Originalarbeiten - OUP 12/2012

Die lumbale Charcot-Osteopathie – eine seltene und
späte Komplikation der Querschnittlähmung. 4 Fallbeispiele

Diagnosestellung:

Bei Diagnosestellung gab der Patient ein „Instabilitätsgefühl“ im Sitzen an, im Bereich der unteren LWS war eine Schwellung sichtbar und tastbar, Schmerzen wurde keine angegeben. Das CRP war mit 13,3 (Normalwert bis 9,0) leicht erhöht, wobei gleichzeitig ein behandlungsbedürftiger Harnwegsinfekt vorlag. Ein intraoperativer Abstrich ergab kein Wachstum von Keimen. Zur Diagnosestellung wurde am 20.07.2011 eine Kernspintomographie sowie eine Computertomographie der LWS durchgeführt, und am 18.07.2011 eine Übersichtsröntgenaufnahme in 2 Ebenen. Dargestellt wurde die ausgedehnte Destruktion der Wirbelkörper LWK 4 und 5 mit nekrotischen Anteilen und Gelenkdestruktion beidseits. Beide Wirbelkörper waren weitgehend durch Flüssigkeit ersetzt.

Verlauf:

Die Therapie war primär operativ. Am 29.08.2011 wurde die dorsale transpedikuläre Instrumentation von LWK 2 bis zum Os ilium beidseits, mit partieller Corporektomie von LWK 4 und LWK 5 und ventraler Abstützung mittels Titankorb und intersomatischer Fusion durch autologe Knochen durchgeführt.

(postOP-Verlauf, klinisch, Laborchemisch, AB?, radiologisch)

Insgesamt zeigt sich ein zufriedenstellender Verlauf. Die Operation wurde dorso-ventral durchgeführt, die Spondylodese war bislang stabil, die Symptomatik, welche durch die Charcot-Osteopathie verursacht worden war, bildete sich vollständig zurück. Als zusätzliche pathogene Faktoren spielen sicher der bereits fortgeschrittene Morbus Bechterew sowie eventuell auch der Diabetes mellitus eine gewisse Rolle.

Patient B

ist weiblich und bei Diagnosestellung 59 Jahre alt.

Die Charcot-Osteopathie in Höhe LWK 4/5, wurde 40 Jahre nach Eintritt einer sensomotisch kompletten thorakalen Paraplegie festgestellt. Die komplette Paraplegie sei nach Entfernung einer „gutartigen Knochenzyste“ aufgetreten. 20 Jahre nach Lähmungseintritt wurde ein Brindley-Stimulator implantiert, der bis zur Diagnosestellung der Charcot-Osteopathie gut funktionierte, im Rahmen dieser Implantation wurde üblicherweise tief lumbal laminektomiert. Im November war eine langstreckige Aufrichtungsspondylodese durchgeführt worden sowie 9 Jahre vor Diagnosestellung der Charcot-Osteopathie, im Dezember 2000, eine Corporektomie in Höhe BWK 8/9, wohl aufgrund einer Spondylodiszitis, nähere Angaben darüber liegen nicht vor. Letztlich bestand eine Instrumentation nach caudal bis in Höhe LWK 4. 11 Monate vor Diagnosestellung hatte sich nach Darmwandperforation im Rahmen von Abführmaßnahmen eine Sepsis entwickelt, es wurde ein dauerhafter Anus praeter angelegt.

Diagnosestellung:

Verursacht durch die Charcot-Osteopathie sistierte „über Nacht“ die vorbestehende erhebliche Spastik in den Beinen (17.09.2009), zudem versagte der Brindley-Stimulator. Es hatte sich eine „2. Querschnittlähmung“ in lumbaler Höhe entwickelt, folgerichtig eine schlaffe Paraplegie. Die Patientin entleerte fortan die Harnblase mittels intermittierenden selbständigen Katheterisierens. Das CRP war bei Diagnosestellung normal ohne antibiotische Therapie.

Am 20.11.2009 wurde eine Kernspintomographie sowie eine Computertomographie der LWS und eine Übersichtsröntgenaufnahme in 2 Ebenen durchgeführt. Dargestellt wurde dabei die ausgedehnte nekrotische Destruktion von LWK 4 und 5.

