Originalarbeiten - OUP 05/2012

Die Behandlung komplexer atypischer
Klumpfüße mit der modifizierten Ponseti-Redression
The treatment of complex atypical clubfeet with
the modified Ponseti method

Im Gesamtkollektiv lag die Dorsalextension zwischen 0 und 25° (Ø 17,5°). Die Plantarflexion lag zwischen 30 und 50° (Ø 41,2°). Die Rückfußstellung war bei 9 Füßen neutral und bei 7 Füßen 10° valgus. Eine plantare Falte war nur in einem Fall noch angedeutet sichtbar. Der McKay-Score lag zwischen 150 und 180 Punkten (Ø 169). Damit konnten in dem angegebenen Untersuchungszeitraum 8 sehr gute und 7 gute Ergebnisse erreicht werden (Abb. 6a−f). In einem Fall war nach posteriorem Release nur eine plantigrade Stellung zu erreichen. Der talocalcaneare Winkel lag in der a.p.-Aufnahme zwischen 18 und 34° (Ø 23,7°) und in der seitlichen Aufnahme zwischen 21 und 45° (Ø 31,4°). Eine Talusnekrose war in keinem der Fälle radiologisch zu sehen. Bei 2 Füßen zeigte sich bei gutem funktionellem Ergebnis ein medialisiertes Os naviculare. Der talocalcaneare Öffnungswinkel lag dabei in der a.p.- Aufnahme nur bei 18°.

Diskussion

Eine kleine Anzahl kongenitaler Klumpfüße unterscheidet sich im äußeren Erscheinungsbild vom typischen idiopathischen Klumpfuß. Nach Turco handelt es sich um den sogenannten atypischen Klumpfuß mit ausgeprägtem Spitzfuß, querer plantarer Falte und verkürztem ersten Strahl [11]. Radiologisch auffälligstes Merkmal ist die Steilstellung aller Metatarsalia. Die Cavusdeformität wird daher nicht nur durch die Steilstellung des ersten Strahls, sondern durch die Steilstellung aller Metatarsalia verursacht. Klinischer Ausdruck dieser Cavuskomponente ist die quere, plantare Falte (Abb. 1b). Ponseti stellte fest, dass sich die Adduktion dieser Füße einfach mit der von ihm beschriebenen klassischen Methode mit Redression über den Taluskopf beheben lässt. Bei Erreichen der Neutralstellung vonseiten der Adduktions-/Abduktionsebene treten jedoch mit der üblichen Technik, aufgrund der Rigidität im Subtalargelenk, Probleme auf und eine Fußkorrektur ist nur schwer möglich [12]. Zur Korrektur dieser komplexen Deformität wurde von Ponseti die Redressionstechnik verändert. Zur Korrektur des Cavus und zum Ausgleich der plantaren Falte wurde ein modifizierter Redressionsgriff eingeführt.

Beide Hände fassen den Klumpfuß. Die Mittelfinger werden vor dem Malleolus medialis und lateralis angelegt. Beide Daumen greifen plantar an und drücken den Mittelfuß in die Dorsalextension (Abb. 2a−c). Gleichzeitig mit Korrektur des Cavus wird eine milde Abduktion angestrebt. Im Gegensatz zur klassischen Ponseti-Technik, bei welcher die Tenotomie der Achillessehne bei 50−70° Abduktion durchgeführt wird, erfolgt die Tenotomie der Achillessehne beim atypischen Klumpfuß bei 20−30° [13]. Nach der Tenotomie kann dann weiter auf 40° abduziert werden (Abb. 4). Eine 70°-Abduktionsstellung wie in der klassischen Ponseti-Technik wird nicht angestrebt. Auch die Gipsanlage wurde in dem Protokoll für den atypischen Klumpfuß geändert. Um einem Rutschen des Gipses entgegenzuwirken, wird der Oberschenkelgips in bis zu 110°-Flexion angelegt. Nach abgeschlossener Gipsbehandlung erfolgt die Anlage einer Fußabduktionsschiene nur in 40° Abduktion [12].

