Übersichtsarbeiten - OUP 01/2020

Die endoskopische Karpaldachspaltung
Historische Entwicklung und aktueller Stand

Nachbehandlung: Wir empfehlen eine Handgelenkschiene durchgehend für 3 Tage und anschließend noch 1 Woche nachts. Fadenzug nach ca. 12 Tagen.

Lernkurve

Hinsichtlich der Lernkurve sind in der Literatur keine klaren Angaben zu finden. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass diese flach und komplikationsreich ist [18, 3]. Ein genauer Rahmen im Hinblick auf Zeitumfang, Komplikationen und Patientenzahl wird nicht angegeben. Prinzipiell ist das Beherrschen der offenen Karpaldachspaltung und möglicher Komplikationen unabdingbar, bevor der Einstieg in das endoskopische Verfahren begonnen wird. Hospitationen bei einem in dieser Technik erfahrenen Kollegen, oder zumindest der Besuch eines Trainings-Labs mit Techniktraining am Leichenpräparat wird gefordert. Unverändert gilt der von Brug geprägte Satz: „Ebenso wenig, wie eine Fluggesellschaft für den Absturz eines Flugzeuges die learning curve des Piloten in Anspruch nehmen kann, darf dieses Argument bei der endoskopischen Durchtrennung des N. medianus in Anspruch genommen werden“ [zitiert in 39]. In einer eigenen Studie wurde vor Einführung der Technik die Lernphase prospektiv in einem Zeitraum von 7 Monaten an 52 Patienten konsekutiv erfasst und ausgewertet (Abb. 12) [37]. Betrachtet man diese Daten, kann von einer Initialphase (erstes Drittel, Patienten 1–17), einer Konsolidierungsphase (Patient 18–34) und einer stabilen Phase (letztes Drittel, Patient 35–52) ausgegangen werden. In der Initialphase betrug die durchschnittliche Operationszeit 11,8 min. Bei unklaren intraoperativen Sichtverhältnissen erfolgten 2 Umstiege auf ein offenes Verfahren. In der Konsolidierungsphase kam es immer noch zu mäßigen Schwankungen der Op-Zeit mit einem Mittelwert von 8 min. Nach 30 Patienten und einer Lernphase von 4 Monaten verlief die endoskopische Karpaldachspaltung reproduzierbar stabil, mit einer durchschnittlichen Op-Zeit von 5,5 Minuten. 16 von 52 Patienten wiesen postoperativ ein geringes, 6 ein deutliches, nicht aber revisionspflichtiges Hämatom auf. 9 Patienten gaben postoperativ geringe (bis VAS 2), eine Patientin deutliche (VAS 4) postoperative Schmerzen an. Während des gesamten Verlaufs kam es zu keinen größeren, bzw. revisionspflichtigen Komplikationen.

Diskussion

Die endoskopische Karpaldachspaltung hat sich Mitte der 1980er Jahre als Therapieoption bei einem operationspflichtigen Karpaltunnelsyndrom entwickelt. Zu dieser Zeit war vor allem der kleine Schnitt ein Benefit gegenüber der klassischen Operation mit langem, die Handgelenkbeugefalten kreuzendem Zugang. Der Vorteil der geringeren, unauffälligen Narbenbildung, insbesondere bei der 1-Portal-Technik, wurde durch systemimmanente Anfangsprobleme mit deutlich erhöhten Komplikationsraten zunächst egalisiert. Verbesserungen in Instrumententechnik mit aus- und einklappbaren Skalpellklingen, Entwicklungen in Optik und Bildauflösung, aber auch neue Präparationstechniken und Wege, beispielweise von trans- nach extrabursal senkten die Komplikationsrate deutlich.

