Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022

Der Rheumafuß – ein Update

Ralph Gaulke

Zusammenfassung:
Der rheumatische Fuß unterscheidet sich von degenerativen und posttraumatischen Veränderungen durch die bisweilen schnell fortschreitende Gelenkdestruktion auf dem Boden einer autoimmunologisch bedingten Arthritis. Neben den Gelenken sind hier häufig die retromalleolären Sehnenscheiden und die plantaren Bursen unter den Köpfchen der Mittelfußknochen und der Basis des V. Mittelfußknochens betroffen. Durch die heute deutlich wirksamere immunsuppressive Therapie tritt die entzündliche Komponente bei vielen Patienten in den Hintergrund, sodass auch gelenkerhaltende Verfahren wie sie bei nicht entzündlichen Füßen Anwendung finden, beim Rheumatiker durchgeführt werden können. Dies setzt allerdings eine stabile Remission voraus. Die Rezidivrate von Fehlstellungen ist bei gelenkerhaltenden Eingriffen höher, da die entzündlich rheumatischen Erkrankungen bis zum heutigen Tage noch nicht heilbar sind und immer wieder arthritische Phasen auftreten können, welche dann zur Destabilisierung oder Zerstörung des Gelenkes führen. Die moderne konservative und operative Therapie des rheumatischen Fußes weist aus diesen Gründen ein sehr viel breiteres Spektrum als noch vor 20 Jahren auf. Die Therapie sollte individuell erfolgen, um für den Patienten das bestmögliche Ergebnis unter der geringsten Beeinträchtigung zu erzielen.

Schlüsselwörter:
Rheumatische Erkrankungen, Fußdeformität, konservative Therapie, operative Therapie

Zitierweise:
Gaulke R: Der Rheumafuß – ein Update.
OUP 2022; 11: 12–17
DOI 10.53180/oup.2022.0012-0017

Summary: In most cases rheumatoid foot deformities need different therapies compared to degenerative and posttraumatic changes. Interdisciplinary treatment is essential for a good outcome in these autoimmunodiseases because of the potentially progressive destruktion of joints and tendons. The soft tissues such as bursae and tendon sheaths are involved in the inflammation and have to be treated together with the joints. Since the revolution in the immunosuppressive therapy by biologicals and JAK-antagonists remission is more common than before. In case of stable remission joint preserving surgery becomes more important even in rheumatoid diseases. This gives the surgeon more options for conservative and operative treatment. The surgeon has to realize the risk for increased joint destruction in case of insufficient immunosuppression in every therapeutically decision to find the right option for each patient. Nowadays the therapie of the rheumatoid foot is more differenciated than in the past and needs excellent decisions for the best outcome.

Keywords: rheumatoid diseases, foot deformaty, conservative treatment, operative treatment

Citation: Gaulke R: Modern treatment of rheumatoid foot deformities.
OUP 2022; 12: 12–17. DOI 10.53180/oup.2022.0012-0017

Unfallchirurgische Klinik, Sektion Obere Extremität, Fuß- und Rheumachirurgie, Medizinische Hochschule Hannover (MHH)

Einleitung

Die Füße und Hände gelten, insbesondere bei der rheumatoiden Arthritis, als die „Visitenkarten“ des Rheumatikers. Aus diesem Grunde werden bei dem Verdacht auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung Röntgenaufnahmen der Hände und Füße durchgeführt, da sich hier Arrosionen und gelenknahe Entkalkungen eher zeigen als an anderen Gelenken des Körpers [7, 20]. Die Manifestation entzündlich-rheumatischer Erkrankungen kann sich ausschließlich auf die Hände und/oder Füße beschränken, wir sprechen dann vom sogenannten peripheren Typ. Die rheumatoide Arthritis als häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung eine Prävalenz von 1–2 % [17]. Dies bedeutet bei 80 Mio. Einwohnern in Deutschland 800 Tsd. bis 1,6 Mio. Erkrankte [6]. Glücklicherweise verläuft die entzündlich-rheumatische Erkrankung unter suffizienter Immunsuppression deutlich milder als vor Einführung der Biologika. Dennoch sind entzündlich-rheumatische Erkrankungen nach wie vor nicht heilbar. Bei früh einsetzender Therapie kann eine Remission bei zirka 40–60 % der Patienten erreicht werden. Hierzu ist es jedoch erforderlich, dass die medikamentöse Therapie in den ersten 3 Monaten der Erkrankung einsetzt. Je später die Therapie einsetzt umso geringer ist die Remissionsrate [2].

