Originalarbeiten - OUP 04/2012

Die Behandlung der anteroinferioren Instabilität mit signifikanter Hill-Sachs-Läsion durch arthroskopische Remplissage – ein systematischer Review
Treatment of anteroinferior shoulder instability in the presence
of significa

M. von Knoch1, W. Schultz2

Zusammenfassung: Die anteroinferiore Instabilität der Schulter mit großer und einrastender Hill-Sachs-Läsion stellt eine therapeutische Herausforderung dar. Hier kann durch einen arthroskopischen Bankart-Repair zusammen mit einer arthroskopischen Tenodese der Infraspinatussehne in den Humerusdefekt hinein (=Remplissage) therapiert werden. Der vorliegende Artikel stellt eine systematische Literaturanalyse mit Metaanalyse von insgesamt 95 Fällen aus drei Level IV-Studien und einer Level II-Studie zur arthroskopische Remplissage dar. Für die vier gepoolten Studien betrug der Anteil von Eingriffen mit arthroskopischer Remplissage in Relation zu allen operierten Instabilitäten 28%. Die vorliegenden Studien erlaubten eine Bewertung hinsichtlich der zu erwartenden Bewegungseinschränkung, die in der Regel mit bis zu –13° für die Außenrotation mäßig ausfällt. Die vorliegenden Studien erlaubten eine Bewertung hinsichtlich der zu erwartenden Rezidivrate nach arthroskopischer Remplissage von 8,4%. Die vorliegenden Studien erlaubten eine eingeschränkte Bewertung hinsichtlich zu erwartender dorsaler Restbeschwerden nach arthroskopischer Remplissage von 33%. Die vorliegenden Studien erlaubten keine Bewertung der tatsächlichen stabilisierenden Wirkung der Remplissage. Die vorliegenden Studien erlaubten keine Bewertung der Langzeiteffekte auf Stabilität, Funktion und Vermeidung bzw. Induktion von arthrotischen Veränderungen des Glenohumeralgelenkes im mittleren bis Langzeitverlauf.

Schlüsselwörter: Schulter, Instabilität, Bankart-Repair, Remplissage, systematische Literaturübersicht

Abstract: Anteroinferior shoulder instability in combination with an engaging Hill-Sachs lesion constitutes a therapeutical challenge. Arthroscopic Bankart repair in combination with an innfraspinatus tenodesis into the humeral defect has been suggested and termed “remplissage”. This article provides a systematic review of the current literature related to arthroscopic remplissage and a metaanalysis of 95 cases of three level IV and one level II study. A remplissage was performed in 28% cases of all surgically treated shoulder instabilities. The published studies allowed for appraisal of expectable postoperative external rotation deficit of as much as –13°. The published studies allowed for appraisal of expectable instability recurrence rate of 8,4%. The published studies allowed for limited appraisal of expectable persisting dorsal shoulder pain in 33%. The published studies did not allow for appraisal of the true stabilizing effect of a remplissage procedure. The published studies did not allow for appraisal of expectable long-term effects of a remplissage procedure on stability, function and association with glenohumeral degeneration.

