Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022

Der Rheumafuß – ein Update

Ralph Gaulke

Zusammenfassung:
Der rheumatische Fuß unterscheidet sich von degenerativen und posttraumatischen Veränderungen durch die bisweilen schnell fortschreitende Gelenkdestruktion auf dem Boden einer autoimmunologisch bedingten Arthritis. Neben den Gelenken sind hier häufig die retromalleolären Sehnenscheiden und die plantaren Bursen unter den Köpfchen der Mittelfußknochen und der Basis des V. Mittelfußknochens betroffen. Durch die heute deutlich wirksamere immunsuppressive Therapie tritt die entzündliche Komponente bei vielen Patienten in den Hintergrund, sodass auch gelenkerhaltende Verfahren wie sie bei nicht entzündlichen Füßen Anwendung finden, beim Rheumatiker durchgeführt werden können. Dies setzt allerdings eine stabile Remission voraus. Die Rezidivrate von Fehlstellungen ist bei gelenkerhaltenden Eingriffen höher, da die entzündlich rheumatischen Erkrankungen bis zum heutigen Tage noch nicht heilbar sind und immer wieder arthritische Phasen auftreten können, welche dann zur Destabilisierung oder Zerstörung des Gelenkes führen. Die moderne konservative und operative Therapie des rheumatischen Fußes weist aus diesen Gründen ein sehr viel breiteres Spektrum als noch vor 20 Jahren auf. Die Therapie sollte individuell erfolgen, um für den Patienten das bestmögliche Ergebnis unter der geringsten Beeinträchtigung zu erzielen.

Schlüsselwörter:
Rheumatische Erkrankungen, Fußdeformität, konservative Therapie, operative Therapie

Zitierweise:
Gaulke R: Der Rheumafuß – ein Update.
OUP 2022; 11: 12–17
DOI 10.53180/oup.2022.0012-0017

Summary: In most cases rheumatoid foot deformities need different therapies compared to degenerative and posttraumatic changes. Interdisciplinary treatment is essential for a good outcome in these autoimmunodiseases because of the potentially progressive destruktion of joints and tendons. The soft tissues such as bursae and tendon sheaths are involved in the inflammation and have to be treated together with the joints. Since the revolution in the immunosuppressive therapy by biologicals and JAK-antagonists remission is more common than before. In case of stable remission joint preserving surgery becomes more important even in rheumatoid diseases. This gives the surgeon more options for conservative and operative treatment. The surgeon has to realize the risk for increased joint destruction in case of insufficient immunosuppression in every therapeutically decision to find the right option for each patient. Nowadays the therapie of the rheumatoid foot is more differenciated than in the past and needs excellent decisions for the best outcome.

Keywords: rheumatoid diseases, foot deformaty, conservative treatment, operative treatment

Citation: Gaulke R: Modern treatment of rheumatoid foot deformities.
OUP 2022; 12: 12–17. DOI 10.53180/oup.2022.0012-0017

Unfallchirurgische Klinik, Sektion Obere Extremität, Fuß- und Rheumachirurgie, Medizinische Hochschule Hannover (MHH)

Einleitung

Die Füße und Hände gelten, insbesondere bei der rheumatoiden Arthritis, als die „Visitenkarten“ des Rheumatikers. Aus diesem Grunde werden bei dem Verdacht auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung Röntgenaufnahmen der Hände und Füße durchgeführt, da sich hier Arrosionen und gelenknahe Entkalkungen eher zeigen als an anderen Gelenken des Körpers [7, 20]. Die Manifestation entzündlich-rheumatischer Erkrankungen kann sich ausschließlich auf die Hände und/oder Füße beschränken, wir sprechen dann vom sogenannten peripheren Typ. Die rheumatoide Arthritis als häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung eine Prävalenz von 1–2 % [17]. Dies bedeutet bei 80 Mio. Einwohnern in Deutschland 800 Tsd. bis 1,6 Mio. Erkrankte [6]. Glücklicherweise verläuft die entzündlich-rheumatische Erkrankung unter suffizienter Immunsuppression deutlich milder als vor Einführung der Biologika. Dennoch sind entzündlich-rheumatische Erkrankungen nach wie vor nicht heilbar. Bei früh einsetzender Therapie kann eine Remission bei zirka 40–60 % der Patienten erreicht werden. Hierzu ist es jedoch erforderlich, dass die medikamentöse Therapie in den ersten 3 Monaten der Erkrankung einsetzt. Je später die Therapie einsetzt umso geringer ist die Remissionsrate [2].

Klinisches Bild

Die ersten Zeichen rheumatischer Entzündungen am Fuß können Gelenkschwellungen, insbesondere am oberen Sprunggelenk sowie in den Zehengrundgelenken, sein. An extraartikulären Manifestationen sind häufig die retromalleolären Sehnenscheiden betroffen. Als klinisches Bild zeigt sich hier ein Verstreichen der paraachillären Gruben. Bursitiden zeigen sich vor allem unter den Mittelfußknochenköpfchen I–V sowie unter der Basis des V. Mittelfußknochens. Diese können sehr große Ausmaße annehmen. Die plantaren Bursitiden im Vorfuß führen zu einer Destruktion des Subkutangewebes, welches dann als natürliche Polsterung der Mittelfußknochenköpfchen nicht mehr zur Verfügung steht. Das Subkutangewebe an der Fußsohle und in der Handfläche hat eine besondere septierte Struktur. Die Haut der Palma und Planta ist daher weniger verschieblich, als die Haut an andere Körperregionen. So kann die Haut beispielsweise am Unterarm und -schenkel erheblich verschoben werden, während dies in der Handfläche und Fußsohle nicht möglich ist. Nur ein sehr festes Unterhautfettgewebe ermöglicht einen sicheren Stand. Patienten nach Lappendeckungen an der Planta versuchen diese Region nicht zu belasten, da sich diese aufgrund der Instabilität der Kutis und Subkutis nicht stabil anfühlt, sie haben das Gefühl „auf dem Lappen zu schwimmen“ [8]. Darüber hinaus dient das septierte sehr feste Fettgewebe als Puffer und Druckverteiler für das Fußskelett. Neben der Zerstörung der Subkutis werden auch die plantaren Platten der Grundgelenke der Zehen durch die Bursen von plantar und die Arthritis von dorsal ausgedünnt und schließlich durchwandert. Es kommt zur Defektruptur mit plantarer Instabilität in den Zehengrundgelenken, welche letztendlich zu dorsalen Luxationen der Zehengrundglieder führen.

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