Klinisches Bild

Die ersten Zeichen rheumatischer Entzündungen am Fuß können Gelenkschwellungen, insbesondere am oberen Sprunggelenk sowie in den Zehengrundgelenken, sein. An extraartikulären Manifestationen sind häufig die retromalleolären Sehnenscheiden betroffen. Als klinisches Bild zeigt sich hier ein Verstreichen der paraachillären Gruben. Bursitiden zeigen sich vor allem unter den Mittelfußknochenköpfchen I–V sowie unter der Basis des V. Mittelfußknochens. Diese können sehr große Ausmaße annehmen. Die plantaren Bursitiden im Vorfuß führen zu einer Destruktion des Subkutangewebes, welches dann als natürliche Polsterung der Mittelfußknochenköpfchen nicht mehr zur Verfügung steht. Das Subkutangewebe an der Fußsohle und in der Handfläche hat eine besondere septierte Struktur. Die Haut der Palma und Planta ist daher weniger verschieblich, als die Haut an andere Körperregionen. So kann die Haut beispielsweise am Unterarm und -schenkel erheblich verschoben werden, während dies in der Handfläche und Fußsohle nicht möglich ist. Nur ein sehr festes Unterhautfettgewebe ermöglicht einen sicheren Stand. Patienten nach Lappendeckungen an der Planta versuchen diese Region nicht zu belasten, da sich diese aufgrund der Instabilität der Kutis und Subkutis nicht stabil anfühlt, sie haben das Gefühl „auf dem Lappen zu schwimmen“ [8]. Darüber hinaus dient das septierte sehr feste Fettgewebe als Puffer und Druckverteiler für das Fußskelett. Neben der Zerstörung der Subkutis werden auch die plantaren Platten der Grundgelenke der Zehen durch die Bursen von plantar und die Arthritis von dorsal ausgedünnt und schließlich durchwandert. Es kommt zur Defektruptur mit plantarer Instabilität in den Zehengrundgelenken, welche letztendlich zu dorsalen Luxationen der Zehengrundglieder führen.

Im Gegensatz zur Degeneration der plantaren Platte, welche häufig als erstes das Grundgelenk des II. Zehs betrifft, ist am rheumatischen Fuß die Destruktion häufig auf der Fibularseite am stärksten ausgeprägt und nimmt nach tibial ab. Sind die Bursitiden sehr ausgeprägt und besteht zusätzlich eine Polyneuropathie durch die lang dauernde entzündliche Erkrankung und/oder die Therapie z.B. mit MTX, so besteht die Gefahr, dass die Haut zwischen dem Fußboden und dem Mittelfußknochenköpfchen gequetscht wird und abstirbt. Es entsteht ein Vorfußulkus plantar eines Mittelfußknochenköpfchens, das sogenannte Malum perforans. Da die plantare Platte zerstört ist, können die Keime durch diese Hautlesion direkt in das Zehengrundgelenk gelangen und über die Beugesehnenscheide nach proximal aufsteigen. Da die typischen Entzündungszeichen sowohl klinisch als auch laborchemisch unter Immunsuppression, insbesondere mit Biologika und JAK-Antagonisten gänzlich fehlen können, kann eine Sepsis unbemerkt entstehen. Dies kann zu einem Extremitätenverlust und schlimmstenfalls sogar zum Tode führen. Die Patienten beklagen häufig, dass sie nicht mehr barfuß auf festem Boden wie z.B. Fliesen, laufen können, da sie dann Schmerzen haben. In Schuhwerk mit weichen Sohlen können die Patienten relativ lange schmerzfrei laufen. Im Gegensatz zum degenerativ veränderten Fuß können die Luxationen in den Zehengelenken bei Rheumatikern aufgrund einer Polyneuropathie schmerzfrei bleiben. Nach der Luxation kommt es häufig zu einer Extensionsstellung der Zehengrundglieder mit Beugekontraktur im Zehenmittel- und ggf. -endgelenk, welches wiederum zu einem Schuhkonflikt mit Druckstellen am streckseitigen Mittelgelenk und an der Zehenkuppe führen kann. Bei bestehender Polyneuropathie können Ulzerationen häufig an der Streckseite der Mittelgelenke bei Krallen- oder Klauenzehenfehlstellung entstehen. Aus diesen Gründen ist es erforderlich, dass Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, insbesondere wenn eine Polyneuropathie vorliegt, jeden Abend eine Fußvisite, ggf. mit einem Spiegel durchführen, um eine Rötung der Haut als Vorstufe der Spontanperforation rechtzeitig zu erkennen. Der orthopädische Rheumatologe wird dann eine entsprechende Schuhzurichtung oder als ultima Ratio eine orthopädische Schuhversorgung einleiten.

