Arzt und Recht - OUP 04/2013

Die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses

Als Verhältniszahl für die neue Versorgungsebene der gesonderten fachärztlichen Versorgung und deren Fachgebiete hat der GBA die Zahl der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte dieser Fachgebiete des Jahres 2010 herangezogen (Anlage 5 zur Bedarfsplanungs-Richtlinie, dort § 5). Da der GBA dieses Versorgungsniveau bereits als überdurchschnittlich einschätzt, hat er es mit dem Versorgungsgrad 110 % bewertet und darauf basierend die Verhältniszahl für den Versorgungsgrad 100 % ermittelt7. Zulassungsmöglichkeiten werden sich auf der neuen Versorgungsebene der gesonderten fachärztlichen Versorgung daher künftig über die Nachbesetzung bestehender Vertragsarztsitze hinaus im Wesentlichen nur noch aufgrund regionaler Besonderheiten und über etwaige Sonderbedarfszulassungen ergeben.

  • Bei der Ermittlung des regionalen Versorgungsgrads (tatsächlicher Ist-Zustand) werden erstmalig ermächtigte Ärzte berücksichtigt.

Zudem sind entsprechend der Ergänzung von § 95 Abs. 9 b SGB V durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz Ärzte, deren Anstellung in eine Zulassung umgewandelt wird, voll zugelassen (Faktor 1,0), wenn sie bisher als Angestellte mit dem Faktor 1,0 oder 0,75 gezählt wurden. Bei einer bisherigen Anrechnung als Angestellter mit dem Faktor 0,5 erfolgt die hälftige Zulassung (Faktor 0,5).

  • Sowohl bei der Ermittlung der allgemeine Verhältniszahlen als auch bei der Ermittlung des regionalen Versorgungsgrades ist ein in § 9 Bedarfsplanungs-Richtlinie weiterentwickelter8 Demografie-Faktor anzuwenden. Mithilfe des Demografie-Faktors wird berücksichtigt, dass in Planungsbereichen, deren Bevölkerung einen überdurchschnittlich großen Anteil an Personen im Alter von 65 (ursprünglich 60) Jahren und älter haben, ein höherer Leistungsbedarf besteht. Zur Berechnung dieses Leistungsbedarfs wird die Abrechnungsstatistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung herangezogen. Es wird der mittlere Leistungsbedarf der letzten 12 Abrechnungsquartale (3 Jahre) getrennt nach Arztgruppen für die in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten ermittelt.

Der mittlere Leistungsbedarf gilt grundsätzlich für 5 Jahre. Sämtliche Berechnungen werden jedoch einmal pro Jahr von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung durchgeführt und eine Anpassung jeweils zum 30.06. eines Jahres vorgenommen.

Ergeben sich aus der Anwendung des Demografie-Faktors neu zu besetzende Arztsitze, soll der Zulassungsausschuss darauf hinwirken, dass möglichst solche Bewerber Berücksichtigung finden, die zusätzlich zu ihrem Fachgebiet über eine gerontologische/geriatrische Qualifikation verfügen.

Lediglich auf die Arztgruppen der Kinderärzte und Kinder- und Jugendpsychiater sowie die Arztgruppen der gesonderten fachärztlichen Versorgung (§ 14) kommt der Demographie-Faktor nicht zur Anwendung (§ 9 Abs. 2).

Die Zulassungsbeschränkung besagt, dass während der Dauer der Überversorgung der betroffene Planungsbereich für weitere Zulassungen gesperrt ist9. Die Regelungen entsprechen der bisherigen Richtlinie10. Die Zulassungsbeschränkungen sind durch Beschluss aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für eine Überversorgung entfallen sind (§ 103 Abs. 3 SGB V, § 16b Abs. 3 Satz 2 Ärzte-ZV). Anordnung und Aufhebung sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu veröffentlichen (§ 16b Abs. 4 Ärzte-ZV). Das Verfahren nach Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen regelt § 26 Bedarfsplanungs-Richtlinie neu (siehe unten).

