Originalarbeiten - OUP 05/2012

Die Behandlung komplexer atypischer
Klumpfüße mit der modifizierten Ponseti-Redression
The treatment of complex atypical clubfeet with
the modified Ponseti method

O. Eberhardt1, C.D. Peterlein2, F. Fernandez1, T. Wirth1

Studienziel: Die Ponseti-Methode hat sich als Therapiekonzept für die Behandlung des kongenitalen Klumpfußes etabliert und weist eine hohe Primärkorrekturrate auf. Für den atypischen komplexen Klumpfuß wurde von Ponseti eine modifizierte Redressions- und Gipstechnik beschrieben. Ziel dieser Arbeit ist es, die Methode darzustellen und die Effektivität der modifizierten Redressionstechnik für die atypischen Klumpfüße zu überprüfen.

Methode: Zwischen dem 1.1.05 und dem 31.12.08 wurden 168 Patienten mit einem kongenitalen Klumpfuß behandelt. Bei 9 Patienten mit 16 Klumpfüßen wurde bei atypischem Klumpfuß die modifizierte Ponseti-Technik angewendet. Die Patienten wurden prospektiv erfasst. Dokumentiert wurden Gipsanzahl bis zur Korrektur, Zahl der durchgeführten Tenotomien, Rezidivrate und funktionelles Ergebnis mit Dorsalextension und Plantarflexion. Das funktionelle Ergebnis wurde mit dem McKay-Score bewertet.

Resultate: Alle 16 Füße konnten mit der modifizierten Technik für den atypischen Klumpfuß primär korrigiert werden. Bei 15 Füßen erfolgte eine einmalige perkutane Tenotomie, ein Fuß wurde zweimalig tenotomiert. Der Untersuchungszeitraum betrug 36−70 Monate, im Durchschnitt 48,5 Monate. Die Dorsalextension lag im Durchschnitt bei 17,5° die Plantarflexion bei 41,2°. Der McKay-Score lag zwischen 150 und 180 Punkten (Ø 169). Die Rezidivrate lag bei 19% (3/16 Füßen). Ein posteromediales Release oder peritalares Release war in keinem der Fälle notwendig.

Schlussfolgerung: Die von Ponseti modifizierte Redressions- und Gipstechnik für den sogenannten atypischen Klumpfuß führt auch in der Gruppe schwerster kongenitaler Klumpfüße zur Reduktion posteromedialer und peritalarer Release Operationen und zu guten funktionellen Ergebnissen.

Schlüsselwörter: Klumpfuß, atypischer Klumpfuß, Ponseti-Methode, Klumpfußbehandlung

Abstract: Most clubfeet can be treated with the Ponseti method. There is small number of very severe clubfeet. According to Turco these feet are called atypical clubfeet and they are resistant to the common Ponseti treatment. For these cases Ponseti himself modified his technique. We describe the modified technique and report about our results in 16 cases.

Keywords: clubfoot, atypical clubfoot, Ponseti method, clubfoot treatment

Einleitung

Die Ponseti-Methode hat sich als Therapiekonzept zur Korrektur des idiopathischen Klumpfußes etabliert. Die Mehrzahl der Klumpfüße kann damit erfolgreich behandelt werden. Die Erfolgsrate der Primärkorrektur wird in der Literatur zwischen 88 und 100 angegeben [1−6]. Einige Klumpfüße sind jedoch der üblichen Ponseti-Methode schwer zugänglich und benötigten bisher weiterhin eine operative Korrektur mit posteromedialem oder peritalarem Release [2, 3, 5, 7, 8]. Diese schweren kongenitalen Klumpfüße werden auch als teratologische Klumpfüße bezeichnet [9]. Nach Diméglio werden sie als „stiff-stiff“ klassifiziert und als pseudoarthrogrypotisch eingestuft [10]. Im deutschen Sprachraum spricht man häufig vom sogenannten rebellischen Klumpfuß. Turco beschrieb diese Klumpfüße als therapierefraktär und warnte vor allem vor einem operativen Vorgehen [11]. Er bezeichnete diese Füße als atypische Klumpfüße, welche nach einer Gipsbehandlung zum Teil in einer grotesken Deformität endeten [11]. Im Gegensatz zum typischen idiopathischen Klumpfuß ist das charakteristische Erscheinungsbild dieser atypischen Klumpfüße gekennzeichnet durch eine quere plantare Falte, einen verkürzten ersten Strahl und eine tiefe dorsale Falte. Der atypische Klumpfuß ist kurz, plump und weist eine ausgeprägte Spitzfußstellung auf (Abb.1a, b). Die Achillessehne ist breit und die Muskulatur schmächtig ausgebildet. Der Begriff des atypischen Klumpfußes wurde von Ponseti wieder aufgegriffen [12]. Er entwickelte basierend auf den Erfahrungen seines Redressionskonzeptes für den idiopathischen Klumpfuß eine modifizierte Redression für die atypischen komplexen Klumpfüße (Tab.1) [12,13]. Wir berichten über unsere Erfahrungen mit der von Ponseti modifizierten Gipsredression für den atypischen Klumpfuß.

