Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017

Die Anzahl der Fadenanker bei der arthroskopischen Stabilisierung der Bankart-Läsion der Schulter
Ein systematischer ReviewA systematic review

Levy et al. veröffentlichten 2007 eine retrospektive Studie (Level IV) mit 37 Fällen, bei denen ein arthroskopischer Bankart-Repair mit einem einzelnen Fadenanker in der 4-Uhr-Position und einem resorbierbaren Faden bei rezidivierender vorderer posttraumatischer Instabilität in der neu vorgestellten sogenannten Purse-string-Technik durchgeführt wurde [3]. Hierbei wird durch einen Faden ein ausgedehnter vertikaler Shift von unten nach oben bei gleichzeitigem Bankart-Repair mit einem einzelnen Fadenanker vorgenommen. Bei einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 36 Monaten traten in lediglich 2 Fällen (5,4 %) erneute Instabilitätsereignisse auf.

Ozbaydar et al. veröffentlichten 2008 eine retrospektive Studie (Level IV) von 99 Fällen, bei denen ein arthroskopischer Bankart-Repair bei traumatischer vorderer rezidivierender Instabilität mit Fadenankern und nichtresorbierbaren Fäden in Knotentechnik durchgeführt wurde [4]. Nach mittleren 47 Monaten (Bereich 2–57 Monate) kam es in 10 Fällen (10,7 %) zu einem erneuten Instabilitätsereignis. Eine erneute Instabilität trat bei Patienten mit einer ALPSA-Läsion (anterior labroligamentous periosteal sleeve avulsion) häufiger auf (19,2 %) als bei Patienten mit einer einfachen Bankart-Läsion (7,4 %). Die Anzahl der verwendeten Fadenanker betrug 3,26 in der ALPSA-Gruppe und 3,19 in der Bankart-Gruppe und war nicht signifikant unterschiedlich. Die Autoren schlussfolgerten im Diskussionsteil ihrer Arbeit, dass mehr als 3 Fadenanker nicht zu einer größeren Stabilität führen würden, sofern keine Glenoidfraktur oder erhebliche zusätzlich Kapselverletzungen vorlägen.

Van der Linde et al. veröffentlichten 2011 eine retrospektive Studie (Level IV) von 70 Fällen, bei denen ein arthroskopischer Bankart-Repair bei traumatischer vorderer rezidivierender Instabilität mit Fadenankern und resorbierbaren Fäden in Knotentechnik durchgeführt wurde [5]. Bei einer Follow-up-Quote von 97 % kam es nach 8–10 Jahren in 35 % der Fälle zu einem erneuten Instabilitätsereignis. Bei der Verwendung von nur 2 Fadenankern kam es häufiger zu einem erneuten Instabilitätsereignis als bei der Verwendung von 3 oder mehr Fadenankern. Dieser Unterschied war
statistisch grenzwertig signifikant (p = 0,06).

Witney-Lagen et al. veröffentlichten 2014 eine retrospektive Studie (Level IV) von 114 Fällen, bei denen ein arthroskopischer Bankart-Repair bei vorderer Instabilität mit Fadenankern mit nichtresorbierbaren Fäden und ausgedehntem vertikalen Shift in Purse-string-Technik [3] durchgeführt wurde [6]. In 76,3 % der Fälle lag eine Hill-Sachs-Läsion, in 13,2 % der Fälle ein glenoidaler Defekt vor. In 62,3 % der Fälle wurde nur ein Fadenanker, in 35,1 % der Fälle wurden 2 und in 2,6 % der Fälle wurden 3 Fadenanker verwendet. Nach 4 Jahren kam es in 6,4 % der Fälle zu einem erneuten Instabilitätsereignis. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine Schulterstabilisierung mit weniger als 3 Fadenanker möglich und meistens ein Fadenankern ausreichend sei.

