Originalarbeiten - OUP 04/2012

Die Behandlung der anteroinferioren Instabilität mit signifikanter Hill-Sachs-Läsion durch arthroskopische Remplissage – ein systematischer Review
Treatment of anteroinferior shoulder instability in the presence
of significa

Nourissat et al. veröffentlichten 2011 eine prospektive, vergleichende Kohorten-Studie zum Einfluss der arthroskopischen Remplissage auf die postoperative Beweglichkeit (Level II). Die Autoren verglichen eine Gruppe von arthroskopischem Bankart-Repair von 17 Fällen mit einer Gruppe von arthroskopischem Bankart-Repair mit arthroskopischer Remplissage von 15 Fällen. Die Entscheidung zur arthroskopischen Remplissage wurde präoperativ getroffen. Anhand einer anteroposterioren Röntgenaufnahme wurde überprüft, ob eine Hill-Sachs-Läsion sichtbar war. Wenn dies der Fall war, wurde eine arthroskopische Remplissage indiziert. Funktionelle, intraoperative Kriterien (einrastend versus nicht einrastend) wurden nicht berücksichtigt. Chirurgisch wurde ein superiorer Anker in den Hill-Sachs-Defekt eingebracht, hiernach ein inferiorer. Hiernach wurde ein arthroskopischer Bankart-Repair mit drei Fadenankern und sechs Nähten durchgeführt. Hiernach wurden die Fäden der Remplissage verknotet. Die Nachbehandlung erfolgte mit einer Schlinge für sechs Wochen postoperativ, wobei ab der 4. Woche postoperativ passiv beübt wurde. Die Außenrotation wurde vermieden. Ab der 7. postoperativen Woche wurde die aktive Mobilisation durchgeführt. Das mittlere Alter der Patienten in der Gruppe mit bloßem arthroskopischem Bankart-Repair betrug 24 +/-6 Jahre, das mittlere Alter in der Gruppe mit arthroskopischem Bankart-Repair und Remplissage betrug 24 +/- 8 Jahre. Der mittlere Follow-up betrug 28 Monate in der Bankart-Gruppe und 27 Monate in der Remplissage-Gruppe. In jeder Gruppe trat eine erneute Luxation auf (gesamte Re-Luxationsrate 6,25%). In der Bankart-Gruppe trat die erneute Luxation 20 Monate postoperativ bei einer Patientin mit Hyperlaxizität ohne Trauma auf. Diese Patientin wollte keine erneute Operation durchführen lassen. In der zweiten Gruppe mit Remplissage trat die Luxation 18 Monate postoperativ im Rahmen eines epileptischen Anfalls durch. In diesem Fall wurde eine arthroskopische Latarjet-Operation durchgeführt. Die Außenrotation am hängenden Arm ein Jahr postoperativ betrug in der Bankart-Gruppe –9° und in der Remplissage-Gruppe –13° (p=0,22). Die Außenrotation in Abduktion betrug in der Bankart-Gruppe –15,5°, in der Remplissage-Gruppe –18,5° (p=0,49). Die Elevation betrug in der Bankart-Gruppe –9°, in der Remplissage-Gruppe –14° (p=0,35). Die Innenrotation verringerte sich in der Bankart-Gruppe um zwei Dornfortsatzhöhen, in der Remplissage-Gruppe ebenso um zwei Dornfortsatzhöhen (p=0,22). Fünf Patienten in der Remplissage-Gruppe beklagten persistierende posterosuperiore Schmerzen (33%). In zehn Fällen nach Remplissage konnte eine Kernspintomographie ein Jahr postoperativ durchgeführt werden. In diesen Fällen fanden sich Hinweise dafür, dass die Hill-Sachs-Läsion mit Manschettengewebe gefüllt war. Insgesamt betrug die Rezidivrate der Instabilität bei Remplissage 6,7% [9].

