Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Diagnostik und Therapie der primären malignen Knochentumore

Alexander Klein1, Hans Roland Dürr1

Zusammenfassung: Primär maligne Knochentumoren sind seltene Entitäten. Häufig sind Kinder und Jugendliche betroffen. Die Diagnostik dieser Tumore ist nicht immer durch eine Gewebeuntersuchung allein möglich und bedarf der interdisziplinären Teamarbeit erfahrener Ärzte. Die Prognose der Patienten hängt stark von Entität, Differenzierungsgrad und Art der durchgeführten Therapie ab. In den meisten Fällen ist eine sichere weite Resektion des Sarkoms von entscheidender Bedeutung für das Ergebnis der Behandlung. Bei vielen Sarkomen ist die multimodale Therapie unabdingbar. In den letzten Jahrzehnten konnte so eine deutliche Verbesserung des Überlebens erreicht werden.

Schlüsselwörter: Knochentumor, Chondrosarkom, Osteosarkom, Ewing-Sarkom, multimodale Therapie

Zitierweise
Klein A, Dürr HR: Diagnostik und Therapie der primären malignen Knochentumore
OUP 2018; 7: 083–088 DOI 10.3238/oup.2018.0083–0088

Summary: Primary malignant bone tumors are a rare entity. Children and adolescents are most often affected. The diagnosis is difficult in many cases. It requires interdisciplinary teamwork of experienced surgeons, radiologists and pathologists. The prognosis of the patients depends on entity, differentiation and type of therapy. In general, a wide resection is essential for the outcome of the treatment. A multimodal therapy is standard in most sarcoma patients. Significant improvement of survival has been achieved in recent decades.

Keywords: bone tumor, chondrosarcoma, osteosarcoma, Ewing sarcoma, multimodal therapy

Citation
Klein A, Dürr HR: Therapy of primary malignant bone tumors
OUP 2018; 7: 083–088 DOI 10.3238/oup.2018.0083–0088

1 Schwerpunkt Tumororthopädie, Klinik für Orthopädie, Physikalische Medizin und Rehabilitation; Klinikum der Universität München

Einleitung

Knochensarkome sind sehr selten. Betrachtet man die Gesamtzahl der malignen Knochentumoren, so sind der Großteil davon Metastasen. Im Jahr 2014 gab es in der Bundesrepublik geschätzt 760 Neuerkrankungen mit der Diagnose „Knochensarkom“. 126 Patienten waren jünger als 20 Jahre (16,6 %). Männer waren mit 425 Patienten (56 %) bevorzugt betroffen.

Der Anteil an allen Tumorneuerkrankungen beträgt lediglich circa 0,3 %, die Inzidenz circa 2 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Entsprechend schwierig ist deshalb die sichere und zügige Diagnostik dieser Erkrankungen [15].

Diagnostik der primären malignen Knochentumore

Die Symptome, die zur Einleitung der weiteren Diagnostik führen, sind in der Regel anhaltende Schmerzen, Schwellung, Gelenkfunktionseinschränkungen und seltener Knochenläsionen als radiologischer Zufallsbefund oder pathologische Frakturen.

Als Standard der lokalen Diagnostik gelten ein Röntgenbild in 2 Ebenen (ggf. zusätzlich Spezialebenen) und eine MRT des gesamten betroffenen Kompartiments mit Kontrastmittel. Diese Darstellung der gesamten Region ist wesentlich, da zum Beispiel bis zu 6,5 % der high-grade Osteosarkome lokale Metastasen (im Sinne von Skip-Läsionen) aufweisen [25]. Außerdem dient die MRT der Beurteilung der Lagebeziehung von extraossären Tumoranteilen zu Gefäß- und Nervenstrukturen.

Zur Beurteilung der systemischen Ausbreitung der Erkrankung kann nach Verfügbarkeit eine PET-CT oder zumindest eine Computertomografie des Thorax und Abdomens mit zusätzlicher Skelettszintigrafie durchgeführt werden.

Es gibt keine spezifischen Tumormarker. Häufig können aufgrund der ausgeprägten Knochendestruktion und -nekrosen LDH- und AP-Werte deutlich erhöht sein.

Ist die lokale Bildgebung erfolgt, kann die Probegewinnung geplant werden. Dies sollte im Idealfall durch den später versorgenden Operateur oder in enger Abstimmung mit ihm erfolgen. Eine möglichst minimalinvasive, schnell verfügbare und valide Methode sollte angewandt werden. So können Stanzbiopsien in Lokalanästhesie u.U. auch bildwandlergesteuert durchgeführt werden. Ist die Treffsicherheit fraglich oder besteht die Gefahr der Verletzung von wichtigen Leitstrukturen, so sollte die Biopsie Ultraschall- oder CT-gesteuert erfolgen. Als Alternative steht eine Inzisionsbiopsie zur Verfügung, bei der das Tumorgewebe unter Sicht gewonnen werden kann. Der Zugang für die Biopsie sollte immer im späteren Zugangsbereich für die Tumorresektion liegen und sollte möglichst klein gehalten werden. Nicht betroffene Kompartimente dürfen nicht kontaminiert werden. Für eine suffiziente Hämostase ist zu sorgen, eine Nachblutung sollte auf jeden Fall vermieden, ggf. eine Drainage wundnah ausgeleitet werden.

Besteht eine pathologische Fraktur, so ist die operative intraläsionale Frakturversorgung zu unterlassen. Sie kann entweder durch Gips-/Orthesenruhigstellung oder durch einen extraläsional angebrachten Fixateur externe erfolgen.

Die histologische Diagnose der primären malignen Knochentumore ist schwierig und bedarf der Mitarbeit eines erfahrenen Pathologen. Häufig ist die Diagnosestellung, insbesondere bei low-grade Sarkomen, allein anhand des pathologischen Befunds nicht möglich und muss in Zusammenarbeit mit Klinikern und Radiologen erfolgen, manchmal unter der Zuhilfenahme radiologischer Verlaufsbefunde. In Fällen, in denen die sichere Diagnosestellung nicht möglich ist, sollte eine Referenzpathologie eingeholt werden.

Grundsätze der operativen Versorgung und Möglichkeiten der Rekonstruktion

Ein erheblicher Teil der primären malignen Knochentumore muss reseziert werden. Man unterscheidet hier verschiedene Ansätze der Radikalität der Resektion (Tab. 1) [11]:

Die intraläsionale Resektion kommt in den seltensten Fällen, z.B. für das atypische Enchondrom (low-grade Chondrosarkom der Extremitäten) infrage. Hier sollte man ggf. die intraoperative Anwendung von Adjuvantien zur Reduktion des Lokalrezidivrisikos erwägen.

In der Regel wird ein maligner Tumor weit reseziert. Ein Sicherheitsabstand ist einzuhalten.

Eine radikale Resektion (Kompartmentresektion) bedingt zumeist eine höhere Invalidisierung des Patienten und ist selten indiziert.

Die Resektion eines Sarkoms im Gesunden ist entscheidend für das Lokalrezidivrisiko und die Prognose des Patienten. Die weite Resektion longitudinal im Knochen ist in der Regel unproblematisch, viel schwieriger ist es, bei der Präparation der extraossären Tumoranteile eine R0-Resektion zu erreichen. Der Abstand als absoluter Wert hat in letzten Jahrzehnten an Bedeutung verloren, wichtig ist die Resektion im Gesunden [8, 21, 24].

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