Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2015

Diätetische Behandlung der symptomatischen Kniegelenkarthrose
Ergebnisse einer placebokontrollierten DoppelblindstudieResults of a placebo-controlled double-blind trial

Jürgen Heisel1, Klaus K. Förster2, Peter Schlieper3

Zusammenfassung: Die Behandlung der symptomatischen Gonarthrose beruht u.a. auf dem Einsatz beschwerdelindernder, in der Langzeittherapie sehr gut verträglicher Substanzen wie Chondroitinsulfat, Glucosamin und Hyaluronsäure. Ziel dieser klinischen Studie war die Überprüfung der symptomatischen Wirksamkeit und des ernährungsmedizinischen Nutzens einer komplex zusammengesetzten ergänzenden bilanzierten Diät (EBD) bei Gonarthrose. In einer prospektiven randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie erhielten Patienten mit symptomatischer Gonarthrose über 3 Monate entweder die EBD oder Placebo. Monatlich wurden die Zielparameter erhoben, ebenso am Ende einer nachfolgenden einmonatigen Beobachtungsphase ohne Produkteinnahme.

Von insgesamt 366 Patienten zeigten sich nach 3 Monaten 52,5 % der Verumpatienten als „Responder“ gegenüber 36,8 % der Placebopatienten (p < 0,01). Im Rahmen der globalen Abschlussbeurteilung sahen die Studienärzte am Ende der Behandlungsphase eine Besserung der Beschwerden bei 71,9 % der Verumpatienten und bei 53,6 % der
Patienten in der Placebogruppe (p < 0,01). Auch Parameter wie der WOMAC-Schmerzindex und die visuelle Analogskala (VAS) zeigten eine positive Tendenz zugunsten des Verums.

Insgesamt berichteten 6,6 % Patienten über unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit der jeweiligen Behandlung, zumeist Symptome des Gastrointestinaltrakts. Diese waren durchweg leicht und ohne signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Die EBD zeigte somit bei symptomatischer Gonarthrose bei insgesamt sehr guter Verträglichkeit eine sehr gute symptomatische Wirksamkeit mit statistisch signifikanter Überlegenheit gegenüber Placebo.

Schlüsselwörter: Gonarthrose, diätetische Behandlung, ergänzende bilanzierte Diät (EBD), randomisierte placebokontrollierte Studie

Zitierweise
Heisel J, Förster KK, Schlieper P. Diätetische Behandlung der symptomatischen Kniegelenkarthrose – Ergebnisse einer placebokontrollierten Doppelblindstudie.
OUP 2015; 07: 388–394 DOI 10.3238/oup.2015.0388–0394

Summary: The management of symptomatic osteoarthritis of the knee includes symptomatic therapeutic substances like chondroitin sulphate, glucosamine and hyaluronic acid (hyaluronan), which are very safe in long-term treatment. The aim of this clinical trial was to assess the symptomatic efficacy and dietary benefit of a dietary food for special medical purposes – a complex diet in osteoarthritis of the knee. In a randomized, placebo-controlled, double-blind study, patients with symptomatic osteoarthritis of the knee received, over a period of 3 months, either the dietary food or placebo. The primary and secondary parameters were checked each month and at the end of a one-month period without treatment.

After 3 months 52.5 % of a total of 366 randomized patients were „responders“ in the dietary food group and 36.8 % were „responders“ in the placebo group (p < 0.01). The investigators’ global assessment stated an improvement or strong improvement of symptoms in 71.9 % of the dietary food patients and in 53.6 % of the placebo patients (p < 0.01). Secondary parameters including the WOMAC pain sub-score, and the visual analogue scale (VAS) ratings also showed a positive trend in the dietary-food patients.

A total of 6.6 % of the patients were affected by adverse events associated with study treatments, primarily gastrointestinal symptoms. Overall these were mild and did not show any significant difference between groups. The tested dietary food for special medical purposes proved to be a very safe therapy with very good symptomatic efficacy and statistically significant superiority over placebo.

Keywords: osteoarthritis of the knee, dietary management, dietary food for special medical purposes, randomized placebo-controlled trial

Citation
Heisel J, Förster KK, Schlieper P. Dietary management of symptomatic osteoarthritis of the knee. Results of a placebo-controlled double-blind trial.
OUP 2015; 07: 388–394 DOI 10.3238/oup.2015.0388–0394

Einleitung

Die Arthrose kleiner und großer Gelenke ist eine in ihrer Ätiologie letztlich ungeklärte, langsam fortschreitende, primär nichtentzündliche degenerative Veränderung der Knorpel- und Knochenstruktur, wobei ein oder mehrere Gelenke betroffen sein können. Sie betrifft im Frühstadium allein den hyalinen Knorpel, später aber auch übrige Gelenkstrukturen wie den subchondralen Knochen und den Kapsel-Band-Apparat [1]. Noch vor den degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule und am Hüftgelenk (Koxarthrose) stellt die Arthrose des Kniegelenks (Gonarthrose) die häufigste Erkrankung des Bewegungsapparats dar [2].

Bezüglich der Arthrose-Epidemiologie gelten endogene Faktoren (wie Alter, Geschlecht, genetische Faktoren und postmenopausale Umstellung) sowie exogene (wie mangelnde Bewegung, erhöhtes Körpergewicht, Makro- bzw. repetitive Mikrotraumata und resezierende Gelenkeingriffe) als Risikofaktoren [3]. Insbesondere die Adipositas scheint eine bedeutende Rolle in der Pathogenese zu spielen. So werden in diesem Zusammenhang, neben der rein mechanischen Überbelastung der Gelenke, die Effekte von Entzündungsmediatoren aus dem Fettgewebe (Adipokine) diskutiert. Einige Autoren bezeichnen die Arthrose aktuell auch als inflammatorische bzw. metabolische Erkrankung [4, 5].

Aufgrund dieser neuen Sichtweise auf die Arthrose findet das ernährungsmedizinische Konzept zunehmend Beachtung. So wurde aktuell das Ergebnis einer Studie [6] veröffentlicht, in der Arthrosepatienten im Alter von 19 bis 70 Jahren eine vegetarische Vollwertkost (vs. Kontrollgruppe mit herkömmlicher fleischreicher „westlicher“ Kost) erhielten. In der Gruppe mit der Diät-Intervention berichteten die Patienten, verglichen mit der Kontrollgruppe, eine signifikant stärkere Verbesserung ihrer Gelenkbeschwerden und des allgemeinen körperlichen Wohlbefindens (SF-36, VAS; p-Werte 0,022 bis < 0,001). Die Vollwertkost zeichnete sich durch hohe Anteile von Beta- und Alpha-Carotin, Lycopin, Lutein sowie Vitamin C und E aus. Dagegen war die Kontrollkost reich an täglich aufgenommenem tierischem Protein in Form von Fleisch und Milchprodukten. Die ebenfalls reichlich enthaltene Arachidonsäure bei dieser Kostform gilt als Vorläufer der proinflammatorischen Prostaglandine und Leukotriene.

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