Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Die juvenile Knochenzyste des Calcaneus

Calcaneusfrakturen sind häufig mit einer dauerhaften Beeinträchtigung der Funktion und deutlichen Einschränkungen im alltäglichen Leben des betroffenen Patienten assoziiert [15]. Bei einer zugrunde liegenden calcanearen Knochenzyste ist die Möglichkeit der anatomischen Rekonstruktion einer Fraktur aufgrund der deutlich reduzierten Knochensubstanz und der eierschalenartig ausgedünnten Kortikalis zusätzlich erschwert (Abb. 2). Insofern gilt es, potenziell frakturgefährdete Osteolysen des Fersenbeins korrekt zu diagnostizieren und zu therapieren.

Nicht selten fällt eine Osteolyse als Zufallsbefund auf. In der bildgebenden Diagnostik nach Distorsionen oder Sprunggelenkfrakturen ist dies keine absolute Seltenheit (Abb. 3). Kann in der weiterführenden Diagnostik eine simple Knochenzyste als Ursache der Osteolyse eruiert werden, so sollte auch bei beschwerdefreien Befunden ein mögliches Frakturrisiko abgeklärt und, falls notwendig, eine prophylaktische Therapie empfohlen werden.

Differenzialdiagnosen und Diagnostik

Sobald eine osteolytische Knochenläsion des Calcaneus konventionell radiologisch erkannt wird, ist eine weitere Abklärung mittels MRT indiziert. Zahlreiche tumorähnliche Läsionen können ebenso wie benigne und maligne Tumoren als Ursache der Osteolyse in Frage kommen. Eine aufschlussreiche Analyse hierzu bietet die Arbeit von Weger et al., welche bei der Analyse von 92 Osteolysen des Calcaneus in 38 Fällen (41 %) eine Diskrepanz zwischen radiologischem Befund und definitiver histopathologischer Diagnose feststellen konnten (Abb. 4) [16]. „Diard’s area 6“, also der Bereich zwischen den Haupttrabekelgruppen, war in dieser Multizenterstudie in 80 % der Fälle (n = 64) Ausgangspunkt der osteolytischen Knochenläsion. In 17 Fällen (18 %) war ein Malignom Ursache der Osteolyse. Diese Daten unterstreichen, dass vor der geplanten Operation einer unklaren Raumforderung eine genaue Analyse der radiologischen Befunde und ggf. eine histopathologische Verifizierung der Diagnose mittels Biopsie durch einen muskuloskelettalen Tumorexperten ratsam sind, um Fehldiagnosen und unnötige Eingriffe zu vermeiden.

Das intraossäre Lipom des Calcaneus kann von einer einfachen Knochenzyste in der konventionellen Röntgenuntersuchung nur dann unterschieden werden, wenn eine zentrale Verkalkung vorliegt (Abb. 5). Diese Verkalkungen sind typisch, aber nicht obligatorisch für ein intraossäres Lipom und werden als Nidus oder Sequestrum bezeichnet. Das intraossäre Lipom stellt wohl lediglich eine regressive Entwicklungsstufe der simplen Knochenzyste dar. Unterschiedliche Untersuchungen verschiedener Autoren kommen zu diesem Schluss [14, 17, 18, 19]. Histologische Analysen von Pogoda et al. zeigen, dass Läsionen, die radiologisch als intraossäre Lipome eingeschätzt werden, in der Tat simple Knochenzysten des Calcaneus sind [14]. Die für simple Knochenzysten typischen gitter- bzw. tennisnetzartigen Zystenwandanteile lassen sich regelmäßig auch bei intraossären Lipomen finden. Umgekehrt zeigen eigene Untersuchungen sowie Ergebnisse von Amling et al. [17], dass simple Knochenzysten des Calcaneus häufig zentrale Kalzifikationen aufweisen und nicht selten intraoperativ lipomatöse Anteile in der Knochenhöhle gefunden werden können. Ein Nebeneinander von Lipom und flüssigkeitsgefüllter Zyste ist bei einer hochauflösenden Ossoskopie nicht ungewöhnlich (Abb. 6) [20, 21]. Auch andere Autoren beobachten die Ablagerung von Fett in degenerierten einfachen Knochenzysten [22]. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass zwei Begriffe für ein und dieselbe Entität verwendet werden. Je nach Alter der Läsion lassen sich regelmäßig typische degenerative Veränderungen mit intraläsionalen Verkalkungen und einer lipomatösen Transformation feststellen. So lag im eigenen Patientengut das durchschnittliche Alter juveniler Knochenzysten des Calcaneus bei 19,4 Jahren, das für intraossäre Lipome bei 39,4 Jahren.