Durch die Gelenkdestruktion mit Durchwanderung der kräftigen Bänder und Kapseln an der Fußwurzel sowie der Tibialis-posterior- und der Peroneal-Sehnen durch die retromalleoläre Tenosynovialitis entsteht häufig ein schwerer Knick-Senk-Fuß mit Bodenkontakt des Taluskopfes oder des Os naviculare. Auch hier können zunächst schmerzhafte Bursitiden auftreten, im Verlauf kann es dann auch hier zu Ulzerationen kommen. Die häufigste retromalleoläre Sehnenruptur ist die der Tibialis-posterior-Sehne, welche das Längsgewölbe stabilisiert. Auch am nicht rheumatischen Fuß ist diese Sehne häufig degenerativ geschädigt. Ihre degenerative Ruptur gilt als häufigste Ursache des erwachsenen Knick-Senk-Fußes [11]. Neben den Entzündungen der Tibialis-posterior-, Flexor-digitorum-longus- und Flexor-hallucis-Sehnen auf der medialen Seite sind lateral häufig die Peronealsehnenscheiden entzündet. Auch hier können Längsrupturen und komplette degenerative Rupturen mit daraus resultierender Unfähigkeit der Fußaußenrandhebung eintreten.

Prophylaxe
von Folgeschäden

Durch eine regelmäßige klinische Untersuchung lassen sich ausgedehnte Bursitiden und Sehnenscheidenentzündungen ebenso wie Gelenkergüsse durch einen erfahrenen Untersucher rechtzeitig detektieren und die Therapie einleiten, bevor sich therapeutische Fenster für funktionserhaltende Optionen schließen. Alle Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sollten regelmäßig, mindestens einmal im Jahr im Rahmen der Ganzkörperuntersuchung durch einen orthopädischen Rheumatologen begutachtet werden, um Schädigungen durch Umstellen der Basistherapie oder Teno- und Artikulosynovialektomien vorzubeugen. Diese, von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie initiierte und geförderte Orthopädisch-Rheumatologische Jahresuntersuchung (ORJ) sollte zum festen Bestandteil der Krankheitskontrolle gehören, da in internistisch-rheumatologischen Praxen häufig für den DAS28 lediglich eine Auszählung schmerzhafter und geschwollener Gelenke durch eine medizinische Hilfskraft unter Aussparung des Fußes erfolgt und der Internist persönlich keine Untersuchungen der Gelenke vornimmt. Aus diesem Grunde können schmerzlose Entzündungen leicht übersehen werden, sodass die Patienten erst mit der schweren Fehlstellung bzw. zum Zeitpunkt der Sehnenruptur in die Behandlung eines orthopädischen Rheumatologen eintreten, wenn sich das therapeutische Fenster für gelenkerhaltende und sehnenerhaltende Eingriffe bereits geschlossen hat. Hierbei handelt es sich um ein häufiges Phänomen nicht nur am Fuß, sondern am ganzen Körper des Rheumatikers. Aus diesem Grunde müssen sowohl die Patienten selbst, als auch die behandelnden internistischen Rheumatologen, immer wieder zur Wachsamkeit ermahnt werden, um die Patienten rechtzeitig bei einem orthopädischen Rheumatologen vorzustellen. Die Anamnese- und Untersuchungsbögen zur ORJ können auf der Homepage www.dgorh.de/Publikationen/ zum Eigengebrauch kostenlos heruntergeladen werden [5].

Apparative Diagnostik

Nativröntgenbilder der Füße dp und streng seitlich im Stand sowie schräg gehören als Standard zur Beurteilung der Verformung des Fußes unter Belastung und der Detektion von Usuren und Zysten als Zeichen der entzündlichen knöchernen Destruktion durch intraossäre Synovialhernien. Anhand dieser Aufnahmen kann entschieden werden, ob gelenkerhaltende Eingriffe, wie Osteotomien, noch sinnvoll durchführbar sind, oder ob nur noch Rettungsoperationen wie Arthrodesen und Resektionsarthroplastiken, welche bei nicht beherrschbarer Entzündungsaktivität weiterhin die Standardeingriffe sind, möglich sind. Neben diesen Aufnahmen sollte auch das obere Sprunggelenk (OSG) ap in 30° Innenrotation geröntgt werden, um Veränderungen auch hier früh zu erkennen. In der Regel ist das OSG im seitlichen Strahlengang auf der seitlichen Fußbelastungsaufnahme sehr gut dargestellt, sodass es keiner zusätzlichen seitlichen Röntgenaufnahme des OSG bedarf.

