Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2015

Diätetische Behandlung der symptomatischen Kniegelenkarthrose
Ergebnisse einer placebokontrollierten DoppelblindstudieResults of a placebo-controlled double-blind trial

Jürgen Heisel1, Klaus K. Förster2, Peter Schlieper3

Zusammenfassung: Die Behandlung der symptomatischen Gonarthrose beruht u.a. auf dem Einsatz beschwerdelindernder, in der Langzeittherapie sehr gut verträglicher Substanzen wie Chondroitinsulfat, Glucosamin und Hyaluronsäure. Ziel dieser klinischen Studie war die Überprüfung der symptomatischen Wirksamkeit und des ernährungsmedizinischen Nutzens einer komplex zusammengesetzten ergänzenden bilanzierten Diät (EBD) bei Gonarthrose. In einer prospektiven randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie erhielten Patienten mit symptomatischer Gonarthrose über 3 Monate entweder die EBD oder Placebo. Monatlich wurden die Zielparameter erhoben, ebenso am Ende einer nachfolgenden einmonatigen Beobachtungsphase ohne Produkteinnahme.

Von insgesamt 366 Patienten zeigten sich nach 3 Monaten 52,5 % der Verumpatienten als „Responder“ gegenüber 36,8 % der Placebopatienten (p < 0,01). Im Rahmen der globalen Abschlussbeurteilung sahen die Studienärzte am Ende der Behandlungsphase eine Besserung der Beschwerden bei 71,9 % der Verumpatienten und bei 53,6 % der
Patienten in der Placebogruppe (p < 0,01). Auch Parameter wie der WOMAC-Schmerzindex und die visuelle Analogskala (VAS) zeigten eine positive Tendenz zugunsten des Verums.

Insgesamt berichteten 6,6 % Patienten über unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit der jeweiligen Behandlung, zumeist Symptome des Gastrointestinaltrakts. Diese waren durchweg leicht und ohne signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Die EBD zeigte somit bei symptomatischer Gonarthrose bei insgesamt sehr guter Verträglichkeit eine sehr gute symptomatische Wirksamkeit mit statistisch signifikanter Überlegenheit gegenüber Placebo.

Schlüsselwörter: Gonarthrose, diätetische Behandlung, ergänzende bilanzierte Diät (EBD), randomisierte placebokontrollierte Studie

Zitierweise
Heisel J, Förster KK, Schlieper P. Diätetische Behandlung der symptomatischen Kniegelenkarthrose – Ergebnisse einer placebokontrollierten Doppelblindstudie.
OUP 2015; 07: 388–394 DOI 10.3238/oup.2015.0388–0394

Summary: The management of symptomatic osteoarthritis of the knee includes symptomatic therapeutic substances like chondroitin sulphate, glucosamine and hyaluronic acid (hyaluronan), which are very safe in long-term treatment. The aim of this clinical trial was to assess the symptomatic efficacy and dietary benefit of a dietary food for special medical purposes – a complex diet in osteoarthritis of the knee. In a randomized, placebo-controlled, double-blind study, patients with symptomatic osteoarthritis of the knee received, over a period of 3 months, either the dietary food or placebo. The primary and secondary parameters were checked each month and at the end of a one-month period without treatment.

After 3 months 52.5 % of a total of 366 randomized patients were „responders“ in the dietary food group and 36.8 % were „responders“ in the placebo group (p < 0.01). The investigators’ global assessment stated an improvement or strong improvement of symptoms in 71.9 % of the dietary food patients and in 53.6 % of the placebo patients (p < 0.01). Secondary parameters including the WOMAC pain sub-score, and the visual analogue scale (VAS) ratings also showed a positive trend in the dietary-food patients.

A total of 6.6 % of the patients were affected by adverse events associated with study treatments, primarily gastrointestinal symptoms. Overall these were mild and did not show any significant difference between groups. The tested dietary food for special medical purposes proved to be a very safe therapy with very good symptomatic efficacy and statistically significant superiority over placebo.

