Übersichtsarbeiten - OUP 10/2015

Diagnostik bei Verdacht auf periprothetische Infektion
Was muss untersucht werden? Was gibt es Neues?The standard and new concepts

Wir empfehlen bei Erstkontakt mit dem Patienten eine Bestimmung der laborchemischen Entzündungsparameter. Diese helfen im hochakuten Infekt, die Entscheidung über den Operationszeitpunkt zu treffen und bei Verdacht auf einen Low-grade-Infekt die weiterführende Diagnostik einzuleiten. Im Einzelnen sollten folgende Parameter bestimmt werden: C-reaktives Protein, Blutbild, Blutsenkungs-geschwindigkeit (BSG), Leber- und Nierenwerte, Elektrolyte wie Natrium und Kalium, aPTT und INR. Es ist jedoch nicht möglich, ausschließlich mit Hilfe der laborchemischen Entzündungsparameter einen periprothetischen Infekt nachzuweisen [5]. Laut den Empfehlungen der AAOS können laborchemische Parameter jedoch als sog. Ausschlusskriterium verwendet werden. Bei fehlenden Risikofaktoren und klinisch unauffälligem Untersuchungsbefund in Kombination mit normwertigem C-reaktiven Protein und normwertiger Blutsenkungsgeschwindigkeit ist eine periprothetische Infektion als eher unwahrscheinlich anzusehen [6]. Jedoch besteht Uneinigkeit über die Grenzwerte des C-reaktiven Proteins [7]. Aktuelle Studien benennen den Grenzwert zwischen 1,0–1,35 mg/dl. Bei der Verwendung des CRP-Werts als Ausschlusskriterium setzen wir noch niedrigere Grenzwerte an (< 0,5 mg/dl).

Gelenkpunktion

Die Aspirationspunktion des entsprechenden Gelenks ist eine kostengünstige und einfach durchzuführende Standardprozedur, die im Rahmen der diagnostischen Reihe durchgeführt werden sollte. Durch die Gewinnung von Synovia sind verschiedene zytologische und mikrobiologische Untersuchungen möglich. Bei Entnahme ist auf strengste sterile Kautelen zu achten, optimalerweise wird die Punktion in einem Eingriffsraum oder ambulanten OP durchgeführt (Abb. 3).

Die Praxis zeigt, dass eine Mindestmenge von 1 ml notwendig ist, um ausreichend Material für die verschiedenen Untersuchungen zu gewährleisten, optimal wären 5–10 ml. Aus dem gewonnenen Aspirat wird zum einem die Zellzahl und Zelldifferenzierung bestimmt, hier ergeben sich abhängig vom punktieren Gelenk folgende Grenzwerte für eine periprothetische Infektion:

  • Hüftgelenk: Zellzahl: > 4200 Leukozyten/µl bzw. Zelldifferenzierung: > 80 % neutrophile Granulozyten [8].
  • Kniegelenk: Zellzahl: > 1700 Leukozyten/µl bzw. Zelldifferenzierung: > 65 % neutrophile Granulozyten [9].

Des Weiteren erfolgt die mikrobiologische Untersuchung. Die Wahrscheinlichkeit eines Keimnachweises ändert sich in Abhängigkeit von Bebrütungszeit, verwendeten Kulturmedien, Art des Keims und antibiotischer Vorbehandlung. Idealerweise erfolgt die Beimpfung von Blutkulturflaschen aerob und anaerob (jeweils 2–5 ml) sowie die Anlage von mikrobiologischen Kulturen aus dem Gelenkpunktat [10, 11]. Eine verlängerte Bebrütungszeit von 10–14 Tagen ist im Hinblick auf langsam wachsende Keime wie z.B. Proionebacterium acnes notwendig [12].

Auf Grund der erhöhten Rate an falsch-negativen Befunden ist ein antibiotikafreies Intervall von mindestens 14 Tagen anzustreben [13].