Zur Beurteilung der Weichteile eignet sich die hochauflösende Ultraschalldiagnostik mit einem Schallkopf mit mindestens 18 MHz Frequenz. Aufgrund der hohen Schallfrequenz können Gewebe im Nahbereich ohne Vorlaufstrecke sicher beurteilt werden. Diese Auflösung ist so hoch, dass Sehnenscheiden, Bursae und Gelenke bzgl. der Dicke der Synovialis, Flüssigkeitsansammlungen (Gelenkerguss, Sehnenscheidenhydrops), Synovialhernien und Verbindungen zwischen Gelenk und Sehnenscheide bzw. Bursa sicher beurteilt werden können. Die Entzündungsaktivität stellt sich indirekt über die vermehrte Vaskularisation der Synovialitis dar und kann mit der Doppler-Funktion sehr gut dargestellt werden. Sehnenrupturen können in der dynamischen Untersuchung ebenfalls sicher detektiert werden [16].

Die MRT bietet am Fuß eine gute Übersicht über die Weichteile inklusive von Varizen im Tarsaltunnel als Ursache eines Tarsaltunnelsyndroms. Dieses ist aufgrund der bei Rheumatikern recht häufigen Polyneuropathie im Rahmen der Grunderkrankung oder der Therapie mit MTX, häufiger als in der Normalbevölkerung. Auch bei der Erkennung von Ermüdungsfrakturen hat die MRT in der frühen Phase durch die gute Darstellung von Knochenmarködemen und darin verlaufenden Fissuren eine große Bedeutung.

Die CT wird häufig im Verlauf nach Arthrodesen des Rück- und Mittelfußes zur Verifizierung der knöchernen Heilung vor Belastungssteigerung angewendet. In der präoperativen Diagnostik gibt es nur wenige Indikationen für eine CT wie zum Beispiel mehrdimensionale Osteotomien oder Korrekturarthrodesen im Rück- und Mittelfuß. Zur Planung sind dreidimensionale Rekonstruktionen sehr hilfreich. Es sollten immer beide Füße abgebildet werden, damit die Gegenseite, so sie gesund ist, als Schablone für die Rekonstruktion dienen kann. Da ohnehin beide Füße im Strahlenfeld liegen, bedeutet der beidseitige Scan keine vermehrte Strahlenbelastung.

Die Szintigraphie hat ihre frühere Bedeutung als Ganzkörperdiagnostikum fast vollständig an die MRT verloren. Durch selektive Bindung des Technetium 99 an CD 4-Zellen könnte die Szintigraphie eine höhere Spezifität für die rheumatoide Arthritis erlangen und so künftig wieder an Bedeutung gewinnen. Die Entwicklung bleibt abzuwarten [18].

Konservative Therapie
rheumatischer Veränderungen des Fußes

Zur passiven Stabilisierung des Rückfußes eignen sich Sprunggelenkorthesen wie sie bei fibularen Bandverletzungen am oberen Sprunggelenk Anwendung finden. Der Nachteil dieser Orthesen ist, dass die sprunggelenkstabilisierende Muskulatur im Unterschenkel unter dauerhafter Nutzung dieser Orthesen atrophiert und damit die Instabilität weiter zunimmt. Eine weitere Eskalation ist der sogenannte Innenschuh, welcher durch Schnürung eine deutlich bessere Festigkeit gibt und welcher in einem weiten Schuhen, z.B. Turnschuh, getragen werden kann. Einlagen sollten bettend und stützend, dürfen aber niemals korrigierend sein, da der Versuch der Aufrichtung eines abflachten Fußlängsgewölbes zu einer Drucküberlastung und damit zu Ulzerationen führt. Zudem ist die Aufrichtung fehlstehender Gelenke durch eine Einlage nicht möglich. Hier kann lediglich die Weichbettung mit einer Stabilisierung durch fersenumgreifende Einlagen eine gewisse Stabilitätsverbesserung erbringen. Die Entlastung des Vorfußes kann durch eine feste retrokapitale Pelotte mit weicher Polsterung erfolgen. Diese sorgt für eine Umverteilung des Druckes von dem Mittelfußknochenköpfchen in den besser gepolsterten Schaft. Darüber hinaus kann im Vorfußbereich oder in der gesamten Sohle mit viscoelastischen Schaum- oder Geleinlagen gearbeitet werden, um den Fuß weich zu betten. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass Patienten mit einer Gangunsicherheit (Ataxie) im Rahmen einer Polyneuropathie durch eine sehr weiche Fußbettung an Standfestigkeit verlieren und dadurch zu Stürzen neigen können. Hier muss stets individuell entschieden werden, wie weich eine Polsterung ausgeführt werden kann, ohne den Patienten zu gefährden. Ist der Patient in Remission, das heißt, sind die Bursen im Vorfuß nicht mehr flüssigkeitsgefüllt aber das Subkutangewebe zerstört, so ist auch hier eine retrokapitale Pelotte sowie eine Vorfußweichbettung indiziert, um dem Patienten das schmerzfreie Gehen wieder zu ermöglichen. Sind diese Einlagen gut gearbeitet, so kann eine Operation häufig lange vermieden werden [4].