Keywords: osteoarthritis of the knee, dietary management, dietary food for special medical purposes, randomized placebo-controlled trial

Citation
Heisel J, Förster KK, Schlieper P. Dietary management of symptomatic osteoarthritis of the knee. Results of a placebo-controlled double-blind trial.
OUP 2015; 07: 388–394 DOI 10.3238/oup.2015.0388–0394

Einleitung

Die Arthrose kleiner und großer Gelenke ist eine in ihrer Ätiologie letztlich ungeklärte, langsam fortschreitende, primär nichtentzündliche degenerative Veränderung der Knorpel- und Knochenstruktur, wobei ein oder mehrere Gelenke betroffen sein können. Sie betrifft im Frühstadium allein den hyalinen Knorpel, später aber auch übrige Gelenkstrukturen wie den subchondralen Knochen und den Kapsel-Band-Apparat [1]. Noch vor den degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule und am Hüftgelenk (Koxarthrose) stellt die Arthrose des Kniegelenks (Gonarthrose) die häufigste Erkrankung des Bewegungsapparats dar [2].

Bezüglich der Arthrose-Epidemiologie gelten endogene Faktoren (wie Alter, Geschlecht, genetische Faktoren und postmenopausale Umstellung) sowie exogene (wie mangelnde Bewegung, erhöhtes Körpergewicht, Makro- bzw. repetitive Mikrotraumata und resezierende Gelenkeingriffe) als Risikofaktoren [3]. Insbesondere die Adipositas scheint eine bedeutende Rolle in der Pathogenese zu spielen. So werden in diesem Zusammenhang, neben der rein mechanischen Überbelastung der Gelenke, die Effekte von Entzündungsmediatoren aus dem Fettgewebe (Adipokine) diskutiert. Einige Autoren bezeichnen die Arthrose aktuell auch als inflammatorische bzw. metabolische Erkrankung [4, 5].

Aufgrund dieser neuen Sichtweise auf die Arthrose findet das ernährungsmedizinische Konzept zunehmend Beachtung. So wurde aktuell das Ergebnis einer Studie [6] veröffentlicht, in der Arthrosepatienten im Alter von 19 bis 70 Jahren eine vegetarische Vollwertkost (vs. Kontrollgruppe mit herkömmlicher fleischreicher „westlicher“ Kost) erhielten. In der Gruppe mit der Diät-Intervention berichteten die Patienten, verglichen mit der Kontrollgruppe, eine signifikant stärkere Verbesserung ihrer Gelenkbeschwerden und des allgemeinen körperlichen Wohlbefindens (SF-36, VAS; p-Werte 0,022 bis < 0,001). Die Vollwertkost zeichnete sich durch hohe Anteile von Beta- und Alpha-Carotin, Lycopin, Lutein sowie Vitamin C und E aus. Dagegen war die Kontrollkost reich an täglich aufgenommenem tierischem Protein in Form von Fleisch und Milchprodukten. Die ebenfalls reichlich enthaltene Arachidonsäure bei dieser Kostform gilt als Vorläufer der proinflammatorischen Prostaglandine und Leukotriene.

Hyalines Knorpelgewebe besteht aus Chondrozyten und extrazellulärer Matrix sowie – aufgrund seiner hohen Wasserbindungskapazität – zu ca. 80 % aus Wasser, woraus hohe Belastbarkeit und Elastizität des Knorpels resultieren. Die Gonarthrose beginnt mit einer initialen Gewebeschädigung, in der Regel aufgrund mechanischer Be- bzw. Überlastungen (biomechanische Faktoren) bzw. von Störungen im Knorpelstoffwechsel, die (als nichtbiomechanische Faktoren) sukzessive zur Bildung und Übertragung von Entzündungsmediatoren im Gelenkmilieu und damit im Knorpel führen [7].

