Übersichtsarbeiten - OUP 12/2016

Die aktuelle S2e-Leitlinie zum Hallux valgus

Hazibullah Waizy1, Jörn Dohle2

Zusammenfassung: Die Hallux-valgus-Fehlstellung ist unbehandelt meist als progrediente Deformität anzusehen, die jedoch nicht zwangsläufig zu Schmerzen und Leidensdruck bei den Patienten führt.

Prävention: 1. fußgerechtes Schuhwerk zur Vermeidung sowohl von Druckstellen als auch einer forcierten Progredienz der Pathologie; funktionelle Stabilisierung des Fußes mittels Gymnastik oder physiotherapeutischer Anleitung. 2. Orthesenversorgung und/oder Einlagenversorgung zur Verbesserung der funktionellen Stabilisierung. 3. Konsequente adaptierte postoperative Nachbehandlung, welche sich an den operativen Maßnahmen orientiert.

Die Indikation zur Einleitung einer therapeutischen Maßnahme beim Hallux valgus orientiert sich am Alter und dem Leidensdruck des Patienten sowie dem Vorliegen einer Arthrose im Großzehengrundgelenk. Weitere patientenspezifische
Pathologien können den Beginn einer Therapie ebenfalls beeinflussen.

In der ersten Stufe der ambulanten Therapie stehen die Beratung und Physiotherapie im Vordergrund, additiv Analgetika oder antiphlogistische Maßnahmen. Manuelle und physiotherapeutische Behandlungen, Orthesen oder orthopädietechnische Therapien sind in Anbetracht der bestehenden Pathologie und des Leidensdrucks anzuwenden.

In der Stufe 2 der ambulanten bzw. stationären therapeutischen Maßnahmen ist beim symptomatischen Hallux valgus die operative Therapie indiziert. Diese sollte sich dabei sowohl am Schweregrad der Pathologie als auch den postoperativen Mobilisationsmöglichkeiten des Patienten und den weiteren patientenspezifischen Kriterien orientieren.

Schlüsselwörter: Hallux valgus, Ballenzehe, Vorfußschmerz

Zitierweise
Waizy H, Dohle J: Die aktuelle S2e-Leitlinie zum Hallux valgus.
OUP 2016; 12: 668–672 DOI 10.3238/oup.2016.0668–0672

Summary: The hallux valgus deformity is untreated usually regarded as progressive deformity that does not necessarily lead to pain and suffering for the patient.

Prevention: 1. Foot conforming footwear to avoid bruising and to avoid a forced progression of pathology, functional stabilization of the foot by means of gymnastics or physiotherapy instructions. 2. Orthotic and/or insoles to improve the functional stabilization. 3. Consistent adapted postoperative treatment, which is based on the operation procedure.

The indication for initiation of a therapeutic measure is based on the age and the suffering of the patient as well as presence of arthritis in the MTP-I-joint. More patient-specific pathologies may affect the initiation of treatment also.

In the first stage of outpatient consultation and physiotherapy are at the forefront, additive analgesic or anti-inflammatory medication. Manual therapies, physiotherapy, orthotics or orthopedic measures adopted in view of the existing
pathology and suffering pressure.

In stage 2 of outpatient or inpatient surgical treatment is
indicated therapeutic measures when symptomatic hallux valgus. Surgical therapy should be orientated on the severity of the pathology and the postoperative mobilization possibilities of the patient and other patient-specific criteria.

Keywords: hallux valgus, forefoot, Metatarsalgia

Citation
Waizy H, Dohle J: Actual S2e-guideline for hallux valgus.
OUP 2016; 12: 668–672 DOI 10.3238/oup.2016.0668–0672

Einleitung

Der Hallux valgus stellt die häufigste Pathologie des Vorfußes dar. Die berichtete Prävalenz im Erwachsenenalter beträgt bis zu 23 %. Bei bis zu 84 % der Patienten tritt die Hallux-valgus-Deformität bilateral auf. In der Literatur ist das zeitliche Auftreten des Hallux valgus unterschiedlich dargestellt. In Langzeitbeobachtungen konnte ein gehäuftes Auftreten zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr beobachtet werden. Der juvenile Hallux valgus stellt dagegen eine eigene Entität dar mit dem Auftreten um das 10. Lebensjahr. Es konnte keine Korrelation zwischen dem Zeitpunkt des ersten Auftretens und dem Schweregrad in den vorliegenden Studien dargestellt werden. Die geschlechterspezifische Verteilung zeigt mit 15:1 ein mehrheitliches Auftreten bei Patientinnen.

Die Bezeichnung Hallux valgus wurde von Hueter im Jahre 1870 eingeführt. Dabei wird die Achsabweichung der Großzehe nach fibular im Großzehengrundgelenk beschrieben. Das aktuelle Verständnis zum Hallux valgus beinhaltet sowohl subluxierte als auch nicht subluxierte Fehlstellungen mit Achsabweichung der Großzehe nach fibular (valgus) und des ersten Metatarsaleknochens nach tibial (varus) (Abb. 1–3).

Die Pathologie des Hallux valgus ist Gegenstand der medizinischen Literatur. Unterschiedliche therapeutische Maßnahmen sind hierbei beschrieben. Sowohl konservative als auch operative Möglichkeiten bestehen. In der Orthopädietechnik sind ebenfalls differenzierte Methoden zur Prävention, Behandlung und Rehabilitation dargestellt.

Methodisches Vorgehen bei der Erstellung der Leitlinie

Leitlinien dienen zur Optimierung der medizinischen Versorgung durch Vermittlung von aktuellem Wissen, evidenz- und konsensbasierter Diagnostik und Therapieempfehlungen, um die Morbidität zu senken und eine Erhöhung der Lebensqualität zu erreichen. Die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) hat hierzu ein Regelwerk verfasst. Tabelle 1 stellt die Stufenklassifikation nach dem AWMF-Regelwerk dar.

Die hier dargestellte S2e-Leitlinie zum Thema Hallux valgus (Registriernummer 033–018) wurde unter der Federführung der Leitlinienkommission der Deutschen Assoziation für Fuß- und Sprunggelenk (D.A.F.) entwickelt. Das Ziel bestand darin, ein höheres Evidenzniveau für die Handlungsempfehlungen zu erreichen. Wie in Tabelle 1 dargestellt, beinhaltet die S2e-Leitlinie die evidenzbasierte Leitlinienformulierung. Hierzu ist eine systematische Literaturrecherche mit Auswahl und Bewertung der wissenschaftlichen Belege (Evidenz) zu den relevanten klinischen Fragestellungen erforderlich. Die systematische Literaturrecherche umfasst dabei sowohl die Analyse bereits bestehender Leitlinien als auch die bekannten wissenschaftlichen Publikationsverzeichnisse. Die Ergebnisse der Literaturrecherche wurden dann systematisch hinsichtlich ihrer Evidenz bewertet. Die bewertete Literatur finden Sie im Literaturreport der Leitlinie (www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/ 033–018 .html).

Die Ergebnisse der Literaturrecherche mit entsprechender Bewertung ihrer Aussagekraft dienten zur Beantwortung der relevanten Fragestellungen. Bei Fragestellungen mit Mangel an aussagekräftiger Literatur erfolgten die Empfehlungen auf Basis der Expertenmeinung der Leitlinienkommission der D.A.F.

Ätiologie

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