Durch Zurichtungen am Konfektionsschuh wie eine Verbreiterung der Fersensohle zur Verbesserung der Standsicherheit oder Abrollsohlen, kann die Ergonomie des Gehens deutlich verbessert werden. Je weiter fersenwärts die Abrollsohle liegt, umso größer sind die Schritte, die der Patient ausführen kann. Warum haben dann nicht alle Patienten eine Mittelfuß-, sondern viele eine Vorfußabrollsohle? Mit der Rückversetzung der Abrollsohle nimmt zwar die Schrittlänge zu, die Stabilität nimmt, aufgrund der verringerten Standfläche, jedoch ab. Aus diesem Grunde sollte zur Sturzprophylaxe bei älteren und gang- und standunsicheren Patienten der Vorfußabrollsohle den Vorzug gegeben werden. Bei Patienten mit Ataxie sollte ganz auf Abrollsohlen verzichtet werden, da der kompensierte Gang aller Stabilität bedarf, um die Sturzhäufigkeit mit der Gefahr von Frakturen zu minimieren.

Ist die Versorgung mit Einlagen und Schuhzurichtungen nicht möglich und eine Operation zu risikoreich oder nicht gewünscht, so stellt die Versorgung mit orthopädischen Halbschuhen und Stiefeln eine Alternative dar. Da orthopädische Schuhe und Stiefel sehr schwer sind, beeinträchtigen diese die Gangergonomie erheblich. Dies führt bei Patienten mit einer Polyarthritis häufig dazu, dass diese Schuhe zu Gunsten leichter, weiter und weicher Konfektionsschuhe nicht getragen werden [19].

Neben der Veränderung des Schuhwerkes kann, insbesondere bei starker Schwellung, eine Lymphdrainage hilfreich sein, soweit die Schwellung nicht arthrogen bzw. tenogen, sondern durch eine venöse Rückflussstauung bedingt ist. Hierdurch wird nicht nur die Sauerstoffversorgung der Gewebe verbessert, sondern auch erheblich das Gewicht des Beines reduziert, was bei den multimorbiden Patienten mit polyartikulärem Gelenkbefall eine große Erleichterung darstellen kann. Der Einsatz von Kompressionsstrümpfen sollte individuell abgestimmt werden. Da bekannt ist, dass Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen häufig auch ein vorgealtertes Gefäßsystem besitzen, kann bei arteriosklerotischen Gefäßen die Versorgung mit einem Kompressionsstrumpf kontraindiziert sein, wenn dadurch die Durchblutung gestört oder Ulzera hervorgerufen werden.

Zur aktiven Stabilisierung ist am Rückfuß das propriozeptive Training hilfreich, um die Stabilität im oberen Sprunggelenk zu verbessern. Ein bereits abgesunkenes Fußlängsgewölbe kann jedoch weder durch Training noch durch Korrekturen im Schuhwerk wiederaufgerichtet werden. Die durch den Patienten selbst durchzuführenden Bewegungsübungen sind essentiell, um die Beweglichkeit, insbesondere in den Zehengelenken und im oberen Sprunggelenk möglichst lange zu erhalten. Aktive Bewegung im Bewegungsbad wie Aqua-Jogging und Wassergymnastik sind aufgrund der Gelenkentlastung durch den hydrostatischen Druck sehr wirksam, um die Füße zu entlasten und trotzdem aktiv zu sein. Bewegung im Wasser ist sehr kreislaufbelastend und sollte bei Patienten mit Kreislaufschwäche nicht nur mit geringer Eintauchtiefe durchgeführt werden.

Bei akuter Entzündung kann die Anwendung von Kälte wirksam sein, fehlt die Entzündung in den Gelenken und handelt es sich um Beschwerden sekundärer Arthrosen auf dem Boden länger dauernden Arthritiden, ist im Intervall lokale Wärme sehr hilfreich um Schmerzen zu lindern [15].