Keywords: shoulder, instability, Bankart repair, remplissage, systematic review

Die arthroskopische Versorgung der anteroinferioren, traumatischen Instabilität durch einen Bankart-Repair stellt heutzutage ein Standardverfahren dar. Die Reluxationsrate nach arthroskopischem Bankart-Repair variiert in der Literatur stark. Burkhart und De Beer stellten fest, dass ein arthroskopischer Bankart-Repair in Fällen mit Knochensubstanzdefekten sowohl auf glenoidaler als auch auf humeraler Seite problematisch ist. Sie schlugen vor, dass Hill-Sachs-Läsionen im Rahmen der Arthroskopie als „engaging“ (=einhakend, einrastend) oder „non-engaging“ klassifiziert werden sollten. Eine einrastende Hill-Sachs-Läsion liegt vor, wenn in einer Funktionsstellung ein Einrasten der Hill-Sachs-Läsion am vorderen unteren Glenoidrand zu beobachten ist. Typischerweise gilt dies für ein Einrasten bei 90° Abduktion und Außenrotation oder weniger. Für diese Situation haben Burkhart und De Beer einen offenen Coracoid-Transfer nach Latarjet zur Stabilisierung der Schulter vorgeschlagen, da ein arthroskopischer Bankart-Repair hier häufig nicht ausreichend ist [1]. Im Bestreben, diese Problemfälle auch arthroskopisch zu lösen, wurde dann im Verlauf der arthroskopische Coracoid-Transfer nach Latarjet propagiert [2]. Technisch ist dieser Eingriff recht kompliziert. Aus diesem Grund hat die arthroskopische Infraspinatustenodese in den humeralen Kopfdefekt hinein zusätzlich zum arthroskopischen Bankart-Repair eine beginnende Aufmerksamkeit während der letzten zwei Jahre gefunden [3]. Diese Technik wird auch als Remplissage bezeichnet, abgeleitet vom dem französischen Wort für Auffüllen. Der hier vorliegende Artikel untersucht die aktuelle Literatur zur arthroskopischen Remplissage zur Behandlung von klinisch relevanten Hill-Sachs-Läsionen. Eine mögliche Operationstechnik wird anhand der Abbildungen dargestellt (Abb. 1–8). Die folgenden zu beantwortenden Punkte wurden als Forschungsfragen formuliert: 1. Wie hoch ist der Anteil von arthroskopischen Schulteroperationen mit zusätzlicher arthroskopischer Remplissage in typischen Patientenkollektiven? 2. Wie groß ist der Verlust an Außenrotation durch eine Remplissage? 3. Wie häufig kommt es zu Instabilitätsrezidiven nach Remplissage? 4. Wie häufig treten dorsale Schulterbeschwerden nach Remplissage auf?

Methodik

Es wurde im Oktober 2011 eine systematische Durchsicht der PubMed Datenbank durchgeführt. Als Suchwörter dienten „Shoulder“ und „Remplissage“. Mit diesen Suchworten ergaben sich 10 Treffer mit Arbeiten, die zwischen Juni 2008 und September 2011 erschienen sind. Für das Jahr 2008 fanden sich zwei Treffer, für das Jahr 2009 ein Treffer, für das Jahr 2010 drei Treffer und für das Jahr 2011 vier Treffer. Trotz der noch geringen Zahl an Publikationen zu diesem Thema zeigt die steigende Tendenz innerhalb von drei Jahren, dass die Technik der Remplissage von steigendem Interesse ist. Von den 10 Treffern bei PubMed waren zwei Publikationen Übersichtsarbeiten. Eine weitere Publikation behandelte die offene Remplissage zur Behandlung der Hill-Sachs-Läsion. Alle drei Publikationen stammten aus dem Jahr 2010 und wurden nicht weiter analysiert. Die verbliebenen sieben Publikationen zeigten für die Jahre 2008 und 2009 einen niedrigen Evidenz-Level. Hier lagen zwei Technische Noten und ein Fallbericht vor. Diese Publikationen wurden in die eigene qualitative Analyse einbezogen. Der Evidenz-Level der vier Publikationen aus dem Jahr 2011 betrug Level IV in drei Fällen (Fallserien) und Level II in einem Fall (prospektive, komparative Kohortenstudie). Diese vier Arbeiten wurden in die quantitative Analyse (Metaanalyse) einbezogen. Die Fälle aus allen vier Arbeiten wurden gepoolt, um die statistische Aussagekraft zu erhöhen. Hiernach wurden die Mittelwerte bzw. Bereiche für den Follow-up (vier Studien), die Häufigkeit der Remplissage (vier Studien), den Verlust an Außenrotation (zwei Studien) und die Rezidivhäufigkeit (vier Studien) bestimmt.