Quantitative Analyse

Aus den Ergebnissen der quantitativen Analyse (Tab. 1) ergab sich die Beantwortung der vier Forschungsfragen. Der mittlere Anteil der arthroskopischen Remplissage plus Bankart-Repair im Verhältnis aller wegen Instabilitäten durchgeführten Operationen betrug 28% (vier Studien). Der Verlust an Außenrotation betrug zwischen 1,9° und 13° (zwei Studien). In 8,4% der Fälle kam es zu einer Rezidivinstabilität (vier Studien). Dorsale Schmerzen traten in 33% der Fälle auf (eine Studie).

Bewertung

Der Evidenzlevel der bisher veröffentlichten Studien zur arthroskopischen Behandlung der klinisch signifikanten Hill-Sachs-Läsion mit Bankart-Repair plus Remplissage ist als niedrig zu beurteilen. Zum einem liegen nur wenige Studien vor. Neben drei Level IV-Studien gibt es bislang nur eine Level II-Studie. Im Rahmen der eigenen Arbeit wurde versucht, durch Pooling der vorhandenen Daten und durch eine Metaanalyse die statistische Aussagekraft hinsichtlich der vier formulierten Forschungsfragen zu erhöhen. Nourrissat et al. schlugen aber bereits vor, dass nur eine prospektive komparative Studie mit den Schenkeln Remplissage versus keine Remplissage eine definitive Beurteilung der Wertigkeit dieses arthroskopischen Zusatzverfahrens zulässt [9].

Langzeitergebnisse zur Remplissage liegen nicht vor. Für die Operation nach Latarjet sind bereits verschiedene Komplikationen beschrieben worden. Hierzu gehören zum einen postoperative Hämatome, dann Frakturen des transferierten Prozessus coracoideus, transiente Paresen des N. musculus cutaneus, Pseudarthrosen oder Lysen des Prozessus coracoideus. Die sog. Luxationsarthropathie als Arthroseform wurde in schwerer Form bei 15% und in leichter Form bei 35% beschrieben [10]. Diese Probleme der Latarjet-Operation lassen die Remplissage aber als eine interessante Therapiealternative erscheinen. Die zur Remplissage berichtete Re-Luxationsrate von bis zu 15% wurde als vergleichbar mit aufwändigeren Eingriffen zur Behandlung von Hill-Sachs-Läsionen eingeschätzt [7].

Zhu et al. haben vorgeschlagen, dass die Indikation für eine arthroskopische Remplissage mit einem Bankart-Repair in einer in Funktionsstellung einrastenden Hill-Sachs-Läsion mit einer begleitenden Glenoidläsion von weniger als 25% bei Patienten mit rekurrenter vorderer Instabilität gesehen werden kann. Zhu et al. betonten, dass die Remplissage lediglich komplementär zum Bankart-Repair anzuwenden ist und ein Einheilen der vorderen Kapselstrukturen der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Stabilisierung bei anteriorer Instabilität ist [8]. Hinsichtlich der chirurgischen Technik empfahlen Zhu et al., dass die Fäden direkt oberhalb des Fadenankers durch den Infraspinatus durchgeführt werden, um eine Verkürzung der Sehne durch eine zu weit medial liegende Naht zu vermeiden [8]. Ob hierdurch auch die mögliche Komplikation persistierender dorsaler Schulterschmerzen positiv zu beeinflussen ist, ist nicht bekannt. Nourissat at al. diskutierten, dass die wetterabhängigen Beschwerden sowie die Beschwerden bei Belastungen nach Remplissage möglicherweise durch ein nur teilweises Einheilen der Sehne in den Defekt bedingt sind. Ebenso könnten die Beschwerden durch ein Impingement zwischen dem posterioren Labrum und dem neuen Foot Print der Rotatorenmanschette bedingt sein. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Remplissage nur bei Patienten verwendet werden sollte, die nicht auf hohem Niveau Wettkampfsport betreiben.

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