Übersichtsarbeiten - OUP 12/2018

Behandlung von Knorpelschäden an Knie, Sprunggelenk und Hüfte
Zusammenfassung der Empfehlungen der AG Klinische GeweberegenerationGuidelines from the group “Clinical Tissue Regeneration” of the German Society of Orthopaedics and Traumatology (DGOU)

Christoph Becher1, Stefan Landgraeber2, Stefan Fickert3, 4, Philipp Niemeyer5, 6, Peter Angele3, 7

Zusammenfassung: Knorpelregenerative Therapieansätze zur Behandlung von fokalen traumatischen und degenerativen Knorpelschäden haben in den letzten Jahren an Stellenwert gewonnen. Mittlerweile ist das Verständnis für die Biologie des Knorpelschadens, die Relevanz in Bezug auf die Funktionseinschränkung, aber auch die Bedeutung für die Entstehung einer Arthrose deutlich gewachsen. Es konkurrieren unterschiedliche Strategien zur operativen Behandlung, welche grundsätzlich in knochenmarkstimulierende Verfahren und Transplantationstechniken unterschieden werden. Die Bedeutung des subchondralen Knochens und der Begleittherapien hat ebenfalls an Stellenwert gewonnen. Der vorliegende Artikel gibt eine Übersicht über die aktuellen Empfehlungen der AG Klinische Geweberegeneration der DGOU zur Behandlung von Knorpelschäden an Knie, Hüfte und Sprunggelenk.

Schlüsselwörter: Knorpelschaden, Knie, Hüfte, Sprunggelenk, Therapie, Operation

Zitierweise
Becher C, Landgraeber S, Fickert S, Niemeyer P, Angele P: Behandlung von Knorpelschäden an Knie, Sprunggelenk und Hüfte. Zusammenfassung Empfehlungen der AG Klinische Geweberegeneration. OUP 2018; 7: 580–587 DOI 10.3238/oup.2018.0580 –0587

Summary: In recent years, regenerative therapy options in the treatment of focal traumatic and degenerative cartilage defects have gained increasing significance. The understanding of the biology of cartilage defects, its relevance in terms of decreasing function and the development of osteoarthritis has considerably increased. Existing strategies have generally to be distinguished in bone marrow stimulation and transplantation techniques. Accordingly, the importance of the subchondral bone and additional procedures have been increasingly acknowledged. This article provides an overview on the current guidelines from the group “Clinical Tissue Regeneration” of the German Society of Orthopaedics and Traumatology (DGOU) for the treatment of cartilage defects in the knee, ankle and hip joint.

Keywords: cartilage defect, knee, hip, ankle, therapy, surgery

Citation
Becher C, Landgraeber S, Fickert S, Niemeyer P, Angele P: Treatment of cartilage defects in the knee, ankle and hip joint. Guidelines from the Group “Clinical Tissue Regeneration” of the German Society of Orthopaedics and Traumatology (DGOU).
OUP 2018; 7: 580–587 DOI 10.3238/oup.2018.0580 –0587

1 HKF – Internationales Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie, ATOS Klinik Heidelberg

2 Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Essen

3 Sporthopaedicum Regensburg, Straubing, Berlin

4 Universitätsmedizin Mannheim, Medizinische Fakultät Universität Heidelberg

5 OCM | Orthopädische Chirurgie München

6 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Freiburg

7 Klinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg

Knorpelchirurgie
am Kniegelenk

Einleitung

Der Gelenkknorpel erfüllt wichtige funktionelle Aufgaben im Kniegelenk. Knorpelverletzungen, z.B. durch einen Unfall oder eine Sportverletzung ausgelöst, führen ohne adäquate Behandlung zur Arthrose.

In den letzten Jahren haben sich eine Vielzahl an erfolgreichen Therapieverfahren zur Behandlung von lokalen traumatischen Knorpeldefekten (Abb. 1) entwickelt, die den Gelenkknorpel früh nach Schädigung wieder regenerieren und somit die Arthrose verzögern oder sogar vermeiden können.