Vor allem die aus der Gewebeschädigung resultierenden inflammatorischen Prozesse erklären die Symptomatik der (Gon-)Arthrose im Sinne von Schmerz und Bewegungseinschränkung: Initial sind es bewegungsabhängige Schmerzen, wie Einlauf- oder Anlaufschmerzen, wobei sich mit zunehmender Schwere der Arthrose ein Dauerschmerz mit deutlicher Funktionsminderung des Gelenks mit Steifigkeit und Bewegungseinschränkung manifestiert [3]. Auch nächtliche Schmerzen treten bei fortschreitender Arthrose auf.

Die primäre konservative Therapie ist daher auf Schmerzbeseitigung, gegebenenfalls durch Entzündungsreduktion, und auf eine Verbesserung der Gelenkfunktion ausgerichtet. Neben der Gewichtsreduktion, physiotherapeutischen Maßnahmen und der flankierenden medikamentösen Therapie stehen eine Reihe ernährungsmedizinischer, sogenannter chondroprotektiver Substanzen zur Verfügung.

Zu dieser heterogenen Gruppe von Substanzen zählen z.B. Chondroitinsulfat, Glucosaminsulfat und (orale) Hyaluronsäure, deren Wirkungsweisen bislang noch nicht vollständig geklärt sind. Sie wirken u.a. über eine Entzündungshemmung, Blockade von Schmerzrezeptoren und mögliche Beeinflussung der viskoelastischen Eigenschaften der Synovia [3]. Bezüglich dieser Substanzen wird auch diskutiert, dass sie den Gewebeunterhalt unterstützen und den Knorpelabbau verlangsamen können [8].

Glucosamin ist ein endogenes Aminomonosaccharid, das zum Aufbau von Knorpelbestandteilen dient, z.B. von Glykosaminoglykanen oder Glykoproteinen. Klinisch wirkt es entzündungshemmend und schmerzlindernd, mindert so die Symptome der Arthrose [9, 10, 11] und kann durch „knorpelschützende“ Eigenschaften möglicherweise den Arthroseverlauf verzögern [8]. Eine Analyse der Ergebnisse von insgesamt 45 Studien zur Wirksamkeit von Glucosaminsulfat zur Behandlung der Kniegelenkarthrose bescheinigt der Substanz eine Wirkung auf den Schmerz und die Kniegelenkfunktion [12].

Chondroitinsulfat ist ein Glykosaminoglykan; seine symptomatische Wirksamkeit wurde in vielen klinischen Studien untersucht; es hat laut verschiedener Studien zunehmend Eingang in die symptomatische Arthrosetherapie gefunden. Über randomisierte, kontrollierte klinische Studien hinaus existieren positive Reviews und Metaanalysen [z. B. 13, 14].

Hyaluronsäure, ebenfalls ein Glykosaminoglykan, ist ein physiologischer Hauptbestandteil der Synovia und der Knorpelmatrix. Sie wirkt als Schmiermittel bei allen Gelenkbewegungen und unterstützt die Elastizität des Gelenkknorpels. In einer Doppelblind-Pilotstudie wurde die Wirkung oral applizierter Hyaluronsäure auf die Schmerzsymptomatik bei Patienten mit Gonarthrose untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass die tägliche Einnahme zu einer Reduktion der Schmerzen und einer Verbesserung der Lebensqualität führte [15].

Weitere Nährstoffe mit „chondroprotektiven“, antioxidativen und antiinflammatorischen Effekten sind [16]:

Kollagenhydrolysat, das die Bildung von Knorpelmatrixproteinen wie Typ-II-Kollagen und Aggrekan stimuliert (s. auch [17]);

Omega-3-Fettsäuren, die an mehreren Stellen die Arachidonsäurekaskade hemmen und dadurch die Bildung proinflammatorischer Eicosanoide wie Thromboxan A2, Prostaglandin E2 und Leukotrien B4 unterdrücken;

die Vitamine E und C, die aufgrund ihres antioxidativen Potenzials der bei Arthrose zu beobachtenden erhöhten Bildung freier Radikale entgegenwirken können.