Verlauf:

Zunächst entschied man sich für die konservative Therapie, die Patientin hatte bezüglich der Osteopathie keine Beschwerden.

Im April 2010 wurde sie schließlich mit dem Bild einer hochfieberhaften Sepsis notfallmäßig stationär aufgenommen, ein lumbaler paravertebraler Abszess mit dermaler Fistelung wurde diagnostiziert, man ging von einer Superinfektion der Charcot-Osteopathie aus.

Es folgten mehrere Operationen sowie die antibiotische Langzeittherapie. Am 29.04.2010 wurde zunächst ein Debridement mit Drainageanlage und Sekundärnaht durchgeführt. Am 18.05.2010 folgten eine dorsale Teilmaterialentfernung sowie die Entfernung von Stimulatorkabeln, am 15.06.2010 eine Seromrevision mit VAC-Anlage sowie am 06.07.2010 die VAC-Schwammentfernung und der erneute Wundverschluß. Ein erneutes Debridement wurde erforderlich am 24.08.2010 mit folgender dorsaler Instrumentation von LWK2 bis Os ilium bds. und dorsolateraler Spondylodese von LWK 2 bis Os sakrum sowie ventraler Abstützung mit Titankorb zwischen LWK4 und 5.

Die antibiotische Therapie wurde zunächst mit Fosfomycin und Rocephin, später allein mit Fosfomycin und schließlich bis Ende Oktober 2011 mit Cefuroxim durchgeführt. Eine Laborkontrolle Ende Februar 2012 ergab ein normales CRP.

In der Röntgenkontrolle 17 Monate nach der letzten Operation sowie der CT-Kontrolle, einen weiteren Monat später ergaben sich keine neu aufgetretenen Destruktionen, Entzündungszeichen ließen sich nicht nachweisen. Ein Bruch der linken Schraube im Os ilium sowie Saumbildungen um die Schrauben im Os ilium rechts sowie sakral beidseits ist zunächst ohne therapeutische Konsequenz.

Durch die Superinfektion war man zur operativen Therapie gezwungen, ein weiteres konservatives „Zuwarten“ hätte zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit, aufgrund der persistierenden Instabilität, zu einer Befundverschlechterung geführt. Auf den Anschluss mit der oberen Instrumentation musste aufgrund massiver intraoperativer Blutungen und der extrem „eingemauerten“ Instrumentation im BWS-Bereich verzichtet werden, so dass LWK 1 letztlich nicht instrumentiert ist. Dadurch besteht eine erhöhte Gefahr der Dekompensation in dieser Höhe und der Auslockerung der vorhandenen Instrumentation, so dass auch deshalb engmaschige radiologische Kontrollen langfristig erforderlich sind.

Nach Abschluss der komplexen operativen Therapie mit anschließender längerfristiger Antibiotikagabe war der Verlauf zufriedenstellend. Der radiologische Verlauf zeigte eine Stabilisierung des Bereiches, Infektzeichen traten sowohl radiologisch als auch klinisch nicht mehr auf.

Die Vorgeschichte u.a. mit thorakaler Spondylodiszitis und Sepsis nach Darmperforation war kompliziert, zum Zeitpunkt der Diagnosestellung der Charcot-Osteopathie waren weder radiologisch noch laborchemisch Entzündungs- bzw. Infektionszeichen nachweisbar.

Eine pathogenetische Rolle spielt vermutlich die Implantation des Brindley-Stimulators, 20 Jahre vor Diagnosestellung, verbunden mit tief lumbaler Laminektomie und daraus resultierender mechanischer Instabilität, wobei die spätere Instrumentation nur bis in Höhe LWK 4 durchgeführt worden war.

Patient C

ist weiblich und bei Diagnosestellung 49 Jahre alt.

Die Charcot-Osteopathie in Höhe LWK 4/5, wurde 29 Jahre nach Fraktur des zwölften Brustwirbelkörpers und des ersten Lendenwirbelkörpers (1979) mit der Folge einer seither bestehenden sensomotorisch kompletten Paraplegie gestellt. Die Patientin war seither nicht an der Wirbelsäule operiert worden. Als Begleiterkrankungen liegen ein Diabetes mellitus Typ II sowie eine Adipositas permagna vor.

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