Von der Dauergabe von Schmerzmedikamenten, insbesondere NSAR, sollte Abstand genommen werden, da das Risiko für gastrointestinale und kardiovaskuläre Nebenwirkungen erheblich ist [12].

Operative Therapie rheumatischer Veränderungen des Fußes

Am oberen Sprunggelenk kann die arthroskopische Synovialektomie und Spätsynovialektomie, dann mit Entfernung der Osteophyten an Tibia und Talus im frühen Stadium der Arthritis erfolgreich angewandt werden. Durch die Synovialektomie erfolgt eine sog. innere Denervation mit häufig sehr guten schmerzlindernden Eigenschaften. Die Grenzen der Arthroskopie liegen in dem Verlust der Gelenkkontur bzw. bei hochgradiger Instabilität. In diesen Fällen sollte der Arthrodese den Vorzug gegeben werden. In Abhängigkeit von der Fehlstellung kann diese arthroskopisch assistiert perkutan erfolgen, was die Gefahr von Wundheilungsstörungen signifikant reduziert [13]. Alternativ wird von einigen Kollegen die Implantation einer oberen Sprunggelenkprothese, insbesondere bei bereits bestehender Ankylose oder Arthrodese des Rückfußes favorisiert, um den Abrollvorgang zu harmonisieren. Die Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass vor der Operation noch eine aktive Extension im oberen Sprunggelenk möglich ist, da diese sonst nach Implantation der Prothese in der Regel nicht mehr erreicht wird. Wird eine Extension über 0° mit Prothese nicht erreicht, so verliert die Prothese ihren Vorteil gegenüber der Arthrodese, nämlich den der größeren Schrittlänge. Die aktive Plantarflexion des Fußes erhöht zwar die Dynamik des Gehens, ist für den Patienten aber ansonsten annährend wertlos. Der Vorteil der Prothese gegenüber der Arthrodese kann also nur dann zur Entfaltung kommen, wenn diese in einem sehr engen therapeutischen Fenster zwischen noch guter Dorsalextension, aber bereits bestehender Instabilität und Gelenkdestruktion implantiert wird. Der Nachteil der Prothese gegenüber der Arthrodese ist die höhere Revisionshäufigkeit. Diese ist im Wesentlichen dadurch bedingt, dass die Prothese durch einen ventralen Zugang eingebracht wird, welcher vermehrt zu Wundheilungsstörungen neigt. Wird die Arthrodese ebenfalls von ventral durchgeführt, so sind die Revisionsraten annährend gleich. Bei transfibularer Arthrodese des oberen Sprunggelenkes sind die Komplikations- und Revisionsraten allerdings wesentlich niedriger. Laut klinischen Studien sind die Standzeiten für Endoprothesen mit zirka 10 Jahren mit denen der Knie- und Hüftendoprothesen vergleichbar. Dennoch besteht bei Lockerung der Prothese mit Verlust des Korpus tali ein erheblicher knöcherner Defekt, welcher im Falle der Revision durch einen metallischen Platzhalter aufgefüllt werden muss. Zudem ist meistens eine Spongiosaplastik vom Beckenkamm erforderlich, um eine knöcherne Umbauung des Platzhalters und damit eine dauerhafte Stabilität zu gewährleisten.

