Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Die juvenile Knochenzyste des Calcaneus

Obwohl die definitive Diagnose einer intraossären Läsion nur durch eine histopathologische Analyse möglich ist, sind CT und MRT des intraossären Lipoms und der juvenilen Knochenzyste sehr typisch und erlauben üblicherweise eine operative Versorgung ohne vorherige bioptische Sicherung der Diagnose. Die Indikation zur operativen Versorgung beider Entitäten besteht bei symptomatischen Fällen oder einer drohenden pathologischen Fraktur [14, 28, 29, 30]. Andere Autoren propagieren, asymptomatische Zufallsbefunde gar nicht zu operieren [31, 32]. Ausgehend von den Beobachtungen, dass calcaneare (simple) Knochenzysten und intraossäre Lipome möglicherweise eine gemeinsame Pathogenese teilen [33], empfehlen die Autoren deshalb, die Pogoda-Kriterien juveniler Knochenzysten des Calcaneus auch für intraossäre Lipome anzuwenden [14]. Eine weitere Indikation kann in ausgewählten Fällen die Tumorangst des Patienten darstellen. Der Wunsch des Patienten nach einer Operation sollte insbesondere bei asymptomatischen Zufallsbefunden genau diskutiert werden und eine individuelle Nutzen-Risiko-Analyse beinhalten. Der Indikation einer operativen Therapie muss immer eine gründliche Abklärung möglicher Differenzialdiagnosen des unklaren Fersenschmerzes vorausgehen, um eine Übertherapie zu vermeiden [34, 35, 36, 37].

Für die Behandlung calcanearer simpler Knochenzysten existiert eine Reihe etablierter Therapieverfahren. Diese reichen von perkutanen Kortison- oder Knochenmarkinjektionen bis hin zur offenen Kürettage und autologen Knochentransplantation. Daten zur Rezidivwahrscheinlichkeit variieren je nach Autor und Prozedur erheblich und liegen zwischen 20 und 50 % [38]. Das Risiko eines Rezidivs kann durch folgende chirurgische Schritte möglicherweise reduziert werden: mechanische Destruktion der Zystenwand (z.B. mit einer Kürette oder Diamantkopf-Hochgeschwindigkeitsfräse), Anwendung von chemischen oder thermischen intraoperativen Adjuvanzien (z.B. 95 % Ethanol, Phenol, Kryotherapie) oder die Schaffung eines Abflusses (kanülierte Schraube, Öffnung des angrenzenden Markraums) [4, 38, 39]. Verschiedene Studien zeigen, dass die minimalinvasive, endoskopische Therapie calcanearer Knochenzysten sehr gute Ergebnisse liefert [20, 40, 41]. Die eigene chirurgische Technik der calcanearen Ossoskopie vereint die Vorteile eines perkutanen, endoskopischen Verfahrens mit der Transplantation von allogenem, spongiösem Knochen [20, 21]. Wie das bisher einzige systematische Review von Levy et al. zur Behandlung juveniler Knochenzysten des Calcaneus gezeigt hat, ist eine operative Therapie mittels Kürettage und Auffüllung mit autologem oder allogenem Knochen allen anderen Therapieformen hinsichtlich Verbesserung des präoperativen Fersenschmerzes und knöcherner Konsolidierung überlegen [39].