Ponseti et al. [12] untersuchten an 5 Institutionen 762 Patienten mit kongenitalen Klumpfüßen, welche zwischen 1992 und 2004 behandelt wurden. 50 Patienten mit 75 Klumpfüßen hatten einen atypischen Klumpfuß. Eine Korrektur mit der modifizierten Ponseti-Technik konnte bei allen Füßen erreicht werden. Die Dorsalextension lag nach Korrektur zwischen 10 und 25°(Ø 15°). Eine radiologische Untersuchung war nicht erfolgt, was auch als Limitierung der Studie angegeben wurde. Derzeit existiert nur die von Ponseti et al. publizierte Serie über diese modifizierte Redressionstechnik [12]. Im Rahmen einer Hospitation konnten wir die Technik bereits vor der Publikation 2006 erlernen und führten die modifizierte Technik 2005 an unserem Klinikum ein. In unserer Serie behandelten wir zwischen 2005 und 2008 9 Kinder mit 16 atypischen Klumpfüßen. Der prozentuale Anteil atypischer Füße an unserem Klinikum entsprach in etwa der von Ponseti et al. beschriebenen Häufigkeit. Im Kollektiv von Ponseti et al. waren 6,5% atypische Füße. Bei 168 Patienten, welche an unserer Klinik zwischen 2005 und 2008 mit einem kongenitalen Klumpfuß behandelt wurden, hatten 9 Kinder (5,9%) einen atypischen Klumpfuß. Auffällig war, dass bei 7 von 9 Kindern, welche zuvor auswärtig mit einer klassischen Ponseti-Redression behandelt wurden, die Gipse gerutscht waren und es zu einer Verstärkung der Deformität kam. Dies deckt sich mit den Angaben von Turco, welcher auch die Gipsredression in dieser Gruppe als problematisch sah [11]. Die Probleme des Rutschens eines Klumpfußgipses sind in der Literatur bestens bekannt. Unterschiedliche Lösungsansätze wurden beschrieben. Zum einen werden Hautkleber verwendet und auf eine Wattepolsterung weitgehend verzichtet, zum anderen verweist Ponseti auf eng angelegte Gipsbinden mit einer guten Modellierung und einer sehr dünnen Wattepolsterung [12,13].

Wir haben bei 16 atypischen Klumpfüßen das modifizierte Ponseti-Protokoll angewendet. Bei allen Füßen konnte eine Primärkorrektur mit der modifizierten Redression und einer perkutaner Achillotenotomie erreicht werden. Die Dorsalextension lag im Durchschnitt bei 17,5° und die Plantarflexion durchschnittlich bei 41,2° und waren damit vergleichbar gut wie die funktionellen Ergebnisse von nicht atypischen Klumpfüßen, welche mit der klassischen Ponseti-Methode behandelt wurden [5, 6, 15−17]. Die Rezidivrate lag bei einem durchschnittlichen Untersuchungszeitraum von 48,5 Monaten bei 19% (3 von 16 Füßen). Die Rezidivrate lag in der Studie von Ponseti et al. bei 14 % [12]. Damit war die Rezidivrate geringer als die Rezidivraten bei Studien zur klassischen Ponseti-Technik [15−17]. Dies ist in unserer Serie am ehesten auf eine hohe Schienencompliance zurückzuführen. Lediglich bei einem Kind wurde die Schiene unregelmäßig getragen. Die Anzahl der notwendigen Gipse zur Korrektur lag zwischen und 5 und 9 (Ø 6,8 Gipse). In unserer 2006 publizierten Serie zur klassischen Ponseti-Methode lag die Gipsanzahl zur Korrektur des typischen idiopathischen Klumpfußes bei 5,7 Gipse [6]. Damit war die Gipsanzahl, welche zur Korrektur der atypischen Klumpfüße notwendig war, etwas höher als bei Studien der klassischen Ponseti-Technik [1−6]. Die von Ponseti et al. angegebene Technik eines Klumpfußgipses mit sehr dünner Wattepolsterung, Flexion 110° im Kniegelenk und guter Modellierung eines Weißgipses ermöglichte uns, schwere Klumpfußdeformitäten erfolgreich zu behandeln. Keiner unserer Gipse war gerutscht. Der Redressionsgriff zur Korrektur des Cavus mit Anheben des gesamten Mittelfußes ist aus unserer Sicht mit äußerster Sorgfalt durchzuführen. Der Talus darf dabei nicht in die Malleolengabel gepresst werden. Damit könnte ein sog. Nussknackereffekt entstehen, was zu einer Talusnekrose führen kann.

SEITE: 1 | 2 | 3