Arzt und Recht - OUP 06/2012

Bewertung von Ärzten durch Patienten im Internet

Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Karlsruhe

Einleitung

Insbesondere in den letzten 2 Jahren wurde um die Zulässigkeit von so genannten „Internetbewertungsportalen“ viel diskutiert und auch vor den Gerichten gestritten. Solche Portale gibt es auch für Ärzte, und sie funktionieren wie folgt: Für die Erstellung einer Bewertung muss der Patient unter Umständen Mitglied beim Betreiber des Portals werden. Bei der entsprechenden Anmeldung hat er Informationen über seine Identität zur Verfügung zu stellen. Häufig können sich die Mitglieder auch einen Benutzernamen geben, der als Pseudonym angezeigt wird. Der Patient kann ggf. unter Einfügung von Bildern eine Bewertung über den Arzt schreiben und in das Portal einstellen. In der Regel sind bereits durch die entsprechenden Nutzungsbedingungen ausdrücklich Schmähkritiken, Verleumdungen, Beleidigungen, Lügen und Falschinformationen unzulässig. Manche Portale sind ohne Registrierung „offen“ und die Bewertungen auch über Suchmaschinen ohne Login auffindbar und lesbar.

Da es sich bei den Bewertungen um höchst subjektive Eindrücke handelt, werden diese Portale sehr kritisch gesehen. Insbesondere ist fraglich, ob eine sachgerechte Inhaltskontrolle der Bewertungen stattfindet bzw. überhaupt stattfinden kann. Gerade im medizinischen Bereich unterliegen die Wahrnehmungen der Patienten einer besonderen Sensibilität, sodass negative Bewertungen für Arztpraxen verheerende Folgen haben können, ohne dass objektiv eine fehlerhafte oder auch nur „unkomfortable“ Behandlung erfolgte.

Bisherige Rechtsprechung

BGH vom 23.06.2009

In einem Grundsatzurteil vom 23.06.2009 erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) Bewertungsportale grundsätzlich für zulässig. Der Anbieter sei auch für rechtswidrige Informationen nach § 10 Satz 1 Telemediengesetz nicht verantwortlich, wenn er keine Kenntnisse von der Rechtswidrigkeit der Informationen hat, die Informationen auch nicht offensichtlich rechtswidrig sind oder der Anbieter diese unverzüglich sperrt, sobald er Kenntnis von der Rechtswidrigkeit erlangt. Auch bestünden zumindest dann keine datenschutzrechtlichen Bedenken, wenn die Zahl der abgegebenen Bewertungen erfasst und ein arithmetisches Mittel aus den abgegebenen Noten errechnet werde. Entscheidend sei unter anderem, ob die Datenerhebung einen eigenen Geschäftszweck darstellt oder im Informationsinteresse für den Meinungsaustausch der Nutzer erfolge. Zwar könnten schutzwürdige Interessen von Betroffenen in der Wahrung des Persönlichkeitsrechts und in der Abwehr von wirtschaftlichen Nachteilen liegen. Jedoch kann dieses Interesse im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung hinter dem Interesse auf Information der Nutzer zurückstehen. Konkret seien das Recht der Bewerteten auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG abzuwägen. Im entschiedenen Fall unterlag die bewertete Lehrerin. Die von ihr gegen das Urteil des BGH eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss vom 16.08.2010 vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.

LG Münster vom 11.10.2010, OLG Hamm vom 12.09.2011

Das Landgericht (LG) Münster entschied kurz darauf am 11.10.2010 in einem Urteil, dass ein Psychotherapeut gegen den Betreiber eines Internetbewertungsportals keinen Anspruch darauf hat, dass folgender im Portal veröffentlichter Beitrag eines sich selbst als „T1“ bezeichnenden Nutzers beseitigt wird:

„Ich fühle mich von Dr. T. unverstanden und herablassend behandelt. Er wirkte auf mich realitätsfern und allgemein nicht gut informiert. Meiner Ansicht nach sollte sich ein Psychotherapeut mit den Problemen seiner Patienten auskennen, auch wenn diese nicht aus akademischen Kreisen kommen.“

 

Auf der Internetseite des Betreibers befand sich der volle Name des klagenden Psychotherapeuten sowie dessen Anschrift.