Material und Methode

Zwischen 2005 und 2008 wurden 168 Patienten mit einem kongenitalen Klumpfuß behandelt. 9 Patienten mit 16 Klumpfüßen zeigten eine dem atypischen Klumpfuß entsprechende Deformität mit verkürztem ersten Strahl, querer plantarer Falte und ausgeprägtem Spitzfuß. Diese wurden mit der modifizierten Ponseti-Technik für den atypischen Klumpfuß behandelt.

Die Methode wurde im Original des Erstbeschreibers übernommen [12].

1. Korrektur der Adduktion mit üblicher Redression über den Taluskopf bis in die Neutralstellung unter beibehalten einer Spitzfuß- und Supinationsstellung

2. Korrektur der plantaren Falte und Steilstellung der Metatarsalia durch Dorsalextension im Mittelfußbereich (Redressionsgriff Abb. 2a−c)

3. Weitere Abduktion von 20−30°, dann perkutane Tenotomie der Achillessehne (Abb. 3)

4. Abduktion des Fußes nach Tenotomie bis 40° (Abb. 4)

5. Anlage des Gipses in 100−110°-Flexion

6. Anlage der Fußabduktionsschiene zur Rezidivprophylaxe mit 40° Abduktion (Abb. 5)

Die Patienten wurden prospektiv erfasst und im Verlauf nachuntersucht. Der Schweregrad der Deformität wurde mit dem Pirani-Score dokumentiert. Die Gipswechsel erfolgten in einem Abstand zwischen 5 und 7 Tagen. Erfasst wurden Gipsanzahl bis zur Korrektur, Anzahl der notwendigen perkutanen Tenotomien, Rezidive und Rezidivoperationen sowie klinisches Ergebnis mit Rückfußstellung, Dorsalextension und Plantarflexion. Das funktionelle Ergebnis wurde mit dem McKay-Score bewertet. Ausgewertet wurden zudem die Röntgenbilder. Ausschlusskriterien für die Studie waren Klumpfüße bei neurologischen und syndromalen Erkrankungen.

Ergebnisse

Zwischen dem 1.1.2005 und dem 31.12.2008 wurden 168 Patienten mit einem kongenitalen Klumpfuß behandelt. 9 Patienten mit 16 Klumpfüßen hatten einen atypischen Klumpfuß. Es handelte sich um 7 Mädchen und 2 Knaben. Bei 7 Kindern erfolgte auswärtig der Versuch der Klumpfußkorrektur mit einer klassischen Ponseti-Redression. Die Patienten wurden zur Weiterbehandlung an unser Klinikum überwiesen. Bei allen 7 Kindern (13 Füße) waren die auswärtig angelegten Gipse gerutscht. 2 Kinder mit 3 atypischen Klumpfüßen hatten keine Vorbehandlung. Der Pirani-Score lag zwischen 5,5 und 6 Punkten (Ø 5,6). Der Behandlungsbeginn an unserer Klinik lag zwischen dem 8. und 108. Lebenstag (Ø 54,1). Die Gipsanzahl zur Korrektur lag zwischen 5 und 9 Gipsen (Ø 6,8). In allen Fällen wurde eine perkutane Tenotomie der Achillessehne durchgeführt. Ein Fuß wurde im Abstand von 8 Wochen zweimalig tenotomiert. In einem durchschnittlichen Untersuchungszeitraum von 48,5 Monaten (36−70 Monate) kam es bei 2 Kindern mit 3 Klumpfüßen zu Rezidiven. In einem Fall erfolgte bei einem Spitzfußrezidiv eine dorsale Arthrolyse. Bei einem Kind mit bilateralem Klumpfuß erfolgte die Rezidivkorrektur beidseits mit Rezidivgipsen, dorsaler Arthrolyse und Tibialis-anterior-Transfer.

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