Die klassische operative Therapie des rheumatischen Rückfußes, insbesondere bei schwerer Valgus-Fehlstellung und Absenkung des Fußlängsgewölbes, ist die Triple-Arthrodese zwischen Talus, Kalkaneus, Navikulare und Kuboid [3]. Durch diese kann in den meisten Fällen die Rückfußstellung korrigiert und ein fester schmerzfreier Stand und Gang erreicht werden. Beim Gehen auf unebenem Grund nimmt die Belastung des OSG deutlich zu, da die Elevation und Inversion des Rückfußes zum Ausgleich von Unebenheiten nicht mehr möglich ist. Besteht eine Remission, ist die Fehlstellung mild und die Tibialis-posterior-Funktion erhalten, so kann unter individueller Abwägung der Risiken und Vorteile mit dem Patienten auch eine varisierende Kalkaneus-Verschiebeosteotomie erfolgreich durchgeführt werden. Deren Vorteil liegt im Gelenkerhalt mit der Möglichkeit der Elevation und Inversion des Rückfußes auf unebenem Grund. Wird die Entscheidung für eine Kalkaneus-Osteotomie getroffen, so sollte auf jeden Fall vorher eine gründliche klinische Untersuchung mit Evaluation von Druck- und Translationsschmerzen im Subtalargelenk sowie im Chopart-Gelenk erfolgen, wie dies auch beim degenerativen Knick-Senk-Fuß zum Standard gehört. Bei unsicherer Beurteilung der Rückfußgelenke können diese sequenziell mit einem Lokalanästhetikum infiltriert werden, um den Schmerz gezielt auszuschalten und das Operationsergebnis einer Arthrodese vorwegzunehmen. Sehnenwiederherstellende Eingriffe am Rückfuß haben beim Rheumatiker häufig schlechte Ergebnisse aufgrund der durch die Tenosynovialitis bestehenden Erweichungen der Sehnen. Der entzündete Vorfuß, welcher durch eine medikamentöse Therapie und eine entsprechende Schuhzurichtung nicht versorgbar ist, stellt auch heute noch eine gute Indikation für eine Resektionsarthroplastik der Zehengrundgelenke II–V, kombiniert mit einer Großzehengrundgelenkarthrodese dar. Diese darf nach wie vor als Standardeingriff gelten. Ist der Patient in der Lage, auf der Ferse zu laufen bzw. eine Teilbelastung durchzuführen, so ist häufig bei rheumatischem Spreizfuß eine tarsometatarsale Arthrodese additiv erforderlich, um den Vorfuß zu verschmälern, damit der Patient in der Lage ist, wieder einen Konfektionsschuh zu tragen. Besteht eine Remission, so kann am rheumatischen Vorfuß gelenkerhaltend therapiert werden. So ist es beispielsweise möglich, durch eine Chevron-Osteotomie einen pathologischen distalen metatarsalen Gelenkwinkel (DMAA) zu korrigieren. Überlängen der Mittelfußknochen II und III können durch extraartikuläre Verkürzungsosteotomien behoben werden, um ein regelrechtes Vorfußalignment wiederherzustellen. Die Voraussetzung hierfür ist jedoch stets ein erhaltenes Sohlenfett unter den Mittelfußknochenköpfchen. Gegenüber den degenerativen Füßen ist jedoch, aufgrund dessen, dass rheumatische Erkrankungen schubweise verlaufen, damit zu rechnen, dass die mittel- und langfristigen Ergebnisse schlechter sind, als bei degenerativen Füßen. Dennoch ist der Gewinn gelenkerhaltender Operationen gegenüber den Resektionsarthroplastiken deutlich, da die Gelenke stabil sind und es sich hierbei nicht um eine funktionelle Vorfußamputation handelt. Die Patienten empfinden nach Resektionsarthroplastik die fehlende Kontrolle über die Zehen häufig als störend, zudem sind die Zehen instabil und können im Verlauf wieder Fehlstellungen annehmen. Bei den gelenkerhaltenden Eingriffen sollte von intraartikulären Eingriffen wie der Weil-Osteotomie abgesehen werden, da diese häufig zu Bewegungseinschränkungen führen [14]. Sind die Gelenke jedoch entzündet und daher eine Synovialektomie erforderlich, so kann auch eine Weil-Osteotomie durchgeführt werden, da ohnehin mit einer Arthrofibrose zu rechnen ist. Ist eine Resektionsarthroplastik der Zehengrundgelenke II–V erforderlich, so sollte auf jeden Fall der I. Strahl bei einer Arthrodese soweit gekürzt werden, bis das Alignment hergestellt ist. In der Regel werden hierzu 2 Drittel des Mittelfußknochenköpfchens reseziert. Andernfalls ist der I. Strahl bei verbliebener Überlänge einer zu hohen Druckbelastung ausgesetzt, was zu plantaren Beschwerden führen kann. Zudem wird durch die Verkürzung des I. Mittelfußknochens auch dessen Stumpfende in einen Bereich der Subkutis gebracht, wo diese noch erhalten ist. Wir präferieren den plantaren Zugang zu den Zehengrundgelenken II–V, da nur so die plantaren Bursitiden radikal entfernt werden können. Durch eine Raffung der plantaren Platte wird am Ende der Operation eine Begradigung der Zehen erreicht. Die Mobilisation der häufig kontrakten Zehenmittelgelenke sollte vor der Resektion der Mittelfußknochenköpfchen erfolgen, da diese aufgrund der kurzen Hebel danach deutlich erschwert ist.