Qualitative Analyse

Purchase et al. berichteten 2008 erstmals über die arthroskopische Remplissage zur Behandlung der einrastenden Hill-Sachs-Läsion bei anteroinferiorer Instabilität. Klinische Ergebnisse wurden nicht berichtet. Die operative Technik wurde wie folgt beschrieben. Über ein hinteres Portal wurde die Hill-Sachs-Läsion mit einer Fräse angefrischt. Über eine dorsale Arbeitskanüle wurden dann zwei Fadenanker eingebracht, einer inferior und einer superior in die Hill-Sachs-Läsion. Retrograd wurde dann von jedem Anker ein Fadenende ca. 1 cm von der Einstichstelle entfernt retrograd herausgezogen. Die Fäden wurden extraartikulär verknotet, so dass sich der M. infraspinatus und die Gelenkkapsel in die Hill-Sachs-Läsion hineinzogen. Hiernach wurde die Bankart-Läsion arthroskopisch versorgt. Postoperativ wurde eine Immobilisation für 6 Wochen durchgeführt. Ab der 7. postoperativen Woche wurden aktive und resistive Übungen begonnen. Riskante Aktivitäten und Kontaktsport wurden für sechs Monate nicht gestattet [3].

Deutsch und Kroll berichteten 2008 über einen 28-jährigen männlichen Patienten, der mit einem Bankart-Repair und einer arthroskopischen Remplissage behandelt wurde. Zwei Jahre postoperativ beklagte der Patient trotz konservativer Therapie eine schmerzhafte Einschränkung der Außenrotation. Durch eine erneute Schulterarthroskopie wurde ein Release des tenodesierten Infraspinatus durchgeführt. Sechs Monate postoperativ hatte der Patient eine signifikant verbesserte Außenrotation [4].

Koo et al. veröffentlichten 2009 eine Technische Note, in der sie eine modifizierte arthroskopische Technik der Remplissage beschrieben. Zunächst wurden die glenoidalen Anker für den Bankart-Repair gesetzt. Hiernach wurden dann nach Anfrischen der Hill-Sachs-Läsion die humeralen Anker für die Remplissage gesetzt. Die Fäden des Bankart-Repairs wurden zuerst verknotet. Schließlich wurden die Fäden der Remplissage in doppelter Flaschenzugtechnik verknotet. Hierbei wurden die Fadenösen der beiden Fadenanker als Flaschenzugrollen verwendet, um eine doppelte Matratzennaht zwischen den Ankern mit großflächiger Anpressung ohne Strangulierung des Muskelbauches des Infraspinatus zu erreichen [5].

Haviv et al. veröffentlichten 2011 eine retrospektive Studie (Level IV) von 11 Patienten mit anteroinferiorer Instabilität und großer einrastender Hill-Sachs-Läsion. Das mittlere Patientenalter betrug 25,5 Jahre. Es wurden ein oder zwei Fadenanker verwendet. In allen Fällen wurde ein arthroskopischer Bankart-Repair durchgeführt. Der mittlere Follow-up betrug 30 Monate. Es kam in keinem Fall zu einer postoperativen Komplikation. Es kam zu keiner erneuten Luxation in diesem Untersuchungszeitraum. 78% der Patienten werteten das Operationsergebnis als gut oder exzellent. Die Außenrotation betrug im Durchschnitt 83% im Vergleich zur kontralateralen gesunden Schulter. Detailliertere Angaben zu den Bewegungsumfängen wurden nicht gemacht [6].