Die erwähnten Substanzen (Glucosaminsulfat, Chondroitinsulfat, Hyaluronsäure und Kollagenhydrolysat) sind neben Omega-3-Fettsäuren und Mikronährstoffen wie Mineralstoffen und Vitaminen in der untersuchten EBD (ergänzende bilanzierte Diät Orthomol arthroplus, Orthomol pharmazeutische Vertriebs GmbH, Langenfeld) enthalten, einem diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, und zwar zur diätetischen Behandlung von arthrotischen Gelenkveränderungen.

Ziel der hier vorgestellten randomisiert, placebokontrolliert und doppelblind durchgeführten klinischen Studie war die Überprüfung der symptomatischen Wirksamkeit und damit des Nutzens der EBD bei Gonarthrose.

Patienten und Methode

Patienten

Gonarthrose-Patienten beiderlei Geschlechts im Alter von 18–80 Jahren wurden nach unterschriebener Einverständniserklärung in die Studie aufgenommen. Die Gonarthrose war
anamnestisch, klinisch und radiologisch zu diagnostizieren, der Wert des Schmerz- und Funktionsindex von Lequesne [18, 19] musste zur Aufnahme mindestens 3 Punkte und das röntgenologische Arthrosestadium nach Jäger u. Wirth [20] I–III betragen. Dazu musste ein aktuelles Röntgenbild oder ein schriftlicher Befund vorliegen, alternativ musste ein solches innerhalb der letzten 2 Jahre durchgeführt worden sein.

Wesentliche Ausschlusskriterien waren: Knieschmerzen oder Funktionseinschränkung des Kniegelenks anderer Ursache, eine Gicht, knöcherne Verletzungen der unteren Extremitäten (z.B. Oberschenkelhalsfraktur), ein Bandscheibenvorfall, bekannte Allergien bzw. Überempfindlichkeiten gegenüber Wirk- und Inhaltsstoffen des Studienprodukts und gegen Paracetamol, ebenso schwerwiegende organische und/oder systemische Erkrankungen, die – wie eine Reihe weiterer, im Studienplan festgelegter Kriterien – aus Studienarztsicht eine Teilnahme nicht vertretbar erscheinen ließen.

Im Verlauf der Studie war die Behandlung mit Paracetamol bei akuten Schmerzen erlaubt, musste aber ebenso dokumentiert werden wie die Behandlungen begleitender Erkrankungen. Arthroserelevante andere Analgetika und nichtsteroidale Antirheumatika, Kortikosteroide usw. waren nicht erlaubt, ebenso wenig die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und Substanzen, die mit einzelnen Inhaltsstoffen des Studienprodukts vergleichbar waren. Die gleichzeitige Behandlung der Gonarthrose mit Magnetfeldtherapie, Stoßwellentherapie, Akupunktur und weitere Maßnahmen, die die Symptomatik der Kniegelenkarthrose beeinflussen konnten, waren ebenso wenig gestattet (Votum der Freiburger Ethik-Kommission International, Freiburg, Code 012/1910).

Studiendesign und Untersuchungen

Die Untersuchung erfolgte als prospektiv angelegte, randomisierte und placebokontrolliert durchgeführte Doppelblindstudie, im Rahmen derer die Patienten (mit symptomatischer Gonarthrose) über 3 Monate hinweg entweder Verum oder Placebo erhielten. Die Studie umfasste eine Screening-Visite (Visite 1), im Anschluss daran eine 14-tägige Vorlaufphase, in der jegliche Medikation, die zur Behandlung der Gonarthrose verordnet worden war, abgesetzt/ausgewaschen wurde.