Perioperatives Management

Aufgrund dessen, dass die Füße sich wegen der schlechteren Durchblutung zu einer höheren Rate infizieren, sollten operative Eingriffe am Fuß zurückhaltend indiziert werden. Gute Indikationen sind schwere Deformitäten oder Instabilitäten sowie therapieresistente Synovialitiden und Tenosynovialitiden. Bei großen Vorfußeingriffen sollte Leflunomid mit Cholestyramin oder Aktivkohle ausgewaschen werden. Die Biologika sollen 2 Halbwertszeiten vor dem Eingriff abgesetzt werden. Von diesen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaften für Rheumatologie darf in begründeten Ausnahmefällen jedoch abgewichen werden. Es handelt sich dann jedoch um einen Off-label-Gebrauch der Medikamente, über die der Patient ausführlich aufgeklärt werden muss. Für das Absetzen der Biologika 1 Halbwertszeit vor dem chirurgischen Eingriff spricht, dass der Körper weniger Gelegenheit hat, Antikörper gegen das Biologikum zu bilden und damit die Wahrscheinlichkeit des Wiedereintritts der Wirkung postoperativ höher ist. Gerade bei jungen Patienten mit längerem Krankheitsverlauf wirken häufig mehrere Immunsuppressiva bereits nicht mehr, sodass hier gründlich zwischen der Infektionsgefahr und der Gefahr eines nicht beherrschbaren Aufflammens der rheumatischen Erkrankung abgewogen werden sollte [1, 9, 10].

Zusammenfassung

In den letzten 20 Jahren, seit Einführung der Biologika und JAK-Antagonisten treten deutlich mehr Patienten in Remission. Diese bedürfen daher seltener korrigierender Eingriffe am Vorfuß. Durch die Destabilisierung der Gelenke im Rahmen der Arthritis mit oder ohne vorbestehendes Hypermobilitätssyndrom besteht jedoch die Gefahr von Fußdeformitäten entsprechend der degenerativen Veränderungen. Aus diesem Grunde muss jeweils individuell, unter Einbeziehung der Aktivität der entzündlich-rheumatischen Erkrankung, gründlich abgewogen werden, ob die resezierenden und versteifenden Standardeingriffe zur Anwendung kommen oder ob gelenkerhaltend behandelt werden kann. Scheitern die gelenkerhaltenden Eingriffe, so besteht immer noch die Möglichkeit des Rückzugs auf eine Resektionsarthroplastik oder Arthrodese. Keinesfalls sollte leichtfertig von den Standardverfahren abgewichen werden, wenn noch Entzündungen bestehen. Da jede Operation für die Patienten eine erhebliche Belastung bedeuten, sollten diese in so geringer Zahl wie möglich angewendet werden. Operationen, die den Patienten lediglich ein halbes oder ein Jahr Besserung erbringen, sollten unbedingt vermieden werden.

Fazit für die Praxis

Moderne Verfahren der degenerativen und posttraumatischen Fußchirurgie sind beim Rheumatiker in Vollremission anwendbar.

Standardverfahren für entzündete Gelenke sind Resektionsarthroplastiken und Arthrodesen.

Die Schuhversorgung ist genauso differenziert und individuell anzuwenden wie die operative Therapie.

Die Fußbettung soll stützend aber mit einem weichen Überzug erfolgen.

Korrigierende Einlagen sollten nicht verwendet werden.

Eine Korrektur der Beinachsen durch Keile an der Schuhsohle sollte beim Polyarthritiker keinesfalls durchgeführt werden, da diese stets auf mehrere Gelenke einwirkt und damit zur Dekompensation noch nicht geschädigter Gelenke beitragen können.

Die differenzierte konservative und operative Therapie des rheumatischen Fußes gehört in die Hände eines orthopädischen Rheumatologen mit besonderer Expertise für rheumatische Fußfehlstellungen und deren Behandlung.

Die Destruktion durch die Arthritis schreitet unter Immunsuppression mit Biologika und JAK-Antagonisten deutlich langsamer voran und ist häufig schmerzfrei, sodass die Gefahr besteht, dass sich therapeutische Fenster schließen und letztendlich nur noch Rettungsoperationen angewendet werden.

Die orthopädisch-rheumatologische Jahresuntersuchung (ORJ) hilft Entzündungen und beginnende Fehlstellungen frühzeitig zu erkennen und größere Schäden von den Patienten fernzuhalten.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis
zu diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Ralph Gaulke MHBA

Stellvertretender Direktor der
Unfallchirurgischen Klinik

Sektionsleiter Obere Extremität,
Fuß- und Rheumachirurgie

Medizinische Hochschule Hannover (MHH)

Carl-Neuberg-Straße 1

30625 Hannover

gaulke.ralph@mh-hannover.de

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