Übersichtsarbeiten - OUP 01/2015

Chronische Sprunggelenkbeschwerden bei Fußballern: Soccer’s ankle
LiteraturreviewReview of the literature

S. Geronikolakis1,2, D. Wagner1,2, R. Best1,2

Zusammenfassung: Es sollen in dieser Arbeit die wichtigsten Aspekte des Krankheitsbilds des so genannten „soccer’s ankle“ oder „Fußballergelenks“ zusammengefasst und ein Algorithmus aufgestellt werden, der sowohl dem Therapeuten als auch dem Fußballer in der Diagnostik und Behandlung als eine hilfreiche Orientierung dienen soll.

Schlüsselwörter: Soccer’s ankle, Fußballersprunggelenk,
ventrales OSG-Impingement

Zitierweise
Geronikolakis S, Wagner D, Best R. Chronische Sprunggelenksbeschwerden bei Fußballern: Soccer’s ankle. Literaturreview.
OUP 2015; 01: 011–017 DOI 10.3238/oup.2015.0011–0017

Summary: The aim of this study was to summarize the most important aspects of the so called “soccer’s ankle” and set up an algorithm that will serve both the therapist and the soccer player in the diagnosis and treatment as a useful guide.

Keywords: soccer’s ankle, footballer’s ankle, anterior ankle
impingement

Citation
Geronikolakis S, Wagner D, Best R. Chronic ankle pain in soccer players: soccer`s ankle – review of the literature.
OUP 2015; 01: 011–017 DOI 10.3238/oup.2015.0011–0017

Einleitung und Definition

Fußball ist eine Kontaktsportart mit oft harten Zweikämpfen, Sprüngen, komplexen Bewegungsabläufen, Sprints sowie schnellen Richtungswechseln und Abstoppbewegungen. Die unteren Extremitäten sind dabei besonders stark belastet und auch häufig verletzt. Neben dem Knie und Oberschenkel ist bei Fußballern insbesondere das Sprunggelenk gefährdet. Es ist nahezu bei jeder 5. Fußballerverletzung betroffen [1].

Ein bei Fußballern am oberen Sprunggelenk häufig vorkommendes Krankheitsbild ist der so genannte „soccer’s ankle“, im deutschsprachigen Raum auch „Fußballergelenk“ genannt. Hierbei handelt es sich neben der Befundkonstellation eines Weichteil- mit einem ossären Impingement und den entsprechenden radiologischen Veränderungen auch um die in der Anamnese sportartspezifische langjährige Belastung [2].

Im Jahre 1943 gab Morris diesem Krankheitsbild bei Sportlern mit „athlete ankle“ erstmals einen Namen [3], 7 Jahre später bezeichnete es McMurray bezogen auf Fußballer als „footballer’s ankle“ [4] und McCaroll et al. führten 1987 den Begriff des „soccer’s ankle“ auf [5]. Schießler et al. verwendeten dafür schließlich den deutschen Begriff des „Fußballergelenks“ [6].

Zum ventralen Impingement am oberen Sprunggelenk und dessen Behandlungsmöglichkeiten lassen sich in der Literatur viele Veröffentlichungen finden, speziell zum soccer’s ankle, also mit dem Hintergrund der mehrjährigen Ausübung des Fußballsports, finden sich jedoch nur wenige Arbeiten.

Im Folgenden soll die Datenlage zum soccer’s ankle beleuchtet und ein Algorithmus zur Vorgehensweise und zum Umgang mit diesem Krankheitsbild beim professionellen Fußballer aufgestellt werden.

Äthiopathogenese

Im Großen und Ganzen werden als ursächliche Hauptfaktoren eines soccer’s ankle bei einem Fußballspieler eine chronische Instabilität, Mikrotraumen beim Spannschuss durch Hyperplantarflexion des Sprunggelenks aber auch repetitive Hyperdorsalextensionstraumata angesehen.