Biopsie von periprothetischen
Gewebe für mikrobiologische und histologische Untersuchung

Falls durch die Punktion kein Keimnachweis geführt werden kann, jedoch aufgrund von laborchemischen, klinischen oder zytologischen Befunden der Verdacht auf einen Low-grade-Infekt besteht, bietet die bioptische Probenentnahme eine weitere Möglichkeit der Diagnostik.

Diese wird unter streng sterilen Bedingungen in Voll- oder Regionalanästhesie im Operationssaal arthroskopisch durchgeführt. Als operativer Zugang im Bereich der Hüfte bietet sich ein hohes und ein tiefes anterolaterales Portal an. Im Bereich des Kniegelenks sollten die medialen und lateralen Standardportale verwendet werden. Während der Arthroskopie werden insgesamt 6 Proben entnommen. Fünf werden zur mikrobiologischen Kultur abgegeben, eine zur histopathologischen Untersuchung [14]. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die periprothetische Membran und nicht unspezifisches Synovialgewebe biopsiert wird.

Histologisch sollte die Aufarbeitung und Beurteilung des Präparats nach Morawietz und Krenn erfolgen. Entscheidend ist die Anzahl von neutrophilen Granulozyten in 10 „High-power-Fields“ (HPF), also bei 400-facher Vergrößerung und CD-15 Färbung, Grenzwerte sind 23 neutrophile Granulozyten. Beim Mischtyp besteht eine Kombination von abriebinduzierter und infektiöser periprothetischer Membran (Mischtyp aus Typ I und Typ II). Beim Indifferenztyp sind hingegen weder abriebinduzierte noch infektiöse Charakteristika zu finden sind. Die Ätiologie dieses Typs ist vielfältig und reicht von mechanischen Ursachen bis zur Osteoporose [15].

Sonikation

Unter Sonikation versteht man die Lösung des Biofilms an entfernten Implantatkomponenten im Ultraschallbad, aus der Sonikatflüssigkeit werden mikrobiologische Kulturen angelegt. Hierdurch lassen sich die Sensitivität und Spezifität insbesondere im Hinblick auf biofilmbildende Keime deutlich erhöhen [16, 17]. Die Sonikation ist auch gegenüber einer antibiotischen Vorbehandlung des Patienten deutlich unempfindlicher als die reine Gelenkpunktion. Die Sonikation ist insbesondere hilfreich, wenn aufgrund der vorliegenden Anamnese und Befunde eine Infektion wahrscheinlich ist, jedoch bisher kein Keim nachgewiesen werden konnte.

Diagnosestellung

Zur Diagnosestellung stehen die Richtlinien zur Verfügung, die im Rahmen einer Konsensusempfehlung formuliert wurden, siehe Tabelle 1 [18]. Gerade bei Zutreffen von weniger als 4 Nebenkriterien befindet man sich im Bereich einer diagnostischen Lücke, eine periprothetische Infektion ist nicht gesichert aber auch nicht ausgeschlossen. Insofern bleibt zu hoffen, dass neuere Diagnostika – wie beispielsweise die hochsensitive und spezifische Bestimmung von synovialen Biomarkern in der Gelenkflüssigkeit (z.B. antimikrobielle Peptiden wie Defensine etc.) – diese diagnostische Lücke schließen können.

Was gibt es Neues?

Alpha-Defensin (AD-1)

Alpha-Defensin ist ein synovialer Biomarker, der von neutrophilen Granulozyten sezerniert wird und in erhöhter Konzentration bei periprothetischen Infekten intraartikulär nachgewiesen werden kann. Aktuelle Studien zeigen eine hohe Sensitivität und Spezifität [19]. AD-1 wird durch einen Schnell-Test (Synovasure, Zimmer) aus dem Gelenkpunktat erfasst. Vorteile sind eine einfache und schnelle Durchführung, Nachteile sind hohe Kosten und die Tatsache, dass keine Aussage über die Art des Keims und die Antibiotikaresistenz getroffen werden kann.

Multiplex PCR

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