Originalarbeiten - OUP 11/2012

Die Bedeutung des Atlas aus der Sicht der Angewandten
Humankybernetik sowie seiner biomechanischen Belastung und Funktionsweise

Humankybernetik und technische Kybernetik unterliegen der gleichen Gesetzmäßigkeit. Schwachstelle der Steuerung und Regelung in der Biologie ist, dass die Feedback-Bausteine (Sensoren, Signalgeschwindigkeit und der anatomische Ort der Signalleitungen) mit den uns bekannten physikalischen Messmethoden nicht direkt nachweisbar sind. Da die maximal nachweisbare Nervenleitgeschwindigkeit der Skelettmuskulatur 120 m/s beträgt, muss das Feedback-Signal, um einen geschlossenen Regelkreis zu bilden, eine höhere Geschwindigkeit aufweisen; und da das Netzwerk des Nervensystems als Hochgeschwindigkeitsleitung nicht in Frage kommt, drängt sich die Hypothese auf, dass das hoch verzweigte Blutgefäßsystem diesen Hochgeschwindigkeits-Signaltransfer übernimmt, wobei das endothele Netzwerk mit seinen Endkapillaren als Sender und Empfänger fungiert. Dieses geschlossene Endothel-Netzwerk versorgt die anliegenden Arbeitszellen mit Energie und Information (Abb. 3). Ein zweiter Informations-Transfer ist das Blut selbst. Die motorische Rückkopplung, um einen Regelkreis zu schließen, geschieht über die Granulationes arachnoideales im Sinus sagittales superior (Abb. 4).

Die Natur hat mit den Sinnesorganen eine erweiterte Sicherheitszone geschaffen, die im Falle von Gefahren rechtzeitiges Reagieren möglich macht. Doch bei der Entschlüsselung der humankybernetischen Abläufe drängt sich die Frage nach weiteren „Frühwarnsystemen“ des Körpers auf. So könnte zum Beispiel bei einem Auffahrunfall die sich im Körper ausbreitende Stoßwelle über eine innere Sicherheitszone mit einem hohen Reflexpotenzial abgemildert werden. Das hieße, dass der physikalischen Stoßwelle eine Informationswelle vorauseilen und in den gefährdeten Regionen eine schützende Gegenreaktion einleiten würde. Die selten auftretenden Kopfgelenkarthrosen sprechen dafür, dass die Konstruktion der Atlasregion mit einem solchen Sicherheitsmechanismus ausgerüstet ist, um die Zeitdifferenz zwischen physikalischer Stoßwelle und dem vorauseilenden Informationssignal zu vermessen. Geht man davon aus, dass eine Stoßwelle im Körper je nach Materialbeschaffenheit von 1000–4000 m/s durchläuft, muss die Geschwindigkeit des Schutzsignals deutlich höher sein. Logische Schlussfolgerung für den Bereich der Atlasregion wäre, dass die beteiligten Muskelgruppen als Schutzreaktion eine erhöhte Vorspannung der Muskulatur einleiten, bevor die physikalische Stoßwelle das Kopfgelenk erreicht. Dieser Schutzmechanismus würde für alle Segmente der Wirbelsäule gelten. Diese Überlegung wirft aber gleichzeitig die Frage auf, ob ein hochenergetischer Stoßimpuls in den unteren Wirbelsegmenten einen biokybernetischen Kurzschluss auslösen kann, welcher die energetische Steuerungsasymmetrie der Spiegel-DNA [1] in der linken und rechten Körperhälfte mit einer kompletten Querschnittslähmung zusammenbrechen lässt. Der in der Atlasregion gesetzte TBS-Impuls [1] überbrückt den Sicherheitsmechanismus der Atlasringmuskulatur und löst auf der jeweils behandelten Körperseite ein halbseitiges Gehirn-Reset aus. Die anatomischen Gegebenheiten lassen den Schluss zu, dass der Informationsweg über die Arachnoidealzotten im Sinus sagittales verläuft. (Abb. 4)

Folgen wir diesem Denkansatz, erklären sich auch die häufig beschriebenen peripheren Erscheinungsbilder nach einer manuellen Therapie in der Atlasregion und die Therapieerfolge in dieser Region, die nicht der rein mechanischen Ausrichtung des Atlas, sondern dem hohen humankybernetischen Informationstransfer zuzuschreiben sind, den die enge Bündelung von Nerven- und Gefäßsystem in diesem Bereich möglich macht.