In einer biomechanischen Analyse 2002 sahen Tol et al. bei Fußballern einen deutlichen Zusammenhang dieses Krankheitsbilds zur Belastung der Sprunggelenke speziell beim Schuss [14]. Aus wiederholten Mikrotraumen des vorderen Kapselbandapparats, wie sie z.B. beim Spannschuss vorkommen [9], resultieren Exophyten. Durch diese rezidivierenden ruckartigen Zugbelastungen entstehen mikroskopisch nachweisbare Einblutungen, die über einer progredienten Verkalkung zur Ausbildung von Traktionsosteophyten am ventralen Talus und der ventralen Tibia führen, den sogenannten „Talusnasen“ bzw. „Tibialippen“ [2, 9, 15, 7, 16, 14]. Diese sind bereits auf der konventionellen seitlichen Röntgenaufnahme zu sehen und können bei zunehmender Überlastung wachsen [9] und zu den oben genannten Symptomen führen.

Manche Autoren sehen als Hauptursache einer solchen Osteophytenbildung an Tibia und Talus wiederum ein sogenanntes „Nussknacker-Syndrom“, das durch Anschlagen des vorderen Talushalses an der vorderen Tibiakante bei repetitiven Hyperdorsalextensionstraumata entsteht [16, 17, 18, 19].

Als weitere mögliche Faktoren für die Entstehung eines Fußballergelenks wurden neben der hohen sportartspezifischen Belastung Ausrüstungsfehler, die Geländebeschaffenheit und eine unzureichende Therapie nach OSG-Verletzungen (mit verbliebener chronischer Mikro- bzw. Makroinstabilität) genannt [20].

Gerade einer solchen chronischen, meist auch radiologisch nachweisbaren, Instabilität am Sprunggelenk messen viele Autoren in der Äthiopathogenese eine große Bedeutung zu [2, 9, 15, 21]. Diese wird neben den Folgeschäden von bei Fußballern oft auftretenden akuten Distorsionsverletzungen [22] (17–23 % aller Fußballverletzungen, Inzidenz: 1,7–4,5 Verletzungen pro 1000 Spielstunden [2, 23, 24, 25]) auch auf die rezidivierenden Plantarflexionsverstauchungen zurückgeführt und der dadurch bedingten chronischen Schädigung des Lig. fibulotalare anterius und des Lig. tibiotalare anterius (Bandapparat als first line of defense) [4, 9, 17].

Attmanspacher et al. stellten bei 11 von 27 arthroskopierten Fußballern intraoperativ eine Außenbandinstabilität fest, wovon bei 4 in gleicher Sitzung eine Außenbandersatzoperation erfolgte. In der Nachuntersuchung 2,5 Jahre postoperativ zeigten sich bei 3 der 7 initial konservativ behandelten instabilen Sprunggelenke die schlechtesten Ergebnisse, die anderen 4 waren in der Zwischenzeit in anderen Häusern operativ stabilisiert worden. Die Autoren messen der operativen Stabilisierung daher eine große Bedeutung zu und empfehlen bei der operativen Behandlung des soccer’s ankle mit zusätzlich arthroskopisch bzw. radiologisch verifizierter OSG-Instabilität eine Außenbandersatzoperation in gleicher Sitzung durchzuführen [2]. Die Notwendigkeit zur Durchführung einer bandstabilisierenden Maßnahme sahen Gaulrapp und Bernett bei 35 von 40 am OSG operierten Fußballer, die neben einer Instabilität auch radiologische Zeichen eines Fußballersprunggelenks aufwiesen. Hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass die Operation primär aufgrund der nach einer Verletzung verbliebenen Instabilität erfolgte [21]. Während eine solche Koinzidenz einer Instabilität mit einem ossären ventralen Impingement in der Literatur oft beschrieben wird, berichten dennoch manche Autoren wie z.B. Krüger-Franke et al. nicht hierüber [12]. Auch Biedert gibt an, dass bei Patienten mit ventralen OSG-Schmerzen eine Instabilität nicht typisch ist, wohl bestehe aber oft ein gewisses Unsicherheitsgefühl [18].

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