5. Sonderbedarfszulassungen (§§ 36 ff.)

Zu den gesetzlichen Vorgaben zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung gehört auch die Präzisierung der Voraussetzungen für Sonderbedarfszulassungen (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V). Diese Neuregelung steht noch aus und soll bis zum 30.04.2013 erfolgen. Bis zur Neuregelung gelten die bisherigen Regelungen über Sonderbedarfszulassungen als §§ 36 bis 38 der neuen Bedarfsplanungs-Richtlinie fort.

6. Maßstäbe für eine ausgewogene haus- und fachärztliche Versorgungsstruktur

Auch insoweit ist der GBA seinem Regelungsauftrag noch nicht nachgekommen. Vielmehr sollen die Voraussetzungen für eine gleichmäßige und bedarfsgerechte vertragsärztliche Versorgung bis zum 30.06.2013 neu geregelt werden. Bis dahin gilt § 35 Bedarfsplanungs-Richtlinie a.F. als § 48 Bedarfsplanungs-Richtlinie n.F. unverändert fort.

7. Beschäftigung von angestellten Ärzten
(§§ 51 ff., 58 ff.) (ZT 1)

Die Beschäftigung angestellter Ärzte im MVZ ist in den §§ 51 – 56 Bedarfsplanungs-Richtlinie geregelt, die für angestellte Ärzte in Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V („Polikliniken“) entsprechend gelten. Die Beschäftigung von angestellten Ärzten in einer Vertragsarztpraxis ist in den §§ 58 – 62 Bedarfsplanungs-Richtlinie geregelt. Diese Regelungen entsprechen nahezu vollständig denen der „alten“ Bedarfsplanungs-Richtlinie11.

Künftig ist allerdings ein Beschäftigungsverhältnis sowohl unter Psychologischen Psychotherapeuten einerseits oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten andererseits als auch ein gegenseitiges Beschäftigungsverhältnis möglich (§ 61). Ist ein Psychologischer Psychotherapeut bei einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten angestellt, hat er sich auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen zu beschränken. Diese Neuerung ist die Konsequenz aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 15.08.2012, Az. B 6 KA 48/11), mit der die beiden Berufsgruppen unter vertragsarztrechtlichen Gesichtspunkten gleichgestellt wurden12.

Die nach dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz erstmals mögliche Umwandlung einer Anstellung in eine Zulassung gemäß § 95 Abs. 9b SGB V und deren Berücksichtigung bei der Feststellung einer Überversorgung wurde oben bereits dargestellt.

8. Übergangsbestimmungen

Die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie ist am 01. Januar 2013 in Kraft getreten. Bis die Kassenärztlichen Vereinigungen die neuen Bedarfspläne auf der Grundlage dieser Richtlinie erstellt und der jeweilige Landesausschuss Feststellungen zu einer etwaigen Überversorgung treffen und damit Zulassungsbeschränkungen anordnen kann, vergeht notgedrungen Zeit. In dieser Übergangsphase stellt sich die Frage, wie mit Zulassungsanträgen bzw. Anträgen auf die Genehmigung von Anstellungen in Medizinischen Versorgungszentren oder bei Vertragsärzten zu verfahren ist. Hierzu enthält § 63 Bedarfsplanungs-Richtlinie nach Arztgruppen differenzierende Übergangsbestimmungen:

Für Arztgruppen, die mit der Richtlinie neu in die Bedarfsplanung aufgenommen werden, wird das bisherige Moratorium13 fortgeschrieben, so dass über nach dem 06. September 2012 gestellte Zulassungsanträge dieser Arztgruppen erst entschieden werden kann, wenn der Landesausschuss die Entscheidungen über eine Überversorgung und hieraus resultierende Zulassungsbeschränkungen getroffen hat. Gleichzeitig wird den Landesausschüssen für diese Arztgruppen eine verkürzte Umsetzungsfrist bis zum 15.02.2013 vorgegeben (§ 63 Abs. 4).

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