Übersichtsarbeiten - OUP 03/2018

Augmentationstechniken bei Osteoporose-assoziierten Frakturen

Proximale Femurfrakturen stellen eine der häufigsten und auch bedrohlichsten Frakturentitäten alterstraumatologischer Patienten dar. Mit einer Ein-Jahres-Mortalität von bis zu 30 % [17, 40] sind proximale Femurfrakturen eine häufige Todesursache im Alter. Frühe Vollbelastbarkeit muss folglich gerade in diesen Fällen das Ziel der operativen Versorgung sein. Pertrochantäre Femurfrakturen und Schenkelhalsfrakturen sind die häufigsten Frakturen am proximalen Femur und treten überwiegend bei älteren Patienten mit osteoporotischem Knochen auf. Pertrochantäre Femurfrakturen werden in der Regel osteosynthetisch versorgt. Die intramedulläre Versorgung mit Femurhalskomponente ist hierbei die operative Methode der Wahl. Schraubenosteosynthesen oder die dynamische Hüftschraube finden hingegen als kopferhaltende Verfahren bei cervikalen Femurfrakturen Anwendung. Mediocervikale Femurfrakturen des alterstraumatologischen Patienten werden allerdings zunehmend primär endoprothetisch versorgt, um der Anforderung an eine „single-shot-surgery“ und der unmittelbaren vollbelastenden Mobilisierung gerecht zu werden [28].

Die biomechanischen Vorteile einer Marknagelversorgung können durch die Möglichkeit der Zementaugmentation der Schenkelhalskomponente weiter unterstützt werden [19, 27] (Abb. 1). Durch die Vergrößerung der Kontaktfläche zwischen Implantat und Knochen lässt sich durch die Zementaugmentation höhere Stabilität erreichen [15, 16]. Bei Revisionseingriffen stellt die Zementaugmentation für den Operateur jedoch kein größeres Hindernis im Rahmen der Implantatentfernung dar [44]. Auch für die dynamische Hüftschraube bestehen Augmentationsmöglichkeiten mit Steigerung der Stabilität der Osteosynthese und sukzessiver Vermeidung des „cut-out“ der Schraube, diese werden bislang jedoch nicht mithilfe eines speziellen Instrumentariums standardisiert angewandt [33, 52].

Wirbelsäule

Vertebroplastie und Kyphoplastie

Die Vertebroplastie wurde 1984 für die Behandlung aggressiver Angiome der Wirbelsäule entwickelt. Die Anwendungsgebiete wurden in der Folge erweitert [11]. Die Hauptindikation stellen heute Osteoporose- oder Trauma-assoziierte Kompressionsfrakturen von Wirbelkörpern dar. PMMA-Zemente werden hierbei perkutan in die geschädigten Wirbelkörper eingebracht. Die Hauptkomplikation der Vertebroplastie stellen Anschlussfrakturen der umgebenden Wirbelkörper dar, welche vor allem bei osteoporotischem Knochen auftreten. Als Hauptursache wird die hohe Festigkeit der verfügbaren PMMA-Zemente angeführt [30]. Die Belastung der angrenzenden Endplatten nimmt nach PMMA-Zementaugmentation deutlich zu. Kolb et al. untersuchten diesbezüglich PMMA-Zemente mit unterschiedlichen Festigkeiten [32]. Die für einen Ermüdungsbruch erforderliche Kraft zeigte sich für modifizierten PMMA-Zement im Vergleich erhöht. Für Calciumphosphat-Zement konnten im kleinen Patientenkollektiv ebenfalls vielversprechende Ergebnisse gezeigt werden [35]. In-vitro-Versuche konnten für Calciumphosphat außerdem Festigkeiten nachweisen, die näher an spongiösem Knochen liegen als die von PMMA [24]. Eine wichtige Komplikation der Vertebroplastie stellt jedoch der Zementaustritt dar. Zementaustritt in den Spinalkanal kann beispielsweise neurologische Schäden nach sich ziehen und schlimmstenfalls zu Paraplegie führen. Auch Zementembolien durch einen intravasalen Zementaustritt können hierdurch begünstigt werden, bleiben jedoch im überwiegenden Teil der Fälle asymptomatisch [5]. Die Kyphoplastie stellt eine weitere Entwicklung der Vertebroplastie dar. Unter Verwendung eines Ballons können frische Frakturen wieder aufgerichtet werden [9, 48]. Außerdem soll ein Zementaustritt durch die Schaffung eines Augmentationshohlraums durch den Ballon verhindert werden. Das Risiko eines Zementaustritts wird durch größere Durchmesser der Nadeln sowie niedrige Applikationsdrücke weiter vermindert (Abb. 2).