Um die Probleme des langen Standardzugangs in den Griff zu bekommen, ohne gleichzeitig auf endoskopische Technik zurückgreifen zu müssen, wurde parallel die offene Karpalkanalchirurgie weiterentwickelt. Erste Publikationen zu Limited-open-release-Prozeduren und zum Mini-open-Zugang erschienen in den 1990er Jahren. Um eine zuverlässige direkte Sicht auf den N. medianus zu erlangen, musste der Schnitt nach wie vor im Hohlhandbereich zwischen Thenar und Hypothenar gelegt werden, kleinere Querzugänge proximal des Handgelenks erlauben keine langstreckige Sicht auf den N. medianus. Durch die direkte Visualisierung des N. medianus können beim offenen Zugang auch zusätzliche Eingriffe im Karpalkanal durchgeführt werden. Dabei wird häufig die separate Neurolyse des motorischen Thenarasts bei Thenaratrophie und Verwachsungen des Asts beim Eintritt in die Thenarmuskulatur erwähnt. Ob diese Prozedur tatsächlich zielführend und überhaupt erforderlich ist, darf in Frage gestellt werden, da die Thenaratrophie in der Regel durch die gemeinsame Kompression sensibler und motorische Fasern unter dem Retinakulum Flexorum hervorgerufen wird. Außerdem zeigen die Ergebnisse nach ECTR, bei welcher der motorische Thenarast explizit nicht neurolysiert wird, keinen Nachteil zum offenen Verfahren, sondern im Gegenteil eher eine raschere Wiederherstellung der Muskelkraft. In einem Literaturreview, der 22.327 Fälle erfasst, berichtet Benson über eine geringere Rate an „major complications“ bei der ECTR (0,49 % vs. 0,19 %) [4]. Um die Zugangsmorbidität und das operative Trauma so gering wie möglich zu halten, ist unseres Erachtens die 1-Portal-Technik der 2-Portal-Technik vorzuziehen.

Der offene Zugang, egal ob klassisch oder mini-open, bedeutet, dass neben dem eigentlich zu durchtrennenden Ligamentum carpi transversum, sozusagen auf dem Weg dorthin, andere relevante Bestandteile, wie das subkutane Strukturfett, die Palmaraponeurose und Anteile der Hohlhandmuskulatur disseziert werden, und eine Denudierung des Karpalkanalinhalts die Folge ist. Um einem Einwachsen des N. medianus im Narbengewebe vorzubeugen und eine Luxation des Nervs und der Beugesehnen bei Handgelenkflexion zu minimieren, wurde empfohlen, das Karpaldach nach Durchtrennung im Sinne einer Erweiterungsplastik zu rekonstruieren [38], was sich jedoch nicht durchgesetzt hat.

Kontrovers wird in den Anfangsjahren der endoskopischen Karpaldachspaltung der Langzeiterfolg diskutiert. Chow berichtet über geradezu unglaubliche Rekurrenzraten (0,45 %) und Erfolgsraten mit nur geringen bis mäßiggradigen Beschwerden (3,9 %), ohne größere Komplikationen bei 2695 Operationen [9]. Ebenso erstaunlich erscheinen demgegenüber Daten von Kelly et al. mit Komplikationsraten von 38,1 % mit 9,6 % Revisionseingriffen [17]. Aktuellere Übersichtsarbeiten aus 2012 und 2015, die Komplikationsraten zwischen offenem und endoskopischem Verfahren vergleichen, zeigen übereinstimmend, dass bezüglich der Langzeitergebnisse keine signifikanten Unterschiede bestehen. Gleiches gilt für intraoperative Komplikationsrate bei OCTR- und ECTR-Verfahren. Allerdings scheint die ECTR tendenziell zu mehr transienten, reversiblen Nervenirritationen bei gleichzeitig weniger Narbenproblemen zu führen [11, 40]. Besonderes Augenmerk ist bei der Präparation und Durchtrennung des LCT auf einen Ramus communicans zu legen, der in 10 % unmittelbar distal des distalen Rands des LCT quer verläuft, die zugewandten Seiten von Ring- und Mittelfinger versorgt und durch seinen Verlauf besonders gefährdet ist [13].

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