In dieser Zeit sollten keinerlei auf den Knieschmerz gerichtete Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel oder ergänzende bilanzierte Diäten eingenommen bzw. parenteral verabreicht werden. Am Ende der Vorlaufphase erfolgte die Aufnahme in die Studie und der Behandlungsbeginn entsprechend der randomisierten Zuteilung (Visite 2), anschließend eine 3-monatige Behandlungsphase mit 2 Kontrollvisiten und der Abschlussvisite (Visite 5). An die Behandlungsphase von 3 Monaten schlossen sich eine 1-monatige Phase ohne Produkteinnahme und eine letzte Untersuchung (Visite 6) an.

Bei jeder Visite wurde – neben einer Reihe im Studienplan festgelegter Parameter – im Hinblick auf die Wirksamkeitsuntersuchung primär der Lequesne-Kniegelenkindex erfasst. Dazu wurde der Patient vom Arzt bezüglich seiner Gelenkschmerz- und Gelenkfunktionssituation (Schmerz, Gehstrecke bzw. Gehhilfe sowie Aktivitäten) in den letzten 24 Stunden befragt.

Die symptomatische Beeinträchtigung der Patienten (Schmerz, körperliche Aktivität und Gelenksteifigkeit) wurde darüber hinaus anhand des WOMAC-(Western Ontario and McMasters Universities-)Arthrose-Index erfasst, sowohl als jeweiliger Teilsummenwert (zwischen 0 und 10) bzw. als Summe der Teilsummen, d.h. als Gesamtpunktwert. Jeder Patient hatte den WOMAC-Fragebogen zu Beginn der Behandlung, am Ende sowie am Ende der Nachbeobachtungsphase auszufüllen.

Das gleiche Schema galt für die Angabe der VAS (visuelle Analogskala), anhand derer der Patient auf einer vorgegebenen Linie von 10 cm Länge zwischen den Extremen (0 für „kein Schmerz“, 10 für „größter vorstellbarer Schmerz“) das Ausmaß der momentanen Kniesymptomatik abzuschätzen hatte.

Studienprodukte

Bei dem Studienprodukt handelt es sich um eine ergänzende bilanzierte Diät, es enthält neben Knorpelbestandteilen (wie Glucosaminsulfat, Chondroitinsulfat, Hyaluronsäure) weitere Inhaltsstoffe (Kollagenhydrolysat, N-Acetylcystein, Omega-3-Fettsäuren, Antioxidanzien bzw. Vitamine und Mineralstoffe; Zusammensetzung s. Tab. 1). Dem Studienprodukt vollständig vergleichbar war das eingesetzte Placebo, sowohl in Verpackung als auch im äußeren Erscheinungsbild und im Geschmack.

Statistik

Wie die Auswertung des Hauptzielkriteriums basierte die Berechnung der notwendigen Fallzahl in dieser Studie auf dem „Fisher‘s Exact Probability“-Test. Das Hauptzielkriterium „Responder“ (auf die Therapie positiv ansprechende Patienten) war, analog [18] a priori als Reduktion des Lequesne-Index um mindestens 3 Punkte, entsprechend einem Arthrose-Beschwerdegrad [19], in Verbindung mit einem positiven ärztlichen Globalurteil (d.h. „gebessert“ oder „sehr gebessert“) definiert worden.

Bei einer geschätzten Erfolgsrate von 40 % unter Placebo und 60 % unter Verum wurden unter der Annahme eines Alpha-Fehlers von 5 % und einer Power von 90 % mittels „Fisher‘s Exact Probability“-Test (2-seitig) 140 Patienten pro Gruppe ermittelt. Unter Berücksichtigung einer Ausfallquote von etwa 25 % ergab sich eine erforderliche Fallzahl von insgesamt 360 Patienten. Die Aussage zur Wirksamkeit der Therapie basierte demzufolge auf der Zahl der „Responder“ in beiden Gruppen, deren Unterschied mittels Fisher-Test ermittelt wurde, einmal (bei allen randomisierten Patienten) im Sinne der Intention-to-treat-Analyse und einmal (nur bei den studienplankonform behandelten Patienten) im Sinne der Per-protocol-Analyse.