Für die Auffüllung (Plombage) einer juvenilen Knochenzyste stehen prinzipiell drei verschiedene Materialien zu Verfügung: autologer Knochen, allogener Knochen und Knochenersatzmaterial. Eine Knochenzementplombe aus Polymethylmetacrylat (PMMA) ist bei dieser Art Knochentumor nicht indiziert und lediglich aggressiveren Läsionen wie der AKZ und dem Riesenzelltumor vorbehalten (Stage-3-Läsionen nach Enneking [42]). Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Füllmaterialien sind hinlänglich bekannt und beinhalten u.a. die „donor site morbidity“, unterschiedliches Potenzial der Osteoinduktion und -konduktion sowie eine mögliche Antigenität [43]. Nach Erfahrung der Autoren bietet allogene Spongiosa, welche bei Bedarf mit plättchenreichem Plasma („platelet-rich plasma“, PRP) oder Beckenkammaspirat angereichert werden kann, für die ossoskopische Behandlung juveniler Knochenzysten des Calcaneus den besten Kompromiss der o.g. Füllmaterialien [20, 21]. Auf Wunsch des Patienten kann auch ein bioresorbierbares, injizierbares Knochenersatzmaterial als Füllung der Knochenhöhle angeboten werden.

Die Prognose der einkammerigen juvenilen Knochenzyste ist gut. Eigene Beobachtungen weisen darauf hin, dass die Rezidivneigung für calcaneare simple Knochenzysten bei gleicher Therapie im Vergleich zu anderen Lokalisationen geringer zu sein scheint. Von anderen, nicht lasttragenden Körperregionen (z.B. Humerus) ist bekannt, dass Spontanfrakturen juveniler Knochenzysten den Selbstheilungsvorgang beschleunigen können. Bei Lokalisation am Calcaneus stellt eine pathologische Fraktur jedoch eine schwerwiegende und häufig kaum rekonstruierbare Verletzung dar, die frühzeitig in einer sekundären Arthrose und Fehlstellung enden kann. Insofern stellt hier die prophylaktische Therapie bei Erreichen einer kritischer Größe der Läsion die Therapie der Wahl dar [14, 20, 21].

Zusammenfassung

Unklare Fersenschmerzen sind ein häufiger Grund für die Konsultation des Orthopäden und Unfallchirurgen. Obwohl sich nur in seltenen Fällen ein tumoröser Prozess als Ursache der Beschwerden identifizieren lässt, muss auch diese Genese differenzialdiagnostisch abgeklärt werden. Osteolytische Prozesse des Knochens sind häufig bereits auf dem konventionellen Röntgenbild gut abgrenzbar, erfordern aber stets eine weiterführende Abklärung mittels MRT, um zusätzliche Hinweise zur Dignität der Knochenläsion gewinnen zu können. Am Calcaneus finden sich als Vertreter gutartiger Knochentumoren typischerweise die juvenile Knochenzyste, seltener das intraossäre Lipom, welche entweder durch einen unspezifischen Fersenschmerz, als Zufallsbefund oder seltener auch als pathologische Fraktur in Erscheinung treten. Die häufigste Lokalisation dieser Entitäten im Calcaneus stellt dabei das sog. Ward-Dreieck, welches am Os calcis auch als „Diard’s area 6“ bezeichnet wird, dar. Die MRT zeigt bei einem Vorliegen des intraossären Lipoms und der juvenilen Knochenzyste üblicherweise einen nahezu pathognomonischen Befund, sodass eine Sicherung der Diagnose mittels Biopsie und histologischer Analyse in der Regel nicht erforderlich ist. Die Calcaneuszyste unterscheidet sich histopathologisch nicht von anderen Lokalisationen juveniler, simpler Knochenzysten und stellt somit keine eigene Tumorentität dar. Die operative Therapie ist bei einem schmerzhaften Befund und einer erhöhten Frakturgefahr indiziert. Traditionell wurden symptomatische Fälle von intraossärem Lipom und juveniler Knochenzyste häufig mittels offen-chirurgischer Kürettage und autologer Knochentransplantation behandelt. Die endoskopische Resektion des Tumors und perkutane Auffüllung des Defekts stellt eine schonende und reproduzierbare Alternative zu offenen chirurgischen Verfahren dar [39, 40, 44, 45]. Bei dem Vorliegen einer Calcaneuszyste ist stets eine individuelle Analyse der vorliegenden Befunde nötig, um unter Berücksichtigung der patientenspezifischen Gegebenheiten die geeignete Therapie zu wählen.

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