Theoretische Grundlagen Tensegrity

Das Wort Tensegrity erklärt sich aus den beiden Worten Tension und Integrität, also die Spannung aus ganzheitlicher Betrachtungsweise. Tensegrity-Strukturen wurden schon in der Technik durch den Architekten, Designer und Erfinder R. Buckminster-Fuller [5] entdeckt und angewandt. Die größte Kuppel zur damaligen Zeit wurde 1967 mit einem Kuppeldurchmesser von 80 m konstruiert und auf der Weltausstellung in Montreal vorgestellt. Einfache Strukturelemente gehen auf einfache Bauelemente zurück, z.B. bestehend aus 3 Stäben und 9 Seilen. Die Entdeckung von Mikrostrukturen in Zellen, wurden durch den Molekularbiologen D. Ingber 1998 vorgestellt. Ein Zytoskelett in der Zelle wurde durch ihn entdeckt [3]. Diese neuen Zellstrukturen heißen Aktinfilamente und entsprechen den Seilfunktionen am technischen Modell. Weiterhin treten Mikrotubulie auf, die als Stäbe beschrieben werden und intermediäre Filamente, die ebenfalls Seilfunktionen ausüben. Diese sind für die hohe Stabilität der Zellen verantwortlich. Als 4. Struktur wurden Integrine gefunden. Diese haben Schaltfunktionen, sie stellen die Information über Spannungszustände zwischen dem Zellinneren und dem Extrazellularraum her, sie befinden sich in der Zellmembran. Die wichtigsten Konstruktionsmerkmale von Tensegrity-Strukturen bestehen in der Vorspannung und in der Dreiecksbildung. Die Vorspannung dient der Stabilitätsoptimierung biologischer Netze durch Massenreduktion an kritischen Verbindungsstellen, Aufnahmen von unerwarteten äußeren Belastungen sind möglich. Verdichtung von lockerer Gewebefügung ermöglicht die hohe Flexibilität von Geweben. Die Dreiecksbildung besteht aus der Nutzung der Stellen höherer Steifigkeit z.B. trabekuläre Streben der Spongiosa z.B. im Schenkelhals, Nutzung der Verbindungsstellen; und geometrische Teilchen ermöglichen die hohe Festigkeit. Die häufigsten geometrischen Formen von Tensegrity-Strukturen findet man in Dreiecken: Tetraeder, Hexaeder, Oktaeder und Polyeder. Vorgespannte Gleichgewichte zeichnen sich durch kontinuierliche Zug- und Kompressionskräfte (Druck) aus. Diese Elemente stabilisieren die physikalische Struktur dieses lebenden Materials in unterschiedlichen Größenordnungen, z.B. von einer Bandstruktur bis zur Mikrofaser. Die Tensegrity-Konstruktionsmerkmale zeichnen sich im Unterschied zu technischem Fachwerkkonstruktionen dadurch aus, dass die Elemente optimal ausgenutzt werden, die Querschnitte unterschiedlich belastet werden, Knotenpunktverschiebung stattfindet, die inneren Kräfte die äußere Stabilität schaffen, eine Dreidimensionalität vorliegt, es sich um eine dynamische Konstruktion handelt. In Tensegrity ist ein Konstruktionsprinzip verwirklicht, das selbsttragend ist und keine innere Abstützung benötigt. Die Modelle bestehen z.B. aus Stangen (Knochen) und Seilzügen (Fascien), es entstehen daraus geodätische Formen, eine optimale Druck- und Spannungsverteilung der Gesamtkonstruktion ist gegeben, die Spannung ist gleichmäßig auf alle Bestandteile verteilt; eine Spannungszunahme in einem Anteil vergrößert den Druck auf alle anderen Anteile innerhalb des Systems. Eine globale Spannungszunahme wird durch eine Spannungsveränderung zwischen den einzelnen Anteilen ausgeglichen. Die Konstruktion stabilisiert sich selbst und wird dadurch auf eine Art lebendig. Wenn Spannungskräfte und Kompressionskräfte komplementär genutzt werden, bilden sie Systeme, welche weitaus höhere Lasten tragen können als durch traditionelle Strukturanalysen angenommen. Diese Zusammenarbeit der Strukturen nennt man Synergie. In Tensegrity-Systemen bekommen Materialien neue Eigenschaften, nicht metallische Materialien können Strom leiten, die Kraftübertragung im System wird variabler und komplexer; in lebenden Systemen führt die Nutzung einer Hierarchie von Tensegrity-Netzwerken zu einem optimalen Wirkungsgrad der Struktur und stellt einen Mechanismus der optimalen Kopplung der Anteile mit dem Ganzen dar. Ein direkter Bezug zur Elektrophysiologie und Biochemie ist herzustellen und abzuleiten. Tensegrity-Strukturen lassen sich in Atomen, Molekülen, Viren, Eiweißen, Pollen, Algen und Körperzellen nachweisen. Sie unterscheiden sich nur durch ihre Größenordnung. Bezogen auf den Menschen bedeutet dieses: Die 206 Knochen des Menschen sind die Strukturteile und werden als Stäbe behandelt und angesehen, sie werden in Spannung gehalten von Muskeln, Sehnen und Fascien (Seile). Zellen, Proteine und andere Moleküle stabilisieren sich selbst durch Tensegrity, die Zunahme der Spannung in einem Punkt wirkt sich auf das gesamte Gebilde aus.

Bedeutung und Auswirkungen von Tensegrity in der Medizin

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