Übersichtsarbeiten - OUP 03/2018

Die Behandlung der distalen Humerusfraktur bei geriatrischen Patienten

Aufgrund der komplexen Gesamtsituation sollte präoperativ ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit dem Patienten sowie den Angehörigen erfolgen. Hier muss insbesondere auch auf die zugangsassoziierte Morbidität wie heterotope Ossifikationen sowie Pseudarthrosen im Bereich der Olecranonosteotomie und die mögliche Notwendigkeit einer Metallentfernung eingegangen werden.

Operative Technik

Typischerweise wird der Patient in Bauchlage gelagert. Es erfolgt ein gerader posteriorer Hautschnitt. Bei intraartikulären Frakturen verwenden wir grundsätzlich eine Olecranonosteotomie, da diese eine adäquate Exposition des Gelenks ermöglicht. Zudem lässt sich die Fixation der Gelenkfragmente besser und schneller erzielen. Zur Refixation der Olecranons stehen zudem heutzutage präkonturierte Platten zur Verfügung, mit denen das Olecranon sicher und schnell am Ender der Operation refixiert werden kann. Der posteriore „Triceps on“-Zugang (Alonso Llames) wird nur bei extraartikulären oder einfachen intraartikulären Frakturen verwendet.

Unter Lupenbrillensicht wird der Nervus ulnaris dargestellt, dieser wird angezügelt und während der ganzen Operation visualisiert, insbesondere bei Implantation der Platten, um eine Verletzung zu vermeiden. Im ersten Schritt erfolgt die Rekonstruktion des Gelenkblocks und die Wiederherstellung der Länge, Achse und Rotation. Technisch anspruchsvoll ist das Management von Defekten im Bereich der Trochlea. Um die Breite der Trochlea wieder herzustellen, müssen Stellschrauben verwendet und knöcherne Defekte mit Knochenersatzmaterial aufgefüllt werden. Häufig ist auch das Capitulum-Fragment in den radialen Pfeiler imprimiert. Dieses muss angehoben und abgestützt werden. Besteht eine supracondyläre Defektzone, kann eine Verkürzung im metaphysären Bereich durchgeführt werden, um eine stabile Fixation des Gelenkblocks am Schaft zu erzielen. Aufgrund des engen periartikulären Raums empfiehlt sich der Einsatz präkonturierter winkelstabiler Platten für den distalen Humerus [7, 9]. Intraoperativ erfolgt zum Abschluss noch eine dynamische Untersuchung unter Durchleuchtung, um eine freie uneingeschränkte Beweglichkeit zu überprüfen.

Endoprothetischer
Ellengelenkersatz

Aufgrund der potenziell verheerenden Komplikationen und der Einschränkung bezüglich der Belastbarkeit ist eine sorgfältige Patientenauswahl essenziell. Die Indikation zum endoprothetischen Gelenkersatz ergibt sich bei komplexen Frakturen mit nicht mehr rekonstruierbarem Gelenkblock, hier insbesondere weit distal liegende sogenannte „Low plane“-Frakturen sowie ausgeprägter Osteoporose und präexistenter Arthrose [3]. Vermieden werden sollte auf jeden Fall ein Osteosyntheseversuch da die Komplikationsrate bei endoprothetischem Ersatz nach Osteosyntheseversagen im Vergleich zur Primärimplantation deutlich erhöht ist [4].

Bei geeigneten Patienten lässt sich durch den endoprothetischen Gelenkersatz ein funktionell gutes Ergebnis erzielen [4]. Die Patienten müssen jedoch die funktionellen Restriktionen in Bezug auf Hebebelastung von maximal 2,5 kg einhalten. Gute Ergebnisse liegen in der Literatur für sogenannte teilgekoppelte Prothesen vor. Durch die nicht starre Kopplung, dem sogenannten sloppy hinge, besteht ein Spiel von 6–8° Varus, Valgus und Rotationsbewegungen, die dazu führen, dass das Zement-Knochen-Interface weniger belastet wird. Hierdurch reduziert sich die Lockerungsrate. Das Prothesendesign ist nicht auf einen intakten Radiuskopf oder intakte Kollateralbänder angewiesen.

Operative Technik

Im Gegensatz zu der osteosynthetischen Versorgung erfolgt die Implantation der Ellengelenkprothese in der Originaltechnik nach Morray in Rückenlage. Es erfolgt ein gerader dorsaler Hautschnitt. Nach Darstellen des Nervus ulnaris wird der Gelenkblock über einen Triceps-on-Zugang dargestellt und die artikulären Fragmente entfernt. Besondere Aufmerksamkeit muss bei der Präparation der Ulna gewidmet werden. Hier ist es sinnvoll, mit einer kleinen Handfräse den intramedullären Eintritt in die Ulna zu präparieren. Postoperativ erfolgt die Ruhigstellung im Oberarmgips bis zur vollständigen Konsolidierung der Weichteile. Im Gegensatz zur Osteosynthese ist eine frühe Mobilisierung des Ellenbogens nicht notwendig. Das Abheilen der Weichteile hat hier oberste Priorität. Das funktionelle Ergebnis kann mit einem durchschnittlichen Bewegungsausmaß von 100° und akzeptablen Standzeiten als gut beurteilt werden [3].

Fazit für die Praxis

Sowohl mit Osteosynthese als auch durch den endoprothetischen Gelenkersatz lassen sich bei geriatrischen Patienten gute klinische Ergebnisse erzielen. Die Operationen sind jedoch technisch anspruchsvoll und mit einer potenziell hohen Komplikationsrate behaftet.

Interessenkonflikt: keine angegeben.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Ulrich C. Liener

Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie

Zentrum für Schwerbrandverletzte

Vinzenz von Paul Kliniken gGmbH

Marienhospital Stuttgart

Böheimstraße 37

70199 Stuttgart

ulrich.liener@vinzenz.de

Literatur

1. Aitken SA, Jenkins PJ, Rymaszewski L: Revisiting the ‘bag of bones’: Functional outcome after the conservative management of a fracture of the distal humerus. Bone Joint J 2015; 97-B: 1132–8

2. Charissoux JL, Vergnenegre G, Pelissier M, Fabre T, Mansat P: Epidemiology of distal humerus fractures in the elderly. Orthop Traumatol Surg Res 2013; 99: 765–9

3. Gambirasio R, Riand N, Stern R, Hoffmeyer P: Total elbow replacement for complex fractures of the distal humerus: An option for the elderly patient. J Bone Joint Surg Br 2001; 83: 974–8

4. Githens M, Yao J, Sox AH, Bishop J: Open reduction and internal fixation versus total elbow arthroplasty for the treatment of geriatric distal humerus fractures: A systematic review and metaanalysis. J Orthop Trauma 2014; 28: 481–8

5. Huang TL, Chiu FY, Chuang TY, Chen TH: The results of open reduction and internal fixation in elderly patients with severe fractures of the distal humerus: A critical analysis of the results. J Trauma 2005; 58: 62–9

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