Sekundäre Zielkriterien sowie weitere für diese Studie überprüfte Parameter (z.B. unerwünschte Ereignisse, Laborparameter) wurden exploratorisch untersucht und deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse

Insgesamt 366 Patienten wurden nach Screening und „Wash-out“-Phase randomisiert, erhielten nachfolgend ihr entsprechendes Studienprodukt (Verum/Placebo) und sind damit dem Intention-to-treat-Kollektiv zuzuordnen. Bei 70 dieser Patienten lagen schwerwiegende Studienplanverletzungen vor, sodass sie nicht in das Per-protocol-Kollektiv einzubeziehen sind. Insgesamt 296 Patienten (80,9 %) wurden damit in die Per-protocol-Analyse eingeschlossen.

Das in die Studie einbezogene Patientenkollektiv zeigt in Bezug auf demografische Daten wie Alter, Geschlechterverteilung und BMI eine homogene Verteilung zwischen beiden Behandlungsgruppen (Tab. 2).

Darüber hinaus waren beide Behandlungsgruppen vergleichbar hinsichtlich weiterer demografischer und krankheitsbezogener Parameter, wie systolischer/diastolischer Blutdruck, Herzfrequenz, Lokalisation der Gonarthrose (mono-, bilateral) und des radiologischen Grads sowie der Dauer der Symptomatik und der klinischen Ausprägung (Tab. 3).

Bezüglich des bei der Befunderhebung zu Studienbeginn symptomatisch stärker betroffenen Kniegelenks (Schwellung: nicht vorhanden, gering, mäßig, stark – Bewegungseinschränkung: nicht vorhanden, gering, mäßig, stark – Überwärmung – Druckschmerz – Ergussbildung – Krepitation) ergaben sich keine Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen.

Ebenso wenig fanden sich zu Beginn Unterschiede bezüglich der aktuellen medikamentösen Arthrosetherapie sowie weiterer Behandlungen zum Lequesne-Index, dem WOMAC-Schmerzindex und der visuellen Analogskala (VAS) zwischen den Behandlungsgruppen. Letztlich waren auch die Begleiterkrankungen in beiden Behandlungsgruppen ohne auffällige Unterschiede.

Wirksamkeit

Primäres Zielkriterium war die Bewertung der Veränderung des Lequesne-Punktwerts am Ende der 3-monatigen Behandlung (Visite 5) im Vergleich zum Ausgangswert (Visite 2) in Verbindung mit dem abschließenden ärztlichen Globalurteil. Ein Patient wurde als Responder gewertet, wenn eine Verbesserung des Lequesne-Index um mindestens 3 Punkte und zugleich das ärztliche Globalurteil „gebessert“ oder „sehr gebessert“ erreicht wurde.

Es zählten also nur solche Patienten als Therapieerfolg, für die sowohl eine Reduktion des Lequesne-Punktwerts (mindestens 3 Punkte) als auch eine klinische Besserung nach ärztlicher Beurteilung verzeichnet werden konnte.

Der konfirmative Vergleich der Behandlungsgruppen erfolgte mit dem
Fisher’s exakten Test auf Basis des ITT-Kollektivs.

Im Rahmen der Behandlung mit dem Verum waren 95 von 181 Patienten (52,5 %) als „Responder“ zu werten gegenüber 68 „Respondern“ (36,8 %) von 185 Placebopatienten (p = 0,003,
Fisher’s exakter Test).

Das Ergebnis der ITT-Analyse wird durch das Ergebnis des Per-protocol-Kollektivs bestätigt: Hier waren 85 von 143 Verumpatienten (59,4 %) als „Responder” zu werten gegenüber 67 „Respondern“ (43,8 %) von 153 Placebopatienten (p = 0,008, Fisher’s exakter Test). Die Ergebnisse zeigt Tabelle 4.