Neben dem intraossären Lipom ist die aneurysmatische Knochenzyste (AKZ) eine weitere wichtige, wenn auch seltene Differenzialdiagnose osteolytischer Läsionen des Calcaneus. Aufgrund ihres aggressiveren biologischen Verhaltens erfordert sie einen unterschiedlichen therapeutischen Ansatz. Bereits in der Diagnostik muss hier häufig ein anderer Weg eingeschlagen werden: Da das teleangiektatische Osteosarkom eine relevante Differenzialdiagnose der AKZ darstellt und bildgebend häufig nicht sicher ausgeschlossen werden kann, wird von einigen Experten für die Sicherung der Diagnose zunächst eine histopathologische Verifikation mittels (offener) Biopsie empfohlen. Bei der Diagnostik osteolytischer Läsionen des Calcaneus sind jedoch eine Vielzahl von Differenzialdiagnosen zu berücksichtigen [16]. Präoperative Röntgenaufnahmen des Fersenbeins und der benachbarten Knochenabschnitte in 2 Ebenen sind obligat, aber meist nicht ausreichend und sollten daher durch eine MRT- und eine CT-Untersuchung ergänzt werden [23]. Sollte eine osteolytische Läsion des Calcaneus durch die Schnittbildgebung nicht weiter eingegrenzt werden können, muss eine (offene) Probebiopsie diskutiert werden.

Weitere erwähnenswerte Differenzialdiagnosen stellen eine physiologische Rarefizierung der Trabekelstruktur im Wardschen Dreieck [24, 25] und sog. Vakatfett (DD Intraossäres Lipom) dar. An dieser Stelle ist deshalb festzuhalten, dass tumoröse Raumforderungen des Os calcis strikt von einer physiologischen Rarefizierung der calcanearen Knochenstruktur im zentralen ventralen Dreieck zwischen den Haupttrabekelgruppen differenziert werden müssen [24, 25]. Analog zum proximalen Femur existiert auch am Fersenbein ein Ward-Dreieck („Ward’s neutral triangle“ [26]), welches nach Diard et al. auch als „Area 6“ bezeichnet wird (Abb. 1) [2].

Prinzipiell muss jede andere potenzielle Ursache einer Osteolyse (Sarkom, Metastase, Osteomyelitis ...) in der Differenzialdiagnostik berücksichtigt werden. Im Röntgenbild ist die simple Knochenzyste charakterisiert durch eine vermehrt röntgentransparente Knochenläsion bzw. Osteolyse, welche meist meta-diaphysär gelegen ist und keine oder nur eine geringe Randsklerose aufweist (Typ Lodwick 1b).

Im Bereich der Röhrenknochen ist eine Expansion des betroffenen Knochenabschnitts möglich, am Calcaneus wird dieses Phänomen in der Regel nicht beobachtet. Die Kortikalis zeigt sich am Calcaneus häufig ausgedünnt, aber intakt, solange keine pathologische Fraktur eingetreten ist. Die CT zeigt einen homogen hypodensen Inhalt (HE-Werte 10–20) bei ausgedünnter Compacta [27]. Die Computertomografie bietet für pathologisch frakturierte Knochenzysten die exakteste Darstellung der Fragmente und erleichtert die präoperative Planung. In allen anderen Fällen bleibt die MRT für eine Schnittbildgebung juveniler Knochenzysten die Methode der Wahl. In der MRT zeigt sich gelegentlich eine feine Septierung der flüssigkeitsgefüllten Knochenhöhle, der flüssige Inhalt einer UBC nimmt gewöhnlich kein Kontrastmittel auf. Multiple Spiegelbildungen der serösen Flüssigkeit sind nicht typisch und nur bei frakturierten oder eingebluteten simplen Knochenzysten zu erwarten.

Therapie

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