Die Berufung gegen dieses Urteil wies das Oberlandesgericht (OLG) Hamm durch Beschluss vom 12.09.2011 zurück. Bei dem Verfasser der Äußerung handele es sich wohl um einen ehemaligen Patienten des Psychotherapeuten, der mit der Behandlung unzufrieden war. Mangels Nachweis des Gegenteils bzw. der Urheberschaft des Betreibers, weil er sich die Äußerungen z.B. zu Eigen gemacht hätte, bestünde kein Löschungsanspruch gegen den Betreiber der Internetplattform. Die Abwägung zwischen Kommunikationsfreiheit des Betreibers nach Art. 5 Abs. 1 GG und der informationellen Selbstbestimmung des Psychotherapeuten nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG führe zum Vorrang der Kommunikationsfreiheit. Bei der beanstandeten Bewertung handele es sich um ein Werturteil, das lediglich die Sozialsphäre (und nicht etwa die Privat-, Intim- oder gar Geheimsphäre) des Psychotherapeuten tangiert. Solche Äußerungen dürften nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden. Bei Berufsbewertungsportalen müsse man davon ausgehen, dass mangels objektiver Nachprüfbarkeit regelmäßig subjektive Werturteile der Bewertenden und keine Tatsachenbehauptungen vorliegen, da die Bewertenden mangels eigener fachlicher Kompetenz nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit für ihre Bewertung erheben, sondern lediglich ihre persönliche Sicht der bewerteten Personen und ihre Eigenschaften darlegen. Im konkreten Fall lag nach Auffassung des Landgerichts mangels entsprechender Anhaltspunkte auch weder eine unsachliche Schmähkritik, noch eine Formalbeleidigung oder ein Angriff auf die Menschenwürde des Psychotherapeuten vor.

Aktuelle Rechtsprechung:
Bewertungsportal für Ärzte

In seinem Urteil vom 08.03.2012 entschied das OLG Frankfurt, dass eine Ärztin, die sich Bewertungen in einem frei zugänglichen Internetportal ausgesetzt sah, keinen Anspruch gegen den Betreiber des Portals auf Löschung des Eintrages hat.

Zum Sachverhalt

Die Klägerin, die als niedergelassene Ärztin tätig ist, begehrte von der Beklagten, die ein Internetportal zum Auffinden und Bewerten von niedergelassenen Ärzten betreibt, die Löschung der über sie vorhandenen Daten (Kontaktdaten, berufliche Tätigkeit, Bewertungsmöglichkeit und erfolgte Bewertungen) sowie die Unterlassung der Veröffentlichung der entsprechenden Daten.

Zum Verfahrensgang

Das LG hatte die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Löschungs- oder Unterlassungsanspruch zu, da die nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vorzunehmende Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin und dem Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit der Beklagten zu einer zulässigen Verwertung der Daten durch die Beklagte führe.

 

Die Klägerin, die ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter verfolgt, rügte in der Berufung Folgendes:

 

Das LG habe verkannt, dass nicht § 29 BDSG, sondern § 28 BDSG zur Anwendung komme, da die Datenerhebung „für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke“ erfolge, nicht aber „zum Zwecke der Übermittlung“. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 BDSG für die Zulässigkeit der Datenerhebung lägen jedoch nicht vor.

Zudem habe das LG für den Fall der Anwendung des § 29 BDSG die gebotene Interessenabwägung unzutreffend vorgenommen. Die von dem BGH in seiner „spickmich“ – Entscheidung aufgestellten Maßstäbe seien auf das streitgegenständliche Portal nicht anzuwenden, da es sich nicht um ein geschlossenes Internetportal (sog. Community-Forum) handele. Das Interesse der Klägerin überwiege jenes der Beklagten deutlich; schon der latente Verdacht der Manipulation müsse die Einträge unglaubwürdig erscheinen lassen. Die Sozialsphäre der Klägerin sei durch ihre Berufstätigkeit geprägt, die auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient aufbaue. Deshalb sei den Ärzten eine Werbung, die auf ungeprüfter Selbsteinschätzung beruhe, standesrechtlich nicht gestattet. Bei dem Portal der Beklagten sei der schönrednerischen Werbung durch konkurrierende Ärzte Tor und Tür geöffnet. Die Informationsinteressen der Nutzer des Portals könnten die Interessen der Klägerin ebenfalls nicht überwiegen, da die Bewertungen mangels Objektivität und Kompetenz der beurteilenden Laien für die Nutzer des Portals bei der Arztwahl als Information nicht werthaltig seien. Schließlich habe die Klägerin bei einer anonymen Bewertung keine Möglichkeit der Auseinandersetzung; Meinungsäußerungen aus der Masse heraus seien nicht schutzwürdig.

 

Die beklagte Betreiberin des Portals verteidigte das angefochtene Urteil. Nicht § 28, sondern § 29 BDSG finde Anwendung. Die Abwägung des Landgerichts sei fehlerfrei. Anonyme Meinungsäußerungen seien von Art. 5 GG geschützt. Dass die Beklagte das Bewertungsportal kommerziell betreibe, sei unerheblich. Die Beklagte schließe durch vielfältige Sicherungsmaßnahmen Missbrauch nach Möglichkeit aus. Standesrechtliche Werbeverbote bänden nur Angehörige des jeweiligen Berufsstands; zudem gehöre es zu den Berufspflichten eines Arztes, das Recht seiner Patienten auf freie Arztwahl zu achten. Der Vortrag der Klägerin zu etwaiger unlauterer Selbstdarstellung anderer Ärzte sei zudem unsubstantiiert; ein Recht auf Löschung könne sich allenfalls auf eine konkrete Rechtsverletzung beziehen, nicht aber auf das Verhindern von Meinungsäußerungen im Allgemeinen. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, eine Registrierung für den Abruf von Ärztedaten und Bewertungen vorzusehen.