Park et al. veröffentlichten 2011 eine retrospektive Studie mit 20 Patienten mit arthroskopischem Bankart-Repair und arthroskopischer Remplissage (Level IV). Das mittlere Patientenalter betrug 27,3 Jahre. Die präoperative radiologische Analyse ergab, dass von den 20 Patienten 19 einen moderaten, bzw. schweren humeralen Knochendefekt von mehr als 2 cm Länge und mindestens 0,3 cm Tiefe hatten. Alle humeralen Defekte betrafen mehr als 25% der Kopfzirkumferenz gemessen auf präoperativen axialen MRI-Aufnahmen. Intraoperativ wurden die Läsionen als einrastend oder nicht einrastend in 90° Abduktion und 90° Außenrotation klassifiziert. Die 20 veröffentlichten Fälle mit arthroskopischer Remplissage stellten insgesamt 20% aller in diesem Zeitraum von den Autoren operierten Fälle mit rekurrenter glenohumeraler Instabilität dar. Hinsichtlich der chirurgischen Technik empfahlen die Autoren das hintere Portal direkt über der Hill-Sachs-Läsion zu legen, um eine vereinfachte Ankerplatzierung zu erreichen. Die Hill-Sachs-Läsion wurde debridiert. Dann wurde der Bankart-Repair vorbereitet und schließlich ein doppelt mit Faden beladener Anker dorsal gesetzt. Von den 20 Fällen wurden in 14 Fällen zwei Fadenanker für die Remplissage verwendet. In allen Fällen wurden drei Fadenanker für den Bankart-Repair verwendet. Die Fäden wurden retrograd als Matratzennaht durch den Infraspinatus gezogen und von kaudal nach proximal verknotet. Erst hiernach wurde ein zweiter Anker proximal gesetzt, um schrittweise die Remplissage titrieren zu können. Die durchschnittliche Operationszeit betrug ungefähr zwei Stunden. Postoperativ wurde fünf Wochen mit einer Schlinge behandelt. Aktiv und aktiv-assistierte Bewegungsübungen wurden nach sechs Wochen erlaubt. Der mittlere Follow-up betrug 29,2 Monate. Der mittlere postoperative American Shoulder and Elbow Surgeons Score betrug 92,5 (Schmerz 47,3; Funktion 45,3). Somit konnten in 85% der Fälle eine Wiederherstellung der Funktion, eine Schmerzreduktion und ein für den Patienten befriedigendes Ergebnis erreicht werden. In drei Fällen (15%) traten erneut Instabilitäten auf. In zwei Fällen waren dies Luxationen und in einem Fall eine Subluxation. Alle drei Fälle waren atraumatischer Natur und zeigten eine spontane Reposition. In keinem der drei Fälle wünschten die Patienten eine erneute Operation. Komplikationen in Verbindung mit den Fadenankern traten nicht auf. Objektive Daten hinsichtlich des Bewegungsumfangs wurden nicht erhoben. Die Autoren berichteten aber, dass eine eingeschränkte Schulterbeweglichkeit spontan von keinem Patienten berichtet wurde [7].

Zhu et al. berichteten 2011 über 49 Fälle mit arthroskopischem Bankart-Repair und Remplissage bei einrastender Hill-Sachs-Läsion. Der mittlere Follow-up betrug 29 Monate. Das mittlere Patientenalter betrug 28,4 Jahre. Die operative Technik wurde von den Autoren wie folgt beschrieben. Durch das hintere Portal wurde die Hill-Sachs-Läsion dekortiziert. Ein oder zwei Fadenanker wurden an dem artikulären Rand der Hill-Sachs-Läsion platziert. Jeweils ein Faden wurde ein Zentimeter neben der Penetrationspforte retrograd durch den Infraspinatus herausgezogen. Nach Platzierung der Fäden wurde der arthroskopische Bankart-Repair mit vier Ankern durchgeführt. Hiernach wurden die Fäden der Remplissage extraartikulär verknotet. Postoperativ wurde sechs Wochen mit einer Schlinge behandelt. Krankengymnastik wurde erst ab der 7. postoperativen Woche begonnen. Überkopf- und Kontaktsport wurde für 10 Monate postoperativ nicht gestattet. Insgesamt betrug die Rate von arthroskopischem Bankart-Repair und Remplissage in dem von Autoren beschriebenen Kollektiv 49 Fälle von insgesamt 124 während dieses Zeitraums von den Autoren behandelten Fällen mit unidirektionaler traumatischer vorderer Instabilität (39,5%). Die Elevation verbesserte sich im Mittel um 8°. Die Außenrotation verringerte sich um 1,9°. Der American Shoulder and Elbow Surgeons Score verbesserte sich von 84,7 auf 96,0 Punkte. In einem Fall trat eine erneute Luxation auf, zwei Subluxationen traten auf und ein Patient hatte ein persistierendes positives Apprehensionszeichen. Die Versagerrate betrug 8,2%. Die Kraft des Infraspinatusmuskel veränderte sich durch die Remplissage im Wesentlichen nicht. Präoperativ betrug die Kraft 8,6 +/- 2,4 kg, postoperativ 8,7 +/-1,4 kg (p = 0,94). 35 Patienten (71,4%) erreichten das präoperative sportliche Niveau [8].