Hinsichtlich des Globalurteils von Arzt und Patient am Ende der Behandlungsphase (Visite 5) beurteilten 106 Patienten (66,3 %) in der Verumgruppe und 96 Patienten (57,1 %) in der Placebogruppe ihre Situation als „gebessert“ bzw. „sehr gebessert“. Die Ärzte beurteilten die Situation am Ende der Behandlungsphase bei 115 Patienten (71,9 %) in der Verumgruppe und bei 90 Patienten (53,6 %) in der Placebogruppe als „gebessert“ bzw. „sehr gebessert“. Abbildung 1 zeigt die ITT-Ergebnisse zum Globalurteil der Ärzte.

Bei der Betrachtung weiterer Parameter zeigte der mittlere Lequesne-Index in der Verumgruppe eine Reduktion um 3,3 Punkte, in der Placebogruppe um 3,0 Punkte. Dieser Unterschied war somit tendenziell positiv, statistisch jedoch nicht signifikant. Vergleichbar waren die erzielten Ergebnisse beim WOMAC-Schmerzindex (Verumgruppe: 7,4 Punkte Reduktion, Placebogruppe 7,1 Punkte) sowie bei der visuellen Analogskala VAS (Verumgruppe: 1,8 Punkte Reduktion, Placebogruppe: 1,7 Punkte).

Verträglichkeit

Bei insgesamt 53 Patienten wurden unerwünschte Ereignisse mitgeteilt – in 24 Fällen wurden diese Ereignisse im Zusammenhang mit dem jeweiligen Studienprodukt gesehen: bei 15 Patienten (8,3 %) in der Verumgruppe und bei 9 Patienten (4,9 %) in der Placebogruppe. In beiden Gruppen traten als häufigste unerwünschte Ereignisse Symptome des Gastrointestinaltrakts auf, die sich als „Übelkeit“, „Aufstoßen“ bzw. als „Schmerzen im Oberbauch“ äußerten. Die Parameter der klinischen Chemie wiesen lediglich geringe, klinisch nicht relevante Veränderungen auf, auch bei Herz-Kreislauf-Parametern (Blutdruck, Herzfrequenz) zeigten sich in beiden Behandlungsgruppen im Studienverlauf keine auffälligen Veränderungen.

Diskussion

Die Arthrose (d.h. die durch Fehlbelastung und biochemische Prozesse verursachte, zunehmende und letztlich irreversible Gelenkschädigung) ist eine der häufigsten Erkrankungen insbesondere des zunehmenden Alters. Während nur etwa 4 % der 20-Jährigen radiologisch nachweisbar von Arthrose betroffen sind, sind es nahezu 100 % der über 70-Jährigen. Darunter leiden im symptomatischen Sinne (Schmerz und Bewegungseinschränkung) – akut oder chronisch – zwar „nur“ etwa 10–15 % der Arthrose-Patienten, aus der großen Verbreitung sowie der individuellen Progression der Erkrankung ergeben sich jedoch große gesundheitliche und volkswirtschaftliche Auswirkungen.

Ziel der hier vorgestellten klinischen Studie war die Überprüfung der symptomatischen diätetischen Wirksamkeit und des Nutzens eines komplex zusammengesetzten diätetischen Lebensmittels (EBD), das die genannten Substanzen sowie Mikronährstoffe enthält, bei Gonarthrose.

Über einen Behandlungszeitraum von 3 Monaten konnte gezeigt werden, dass die EBD einen gegenüber Placebo statistisch signifikanten und klinisch relevanten symptomatischen Unterschied aufwies, dies bei vergleichbar sehr guter Verträglichkeit in beiden Behandlungsgruppen.

Dieser Nachweis der diätetischen Wirksamkeit und des daraus resultierenden Nutzens basierte auf dem Hauptwirksamkeitskriterium „Response“, das in Anlehnung an eine frühere Studie mit ähnlichem Design [9] gewählt worden war. „Responder“ waren solche mit einer Reduktion des Lequesne-Index [19] um mindestens 3 Punkte (entspricht der Verbesserung um einen Schweregrad) in Verbindung mit einem positiven globalen Abschlussurteil des Studienarztes.