Aus den Gründen

Das LG hat nach Auffassung des OLG zu Recht erkannt, dass der Klägerin weder ein Anspruch auf Löschung noch auf Unterlassung der Veröffentlichung ihrer persönlichen Daten bestehend aus Name, ärztlichen Tätigkeitsgebieten, Gesamt- und Einzelbewertungen sowie aus Kommentaren der Nutzer zusteht:

Soweit es um den Namen, die Adresse und den Tätigkeitsbereich der Klägerin geht, sind diese Daten bereits in allgemein zugänglichen Quellen (z.B. Gelbe Seiten) vorhanden, so dass ihr Erheben, Speichern, Verändern oder Nutzen nach § 29 Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 BDSG grundsätzlich zulässig ist.

Allerdings ist mit dem BGH für die Frage der Zulässigkeit auf eine Würdigung im Zusammenhang mit der Bewertungsmöglichkeit und der Speicherung der Bewertungen abzustellen, weil nur die gemeinsame Verwendung der Daten den von der Beklagten verfolgten Zweck des Betreibens eines Arztempfehlungsportals erfüllt. Danach ist die Datenverarbeitung gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 BDSG zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass die Klägerin als Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat.

Der wertausfüllungsbedürftige Begriff des „schutzwürdigen Interesses“ verlangt nach der Rechtsprechung des BGH eine Abwägung des Interesses des Betroffenen (Arzt) an dem Schutz seiner Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung der Daten für ihn hat, mit den Interessen der Nutzer (Patient), für deren Zwecke die Speicherung erfolgt, unter Berücksichtigung der objektiven Wertordnung der Grundrechte. Im Streitfall hat dabei eine Abwägung zwischen dem Schutz des Rechtes der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem Recht auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG zu erfolgen.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, dass die Grundsätze, die der BGH in dem bereits erwähnten Urteil zu einem Lehrerbewertungsportal aufgestellt hat und auf die sich das LG im Rahmen seiner Abwägung stützt, bereits deshalb nicht herangezogen werden könnten, weil es sich vorliegend – anders als in der Entscheidung des BGH – nicht um ein geschlossenes Internetportal handelt.

Zwar trifft zu, dass der BGH bei der Überprüfung des Verhältnisses zwischen Rechtsgüterschutz und -beschränkung im Rahmen der von ihm vorgenommenen Abwägung auch darauf abgestellt hat, dass die dortige Beklagte durch die Registrierung der Nutzer den Zugriff auf Informationen über eine Lehrkraft einer bestimmten Schule beschränkt, die Registrierung die Kenntnis der Schule voraussetzt, Mehrfachregistrierungen mit derselben E-Mail-Adresse nicht möglich sind und die Daten weder über eine Suchmaschine noch über die Internetadresse nur mit Eingabe des Lehrernamens angerufen werden können. Dies ist hier insofern anders, als das Portal der Beklagten einschließlich der Bewertungen ohne jegliche Beschränkungen zugänglich ist und die Bewertungen zudem auch z.B. über Google aufrufbar sind.

Allerdings arbeitet die Klägerin – im Gegensatz zu Lehrern – nicht in einem geschlossenen, abgrenzbaren Raum, sondern als niedergelassene Ärztin. Das LG weist deshalb zu Recht darauf hin, dass sich die Klägerin insbesondere vor dem Hintergrund des Rechts auf freie Arztwahl dem auch zwischen Ärzten bestehenden Wettbewerb stellen muss und insoweit den Marktmechanismen ausgesetzt ist, zu denen heute – wie in vielen anderen Lebensbereichen – auch Bewertungsmöglichkeiten in öffentlich zugänglichen Quellen (zu denen auch das Internet zählt) gehören. Da die Meinungsfreiheit auch das Recht des Äußernden umfasst, die Modalitäten einer Äußerung und damit das Verbreitungsmedium frei zu bestimmen, muss es die Klägerin grundsätzlich hinnehmen, wenn die Möglichkeit besteht, sie in einem öffentlich zugänglichen Portal zu bewerten, und diese Möglichkeit genutzt wird.