Nourissat et al. veröffentlichten 2011 eine prospektive, vergleichende Kohorten-Studie zum Einfluss der arthroskopischen Remplissage auf die postoperative Beweglichkeit (Level II). Die Autoren verglichen eine Gruppe von arthroskopischem Bankart-Repair von 17 Fällen mit einer Gruppe von arthroskopischem Bankart-Repair mit arthroskopischer Remplissage von 15 Fällen. Die Entscheidung zur arthroskopischen Remplissage wurde präoperativ getroffen. Anhand einer anteroposterioren Röntgenaufnahme wurde überprüft, ob eine Hill-Sachs-Läsion sichtbar war. Wenn dies der Fall war, wurde eine arthroskopische Remplissage indiziert. Funktionelle, intraoperative Kriterien (einrastend versus nicht einrastend) wurden nicht berücksichtigt. Chirurgisch wurde ein superiorer Anker in den Hill-Sachs-Defekt eingebracht, hiernach ein inferiorer. Hiernach wurde ein arthroskopischer Bankart-Repair mit drei Fadenankern und sechs Nähten durchgeführt. Hiernach wurden die Fäden der Remplissage verknotet. Die Nachbehandlung erfolgte mit einer Schlinge für sechs Wochen postoperativ, wobei ab der 4. Woche postoperativ passiv beübt wurde. Die Außenrotation wurde vermieden. Ab der 7. postoperativen Woche wurde die aktive Mobilisation durchgeführt. Das mittlere Alter der Patienten in der Gruppe mit bloßem arthroskopischem Bankart-Repair betrug 24 +/-6 Jahre, das mittlere Alter in der Gruppe mit arthroskopischem Bankart-Repair und Remplissage betrug 24 +/- 8 Jahre. Der mittlere Follow-up betrug 28 Monate in der Bankart-Gruppe und 27 Monate in der Remplissage-Gruppe. In jeder Gruppe trat eine erneute Luxation auf (gesamte Re-Luxationsrate 6,25%). In der Bankart-Gruppe trat die erneute Luxation 20 Monate postoperativ bei einer Patientin mit Hyperlaxizität ohne Trauma auf. Diese Patientin wollte keine erneute Operation durchführen lassen. In der zweiten Gruppe mit Remplissage trat die Luxation 18 Monate postoperativ im Rahmen eines epileptischen Anfalls durch. In diesem Fall wurde eine arthroskopische Latarjet-Operation durchgeführt. Die Außenrotation am hängenden Arm ein Jahr postoperativ betrug in der Bankart-Gruppe –9° und in der Remplissage-Gruppe –13° (p=0,22). Die Außenrotation in Abduktion betrug in der Bankart-Gruppe –15,5°, in der Remplissage-Gruppe –18,5° (p=0,49). Die Elevation betrug in der Bankart-Gruppe –9°, in der Remplissage-Gruppe –14° (p=0,35). Die Innenrotation verringerte sich in der Bankart-Gruppe um zwei Dornfortsatzhöhen, in der Remplissage-Gruppe ebenso um zwei Dornfortsatzhöhen (p=0,22). Fünf Patienten in der Remplissage-Gruppe beklagten persistierende posterosuperiore Schmerzen (33%). In zehn Fällen nach Remplissage konnte eine Kernspintomographie ein Jahr postoperativ durchgeführt werden. In diesen Fällen fanden sich Hinweise dafür, dass die Hill-Sachs-Läsion mit Manschettengewebe gefüllt war. Insgesamt betrug die Rezidivrate der Instabilität bei Remplissage 6,7% [9].