Milchteim et al. veröffentlichten 2016 eine retrospektive Studie (Level IV) von 94 Sportlern, bei denen ein arthroskopischer Bankart-Repair bei traumatischer vorderer Instabilität mit Fadenankern und nichtresorbierbaren Fäden in Knotentechnik durchgeführt wurde [7]. Nach mittleren Prozent-Jahren (Bereich 3–8,5 Jahre) kam es in 6 Fällen (6,4 %) zu einem erneuten Instabilitätsereignis. Die mittlere Anzahl der verwendeten Fadenanker für den Bankart-Repair betrug 5,6 + 2,1. Mehr als 3 Fadenanker wurden bei 80 Fällen (hier betrug die Reluxationsrate 7,5 %), 3 oder weniger Fadenanker wurden bei 14 Fällen verwendet, hier betrug die Reluxationsrate 0 %. Dieser Unterschied war allerdings nach Angabe der Autoren nicht statistisch signifikant (p = 0,308).

Diskussion

Die Evidenz der hier untersuchten Studien betrug ohne Ausnahme Level IV und war damit für das Fachgebiet niedrig. Aus den hier analysierten Studien lassen sich dennoch einige interessante Punkte ableiten. Der Evidenzlevel ist ausreichend für die Feststellung, dass eine arthroskopische Stabilisierung einer Bankart-Läsion mit weniger als 2 Fadenankern möglich ist. Hierfür sprechen die beiden Arbeiten von Levy et al. und Whitney-Lagen et al. [3, 6], wohingegen in der klassischen Arbeit von Boileau et al. noch davon ausgegangen wurde, dass 3 oder weniger Fadenanker als Ursache für ein erhöhtes Rezidivrisiko zu betrachten sind [1]. Hierbei muss erwähnt werden, dass die in beiden erstgenannten Arbeiten angewandte Purse-string-Technik auf einem ausgeprägten vertikalen Shift des vorderen Bands des IGHL bei gleichzeitigem Bankart-Repair beruht.

Um einen solchen Shift in ausreichendem Maße zu erreichen, ist eine höhere Fadenankerposition bei 4:00 Uhr von beiden Autorengruppen empfohlen worden. In beiden Arbeiten waren die erneuten Instabilitätsereignisse mit 5,4 % bzw. 6,4 % nicht außergewöhnlich hoch. Die Autoren dieser Arbeit gehen davon aus, dass gegenüber der Anzahl der Fadenanker das Ausmaß des vertikalen Shifts einen möglicherweise ebenso wichtigen Faktor für die postoperative Stabilität darstellt. In der konventionellen und in der Purse-string-Technik wurden sowohl resorbierbare als auch nichtresorbierbare Fäden erfolgreich verwendet.

Für die Stabilität der Schulter in der typischen ABER-Position (90° Abduktion, 90° Außenrotation) ist auch das vordere Band des inferioren glenohumeralen Ligaments (IGHL) verantwortlich. Durch einen Shift des IGHL kann die Stabilität der Schulter verbessert werden. Ein Shift von 10 mm in Faserrichtung des IGHL ist ohne Overconstraining der Gelenkkapsel möglich [8]. Die untersuchten Studien gaben keine detaillierten Hinweise darauf, wie viele der verwendeten Fadenanker (und Fäden) der Reinsertion des IGHL dienten. Die untersuchten Studien gaben auch keine detaillierten Hinweise darauf, inwiefern neben der Reinsertion des IGHL auch eine Raffung desselben oder ein gleichzeitiger und zusätzlich stabilisierender Kapselshift vorgenommen wurde. Die Autoren dieser Arbeit gehen auch aufgrund eigener klinischer Erfahrung davon aus, dass die Stabilität in der ABER-Position durch die stabile Reinsertion des IGHL und Kapselshift in diesem Bereich auch mit weniger als 3 Fadenankern erreicht werden kann. Dies wird gestützt durch die Ergebnisse von Levy et al. und Whitney-Lagen et al. [3, 6].

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