässt sich auf die Hydroxyapatitbildung auf der Oberfläche von Bioglas zurückführen [31, 41], sowie die Umwandlung von Silikat-basiertem Glas in Hydroxyapatit [21]. Weitere positive Eigenschaften könnten die Folge der Freisetzung von Ionen sein, welche möglicherweise Knochenheilung und Integration von Bioglas begünstigen. Durch die Ionen werden indirekt ebenfalls Osteoblasten stimuliert, welche die Osteoinduktion begünstigen. Bioglas kann vielfältige Eigenschaften annehmen, durch die Einlagerung von Ca+, Mg2+, Sr2+, Na+ und K+ -Ionen kann die Bioaktivität moduliert werden, während durch Al3+ and Ga3+ die Festigkeit erhöht wird. Durch Zugabe von Ag+, Zn2+, Cu2+ oder Ti3+ kann Bioglas antibakterielle Eigenschaften annehmen [25, 29], was für Revisionseingriffe eine wichtige Eigenschaft darstellt. Bioglas ohne Zugabe weiterer Spurenelemente erreicht jedoch nicht die Festigkeit spongiösen Knochens, weshalb die Anwendung bisher auf ergänzende Augmentation bei ausreichender ergänzender Stabilisierung begrenzt war, beispielsweise durch Osteosynthesen [54].

Polymethylmethacrylat (PMMA)

Die Anwendungsgebiete von PMMA hingegen sind breit gestreut. Defekte metaphysärer Frakturen können mittels PMMA stabilisiert werden; das injizierbare Material eignet sich jedoch auch zur Applikation über kanülierte Schrauben zur Reduktion des Cut-out-Risikos. Trotz der bereits sehr langen Verfügbarkeit acrylischer Zemente zeigt PMMA insbesondere bei alterstraumatologischen Patienten gute klinische Ergebnisse [10, 39, 43]. Die Anwendung wird jedoch kontrovers diskutiert. Durch Hemmung des Knochenumbaus sollte PMMA nicht unmittelbar zwischen die Frakturflächen eingebracht werden. Die exotherme Reaktion während des Aushärtens in situ stellt den zweiten Kritikpunkt dar. Blazejak et al. konnten jedoch nur geringe Temperaturerhöhungen des umgebenden subchondralen Knochens sowie der Gelenkflächen nachweisen, unterhalb von Temperaturen, die zu Zelltod führen könnten [3].

Typische Frakturlokalisationen der Zementaugmentation

Proximale Femurfrakturen

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