Quantitative Analyse

Aus den Ergebnissen der quantitativen Analyse (Tab. 1) ergab sich die Beantwortung der vier Forschungsfragen. Der mittlere Anteil der arthroskopischen Remplissage plus Bankart-Repair im Verhältnis aller wegen Instabilitäten durchgeführten Operationen betrug 28% (vier Studien). Der Verlust an Außenrotation betrug zwischen 1,9° und 13° (zwei Studien). In 8,4% der Fälle kam es zu einer Rezidivinstabilität (vier Studien). Dorsale Schmerzen traten in 33% der Fälle auf (eine Studie).

Bewertung

Der Evidenzlevel der bisher veröffentlichten Studien zur arthroskopischen Behandlung der klinisch signifikanten Hill-Sachs-Läsion mit Bankart-Repair plus Remplissage ist als niedrig zu beurteilen. Zum einem liegen nur wenige Studien vor. Neben drei Level IV-Studien gibt es bislang nur eine Level II-Studie. Im Rahmen der eigenen Arbeit wurde versucht, durch Pooling der vorhandenen Daten und durch eine Metaanalyse die statistische Aussagekraft hinsichtlich der vier formulierten Forschungsfragen zu erhöhen. Nourrissat et al. schlugen aber bereits vor, dass nur eine prospektive komparative Studie mit den Schenkeln Remplissage versus keine Remplissage eine definitive Beurteilung der Wertigkeit dieses arthroskopischen Zusatzverfahrens zulässt [9].

Langzeitergebnisse zur Remplissage liegen nicht vor. Für die Operation nach Latarjet sind bereits verschiedene Komplikationen beschrieben worden. Hierzu gehören zum einen postoperative Hämatome, dann Frakturen des transferierten Prozessus coracoideus, transiente Paresen des N. musculus cutaneus, Pseudarthrosen oder Lysen des Prozessus coracoideus. Die sog. Luxationsarthropathie als Arthroseform wurde in schwerer Form bei 15% und in leichter Form bei 35% beschrieben [10]. Diese Probleme der Latarjet-Operation lassen die Remplissage aber als eine interessante Therapiealternative erscheinen. Die zur Remplissage berichtete Re-Luxationsrate von bis zu 15% wurde als vergleichbar mit aufwändigeren Eingriffen zur Behandlung von Hill-Sachs-Läsionen eingeschätzt [7].

Zhu et al. haben vorgeschlagen, dass die Indikation für eine arthroskopische Remplissage mit einem Bankart-Repair in einer in Funktionsstellung einrastenden Hill-Sachs-Läsion mit einer begleitenden Glenoidläsion von weniger als 25% bei Patienten mit rekurrenter vorderer Instabilität gesehen werden kann. Zhu et al. betonten, dass die Remplissage lediglich komplementär zum Bankart-Repair anzuwenden ist und ein Einheilen der vorderen Kapselstrukturen der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Stabilisierung bei anteriorer Instabilität ist [8]. Hinsichtlich der chirurgischen Technik empfahlen Zhu et al., dass die Fäden direkt oberhalb des Fadenankers durch den Infraspinatus durchgeführt werden, um eine Verkürzung der Sehne durch eine zu weit medial liegende Naht zu vermeiden [8]. Ob hierdurch auch die mögliche Komplikation persistierender dorsaler Schulterschmerzen positiv zu beeinflussen ist, ist nicht bekannt. Nourissat at al. diskutierten, dass die wetterabhängigen Beschwerden sowie die Beschwerden bei Belastungen nach Remplissage möglicherweise durch ein nur teilweises Einheilen der Sehne in den Defekt bedingt sind. Ebenso könnten die Beschwerden durch ein Impingement zwischen dem posterioren Labrum und dem neuen Foot Print der Rotatorenmanschette bedingt sein. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Remplissage nur bei Patienten verwendet werden sollte, die nicht auf hohem Niveau Wettkampfsport betreiben.

Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen: Für vier relevanten und hier gepoolten Studien betrug der Anteil von Eingriffen mit arthroskopischer Remplissage in Relation zu allen operierten Instabilitäten 28%. Die vorliegenden Studien erlauben eine Bewertung hinsichtlich der zu erwartenden Bewegungseinschränkung, die in der Regel mit bis zu –13° für die Außenrotation am hängenden Arm gering ausfällt. Die vorliegenden Studien erlauben eine Bewertung hinsichtlich der zu erwartenden Rezidivrate nach arthroskopischer Remplissage von 8,4%. Die vorliegenden Studien erlauben eine eingeschränkte Bewertung hinsichtlich zu erwartender dorsaler Restbeschwerden nach arthroskopischer Remplissage von 33%. Die vorliegenden Studien erlauben keine Bewertung der tatsächlichen stabilisierenden Wirkung der Remplissage. Die vorliegenden Studien erlauben keine Bewertung der Langzeiteffekte auf Stabilität, Funktion und Vermeidung bzw. Induktion von arthrotischen Veränderungen des Glenohumeralgelenkes im mittleren bis Langzeitverlauf.

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Marius von Knoch

Klinik für Orthopädie und
Endoprothetik, Schulterzentrum

Klinikum Bremerhaven Reinkenheide gGmbH

Postbrookstrasse 103

27574 Bremerhaven

E-Mail: mariusvonknoch@yahoo.com

Literatur

1. Burkhart SS, De Beer JF. Traumatic glenohumeral bone defects and their relationship to failure of arthroscopic Bankart repairs: significance of the inverted-pear glenoid and the humeral engaging Hill-Sachs lesion. Arthroscopy. 2000 Oct;16(7):677–94.

2. Lafosse L, Boyle S. Arthroscopic Latarjet procedure. J Shoulder Elbow Surg. 2010 Mar;19 (2 Suppl):2–12.

3. Purchase RJ, Wolf EM, Hobgood ER, Pollock ME, Smalley CC. Hill-sachs „remplissage“: an arthroscopic solution for the engaging hill-sachs lesion. Arthroscopy. 2008 Jun;24(6):723–6.

4. Deutsch AA, Kroll DG. Decreased range of motion following arthroscopic remplissage. Orthopedics. 2008 May;31(5): 492.

5. Koo SS, Burkhart SS, Ochoa E. Arthroscopic double-pulley remplissage technique for engaging Hill-Sachs lesions in anterior shoulder instability repairs. Arthroscopy. 2009 Nov;25(11):1343–8.

6. Haviv B, Mayo L, Biggs D. Outcomes of arthroscopic „remplissage“: capsulotenodesis of the engaging large Hill-Sachs lesion. J Orthop Surg Res. 2011 Jun 15;6:29.

7. Park MJ, Tjoumakaris FP, Garcia G, Patel A, Kelly JD 4th. Arthroscopic remplissage with bankart repair for the treatment of glenohumeral instability with Hill-Sachs defects. Arthroscopy. 2011 Sep; 27(9):1187–94. Epub 2011 Aug 6.

8. Zhu YM, Lu Y, Zhang J, Shen JW, Jiang CY. Arthroscopic Bankart repair combined with remplissage technique for the treatment of anterior shoulder instability with engaging Hill-Sachs lesion: a report of 49 cases with a minimum 2-year follow-up. Am J Sports Med. 2011 Aug; 39(8):1640–7.

9. Nourissat G, Kilinc AS, Werther JR, Doursounian L. A prospective, comparative, radiological, and clinical study of the influence of the „remplissage“ procedure on shoulder range of motion after stabilization by arthroscopic bankart repair. Am J Sports Med. 2011 Oct; 39(10):2147–52.

10. von Knoch M. Der Coracoidtransfer nach Latarjet als Reserveoperation zur Stabilisierung des Schultergelenkes. Orthop Praxis 2011 Juni: 286–288.

Fussnoten

1 Klinik für Orthopädie und Endoprothetik, Klinikum Bremerhaven, Bremerhaven

2 Abteilung Orthopädie, Universitätsmedizin, Georg-August-Universität, Göttingen

DOI 10.3238/oup.2012.0160-0166

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4