Augmentation von
Pedikelschrauben dorsaler
Wirbelsäulenstabilisierungen

Zur Versorgung instabiler Wirbelkörperfrakturen erfolgt meist zunächst die dorsale Stabilisierung. Gerade bei osteoporotischem Knochen stellt die Schraubenlockerung die Hauptkomplikation nach diesem Eingriff dar. Diese kann jedoch durch Zementaugmentation erfolgreich reduziert werden. [14]. Injizierbare Zemente wie PMMA, Calciumphosphat oder Calciumsulfat stehen dabei zur Verfügung.

Humerus

Proximale Humerusfrakturen werden heute häufig mit winkelstabilen Plattenosteosynthesen versorgt. Die Verankerung kanülierter Schrauben lässt sich auch durch die Zementaugmentation verbessern. In Ergänzung zu winkelstabilen Platten verspricht die Zementaugmentation weitere Vorteile in der Versorgung osteoporotischer Knochen. Die trabekuläre Struktur osteoporotischer Knochen gibt den Schrauben oft keinen ausreichenden Halt. Eine signifikante Verbesserung der Stabilität konnte für die Zementaugmentation der kanülierten Schrauben im Vergleich mit nicht augmentierten Osteosynthesen gezeigt werden (Abb. 3). Diese Ergebnisse ließen sich sowohl unter Verwendung von PMMA als auch unter Verwendung von Calciumphosphat erreichen [13, 49]. Komplikationen wie Repositionsverlust und Schrauben-cut-out lassen sich durch die Augmentation reduzieren. Scola et al. empfehlen die gezielte Augmentation von 2 Schrauben in Regionen mit deutlich reduzierter Knochenqualität. Im Vergleich mit ungezielter Augmentation von 4 Schrauben konnten annähernd gleiche Ergebnisse erzielt werden unter Verwendung deutlich geringerer Mengen Knochenzement [45].

Tibia

Als Folge der persistierenden axialen Belastung treten auch Tibiaplateaufrakturen bei älteren Patienten häufiger auf. Subchondraler Knochen und Spongiosa von Patienten mit Osteoporose sind bei hohen Kompressionskräften einem deutlich erhöhten Risiko für Impressions- oder Abscherfrakturen ausgesetzt. Im Gegensatz zu metaphysären Frakturen steht bei Tibiaplateaufrakturen die Wiederherstellung einer kongruenten Gelenkfläche im Vordergrund. Wie bei proximalen Humerusfrakturen stellt die winkelstabile Plattenosteosynthese dabei das operative Verfahren der Wahl dar. Die Zementaugmentation einer winkelstabilen Plattenosteosynthese ist in Abbildung 4 dargestellt. Der postoperative Repositionsverlust während der Rehabilitation stellt dabei jedoch eine ungewünschte Komplikation dar. Nach Einbringen autologer bone grafts zur Rekonstruktion der Defektzone ist die erlaubte Belastung für den Patienten für meist 6 Wochen begrenzt [2]. Unter Verwendung von Knochenzementen lassen sich höhere Stabilitäten erreichen, außerdem lassen sich diese exakt in den Defekt einpassen. Verwendung finden könnten hierbei sowohl präformierte Zementblöcke als auch Granulat und injizierbare Zemente. In der Veröffentlichung ihrer Kadaverstudie sprachen sich McDonald et al. bei Verwendung von Calciumphosphat aufgrund der höheren Festigkeit im Vergleich mit autologen bone grafts sogar für eine unmittelbare postoperative Vollbelastbarkeit aus [37]. Mayr et al. konnten in einem analog zur Kyphoplastie gewählten Verfahren gute biomechanische Ergebnisse für die Ballon-assistierte Reposition und Zementinjektion in der experimentelle Anwendung zeigen [36].

Fazit

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