Die Datenerhebung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Bewertungen anonym erfolgen und der Klägerin damit die Möglichkeit der Auseinandersetzung genommen wird.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Vornahme einer Bewertung nicht ohne jegliche Beschränkung möglich ist. So muss derjenige, der eine Bewertung abgeben möchte, zunächst über einen Klick die Nutzungsrichtlinien akzeptieren und seine E-Mail-Adresse angeben, an die dann vor der ersten Bewertung ein Aktivierungslink geschickt wird; allerdings ist zutreffend, dass unabhängig davon die Bewertungen anonym bleiben. Der Senat verkennt nicht, dass eine solche anonyme Bewertung(smöglichkeit) zum einen die Gefahr missbräuchlicher oder unberechtigter Äußerungen birgt, zum anderen der Klägerin die Möglichkeit der direkten Auseinandersetzung nimmt und es wünschenswert wäre, wenn sich derjenige, der eine Meinung vertritt, auch zu ihr bekennt. Dessen ungeachtet kann die Meinungsäußerungsfreiheit nicht auf Äußerungen beschränkt werden, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können. Der Bundesgerichtshof hat in der vorbenannten Entscheidung in aller Deutlichkeit und ohne Beschränkung auf den schulischen Bereich darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, die Gefahr begründet, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen eine Art Selbstzensur vornimmt und davon absieht, seine Meinung zu äußern. Dies ist aber mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht vereinbar.

Zudem ist vorliegend im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Beklagte neben dem Erfordernis der Angabe einer E-Mail-Adresse weitere Sicherungsmaßnahmen eingebaut hat. So gibt es bei dem Bewertungsformular einen Hinweis darauf, dass „Unangemessene oder falsche Bewertungen nicht akzeptiert“ werden, verbunden mit einem Button „….-Qualitätssicherung“, der mit einer Beschreibung des Bewertungs- und Freigabeprozesses verlinkt ist, der auch die Information an den Arzt über die Bewertung und die Möglichkeit des Einspruchs vorsieht. Vor dem Hintergrund dieser Sicherungsmaßnahmen reicht entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht bereits der latente Verdacht der Manipulation von Bewertungen aus, um annehmen zu können, dass die berechtigten Interessen der Klägerin überwiegen.

Soweit die Klägerin die – nicht näher konkretisierte – Gefahr standeswidriger, schönrednerischer (Eigen-) Werbung durch Kollegen sieht, wäre sie durch eine solche nicht unmittelbar in ihren eigenen Rechten betroffen, sodass sich daraus kein Anspruch auf Löschung ihrer Daten herleiten lässt. Zudem ist nicht ersichtlich, dass sich diese Gefahr tatsächlich bereits verwirklicht hat.

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass die Bewertungen mangels Objektivität und Kompetenz der Laien nicht werthaltig seien. Wie das LG zutreffend darlegt, ist das Recht auf Meinungsäußerung nicht auf objektivierbare allgemein gültige Werturteile beschränkt; vielmehr ist es gerade charakteristisch für eine Meinungsäußerung, dass sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des Meinens und damit durch eine eigene, subjektive Einschätzung des Äußernden geprägt ist. Zudem ist mit dem LG davon auszugehen, dass es dem Nutzer einer Bewertungsplattform grundsätzlich bewusst ist, dass die dort befindlichen Bewertungen naturgemäß keinen wissenschaftlichen Standard erfüllen, sondern allein die subjektiven Erfahrungen wiedergeben, die einzelne Betroffene mit den verschiedenen Ärzten gemacht haben – und diese Erfahrungen können, wie auch die Einträge bei der Klägerin zeigen, ganz unterschiedlicher Art sein.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der Daten durch deren Übermittlung an die abfragenden Nutzer.

Fazit

Diese Rechtsprechung setzt Ärzte nahezu ungeschützt kritischen Bewertungen durch Patienten aus. Sofern die Bewertungen nicht offensichtlich beleidigend oder unwahr sind, dürfte die Löschung solcher Bewertungen kaum durchsetzbar sein, da die Rechtsprechung die Informationsfreiheit der Patienten tendenziell über die Interessen der Ärzte stellt. Damit wird die Rechtsprechung der besonderen Sensibilität im Arzt-Patienten-Verhältnis und für Ärzte drohenden verheerenden Folgen überzeichneter Patientenwahrnehmungen nicht gerecht. Enthält eine Bewertung jedoch im Einzelfall nachweisbar unwahre Tatsachen, so hat eine Klage auf Unterlassung bzw. Löschung Aussicht auf Erfolg.

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

Fiduciastraße 2

76227 Karlsruhe

E-Mail: kanzlei@arztrecht.org

Internet: www.arztrecht.org

Fussnoten

1 Urteil zur Lehrerbewertung im Internetportal „spickmich“, Az. VI ZR 196/08.

2 Az. 8 O 224/10.

3 Az. 16 O 125/11.

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