Die Auswahl des geeigneten Therapieverfahrens für den einzelnen Patienten hängt ab vom Knorpelschaden (u.a. Defektgröße, Defekttiefe), Anspruch des Patienten sowie von eventuell vorliegenden zusätzlichen Gelenkverletzungen wie Bandinstabilitäten, Meniskuseinrissen und Abweichungen der mechanischen Beinachse. Diese Verletzungen müssen im Sinne einer multimodalen regenerativen Gelenktherapie mit korrigiert werden, um ein erfolgreiches Ergebnis für das entsprechende Knorpeltherapieverfahren zu ermöglichen.

Ätiologie und Epidemiologie

16 % der Knieverletzungen sind mit Knorpelschäden verbunden. Die Rate an vollschichtigen Knorpelschäden kann bei Profisportlern bis zu 40 % betragen. Die Prävalenz von Osteoarthrose ist bei Fußballspielern 5-fach vergrößert im Vergleich zur Kontrollpopulation. Neben rein traumatischen Ursachen führen Überbelastung von Gelenkanteilen sowie eine genetisch bedingte Schwächung des Knorpels zu Knorpelschäden.

Nicht jeder Knorpelschaden führt zur Arthrose, jedoch ist bekannt, dass das Risiko zur Ausbildung einer Arthrose mit der Größe des initialen Knorpelschadens korreliert. Daher stellen insbesondere große vollschichtige Knorpeldefekte für den Patienten Relevanz dar.

Bildgebung und Klassifikation

Eine konventionelle Röntgenaufnahme des Kniegelenks pa in 45°-Beugeposition stehend sowie eine streng seitliche Röntgenaufnahme des Kniegelenks erlauben die Beurteilung von eher fortgeschrittenen Degenerationen des Kniegelenks. Zur Klassifizierung dient hierbei im klinischen Alltag das Klassifizierungssystem nach Kellgren-Lawrence. Fortgeschrittene Schäden in den konventionellen Röntgenaufnahmen, wie Gelenkspaltverschmälerung, stellen zumeist für regenerative Knorpeltherapieverfahren eine Kontraindikation dar. Daher helfen konventionelle Röntgenaufnahmen als ein wichtiges initiales Bewertungskriterium für oder gegen regenerative Behandlung von Knorpeldefekten. Die Ganzbeinstandaufnahme erlaubt eine präzise Beurteilung der Beinachse und gehört daher zur Standarddiagnostik vor einer möglichen Knorpeltherapiebehandlung, um eine mögliche pathologische Überlastung des zu behandelnden Gelenkkompartiments zu erkennen.

Die Kernspintomografie ist das am häufigsten genutzte nicht invasive Verfahren, um Knorpelläsionen zu bewerten [1]. Vorteil ist dabei, dass neben der Knorpeldefekterkennung und -beurteilung eine gesamte Gelenkanalyse einschließlich des subchondralen Knochens möglich ist. Insbesondere für die frühzeitige Erkennung von Knorpelläsionen spielt die Kernspintomografie eine bedeutende Rolle, da klinische Symptome beim betroffenen Patienten unspezifisch und in Episoden vorliegen können.

Zur Klassifizierung von Knorpelschäden wird häufig der ICRS-Score verwendet, der initial für die makroskopische Bewertung entwickelt wurde [2]. Daher hat sich für die präoperative Defektbeurteilung ein neuer Bewertungsscore etabliert, das AMADEUS-Score-System (Area Measurement And DEpth & Underlying Structures). Mit AMADEUS werden 3 wichtige Parameter des Knorpeldefekts beschrieben: die Knorpeldefektgröße (area measurement), die Knorpeldefektmorphologie (depth) und die Beschreibung des subchondralen Knochens (underlying structures) [1].

Die Computertomografie (CT) erlaubt die Beurteilung des subchondralen Knochens. Insbesondere bei osteochondralen Läsionen lassen sich subchondrale Sklerosierung und Zystenbildung genau analysieren. Vor Behandlung von Knorpeldefekten des patellofemoralen Kompartiments stellt das Rotationsanalyse-CT ein wichtiges Beurteilungskriterium für knöchern bedingte Rotationsabweichungen in Femur und Tibia dar.

Therapie

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