Die hier für die eingesetzte EBD über 3 Monate Behandlung nachgewiesene Wirksamkeit bei symptomatischer Gonarthrose korreliert mit dem in der früheren Studie mit Glucosamin vs. Placebo nachgewiesenem Ergebnis [9].

Sie korreliert ebenso mit der im Rahmen der GAIT-Studie bei Patienten mit ausgeprägt symptomatischer Gonarthrose aufgezeigte Wirksamkeit der Kombination von Chondroitinsulfat mit Glucosamin vs. Placebo [21].

Dies korreliert schließlich mit dem kürzlich publizierten Ergebnis einer Studie der Kombination von Chondroitinsulfat mit Glucosamin vs. Celecoxib, bei dem über 6 Monate Behandlung eine vergleichbare symptomatische Wirksamkeit (Nichtunterlegenheit) gezeigt wurde [22].

Dass dem diätetischen Ansatz im Rahmen der konservativen Arthrosebehandlung eine besondere Bedeutung zukommt, belegen eine Reihe von Studiendaten. So befasste sich z.B. eine Arbeitsgruppe [24] in einer kontrollierten Doppelblindstudie (mit 177 Koxarthrose- und Gonarthrose-Patienten) mit der kombinierten Gabe von Glucosaminsulfat und Omega-3-Fettsäuren, die 26 Wochen lang supplementiert wurde. Die Responderrate belief sich in der Gruppe mit der Kombination auf 44 %, in der Gruppe mit alleiniger Gabe von Glucosaminsulfat auf 32 % (p = 0,044). Betrachtete man die Unterschiede in der Reduktion des WOMAC-Globalwerts, so zeigte sich unter der Kombination bezüglich einer 80–100%igen Reduktion des WOMAC-Werts ein Anteil von 52,5 %, in der Vergleichsgruppe ohne Omega-3-Fettsäuren ein Anteil von 37,9 % der Patienten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die diätetische Therapie mit „Chondroprotektiva“ und Mikronährstoffen einen Beitrag zur modernen Arthrosetherapie leistet. Es steht mit der hier eingesetzten EBD eine ernährungsmedizinische Option zur Verfügung, aus deren Aufnahme Arthrosepatienten einen klinischen Nutzen ziehen können.

Danksagung

Unser herzlicher Dank gilt den an dieser Studie beteiligten 15 Kollegen (in Ahrensburg, Bad Urach, Berlin, Dessau, Hamm, Kerpen, Neuss und Wuppertal) für ihre aktive und engagierte Mitarbeit, ebenso wie den Mitarbeitern der „d. s. h. statistical services GmbH“, Rohrbach.

Interessenkonflikt : J. Heisel war im Rahmen der hier vorgestellten Studie (Sponsor: Orthomol pharmazeutische Vertriebs GmbH, Langenfeld,) der „Leitende Studienarzt“ und wesentlich beteiligt an Planung, Durchführung, Publikationsvorbereitung, ebenso P. Schlieper (Planung, durchführende CRO, Auditing, Publikationsvorbereitung) und K. K. Förster (Planung, Monitoring, Publikationsvorbereitung).

Korrespondenzadresse

Dr. rer. nat. Dr. h.c. Klaus K. Förster

PhiCon GmbH

Igelweg 3

51766 Engelskirchen

KKFoerster@aol.com

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Fussnoten

1 Orthopädische Abteilung der Fachkliniken Hohenurach (Ehemaliger Ärztl. Leiter: Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. J. Heisel), Bad Urach

2 PhiCon GmbH (GF: Dr. Dr. h.c. K. K. Förster), Engelskirchen

3 MeDiPha AG (GF: Prof. Dr. P. Schlieper), Oberwil, Schweiz

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