Übersichtsarbeiten - OUP 06/2017

Die Patella partita, ein Apophysen-Äquivalent

In Kenntnis weiterer Beschreibungen kann jedoch diese Meinung nicht aufrechterhalten werden, da doch eine Störung des Ossifikationsvorgangs im Vordergrund steht unter Berücksichtigung der Apophyse [35]. Pfeil [56] nimmt eine Unterteilung der Patella partita in Fragmentationen, Randdefekte und Duplikation vor (Abb. 3), die Patella bipartita sowie tripartita, aber auch multipartita werden den Fragmentationen zugeordnet.

Schließlich sei auf die Einteilung von Baumgartl [3] verwiesen. Dieser stützt sich auf die Klassifikation nach Saupe [61] und ergänzt diese durch Schaer [64]. Die ursprüngliche Einteilung nach Saupe [61] nennt drei Formen (Form I bis III), die durch Form IV und V nach Schaer [64] ergänzt werden (Abb. 4).

  • Form I: Nach Joachimsthal [32] handelt es sich um einen horizontalen Spalt kurz oberhalb der Patellaspitze, vergleichbar mit dem Morbus Sinding-Larsen-Johansson.
  • Form II: Diese Form basiert ebenfalls auf Beobachtungen von Joachimsthal [32] im Sinne einer senkrechten Spaltbildung lateral.
  • Form II/III: Nach Schaer [64] wird diese Form eingeführt, um die seltene Form der lateralen Spaltbildung mit der Patella tripartita einzuordnen.

Neben der Patella bipartita werden auch Teilungen der Sesamknochen, des Os trigonum und auch akzessorischer Ossa navicularia u.a. beschrieben [18, 19]. Zur Ätiologie sind Überlastungsschäden, Verletzungen, aber auch Anlageschäden u.a. beschrieben. Es gibt mehrere Theorien:

  • 1. Theorie der unvollständigen Verschmelzung von Knochenkernen [24]
  • 2. Theorie der Durchblutungsstörung bei ischämischer Nekrose [63]
  • 3. Theorie der Stressfraktur im Sinne eines Ermüdungsgeschehens durch Quadrizeps- bzw. Vastus lateralis-Zug [13, 16, 41, 10].
  • 4. Theorie der Stressfraktur zwischen primärem und sekundärem Ossifikationszentrum [23, 9]
  • 5. Traumatheorie im Sinne einer Ruptur der Faserknorpelzone [29, 30, 71].

Der Entstehungsmechanismus der Patella partita kann mit der Pathogenese der Apophysenproblematik der Tuberositas tibiae verglichen werden. So erklären Störungen der Patellastabilisierungen durch Überlastungsmechanismen der ligamentären, tendinösen und/oder retinakulären Ansatzstrukturen verschiedene Formen der Patella partita als apophysären Schaden in Anlehnung an Olbrich [50].

Im Allgemeinen wird eine echte Fraktur klinisch und radiologisch erkannt, kann aber auch durch eine Patella bipartita vorgetäuscht werden, die symptomatisch ist [16, 81]. Tatsächliche Frakturen im Sinne einer Randfraktur der Patella durch einen plötzlichen exzessiven Muskelzug [39] oder durch eine Kompression der Patella gegen den Femurkondylus [15] bereiten diagnostisch Schwierigkeiten. Die Randbereiche der Kniescheibe unterliegen einer Minderdurchblutung [63], dies unter einem konstanten Quadrizepszug, sodass bei einer tatsächlichen Randfraktur eine adäquate Therapie problematisch ist [59] mit der Folge der Ausbildung einer Pseudarthrose. Diese Minderdurchblutung und der Quadrizepszug (Musculus vastus lateralis) haben auch einen Einfluss auf die Ossifikation der Patella. Dann, wenn ein sekundäres Ossifikationszentrum vorliegt, wird die geplante Knochenkernverschmelzung beeinflusst mit der Ausbildung einer Patella bipartita, insbesondere im superolateralen Patellabereich. Die dann zusätzlich bestehende Kraftzugeinwirkung durch den Quadrizeps erklärt auch eine Stressfraktur, insbesondere dann, wenn die Verknöcherung nicht abgeschlossen ist. Erklärbar ist auch in diesem Stadium durch eine entsprechende direkte Krafteinwirkung ein Riss der Faserknorpelzone zwischen dem primären und sekundären Ossifikationszentrum.

Berücksichtigt man die verschiedenen Theorien, zeigt sich, dass alle 5 Theorien in zeitlicher Abhängigkeit und unter Berücksichtigung der Belastung eine Erklärung für die Patella bipartita bzw. multipartita sind. In Abgrenzung zur Verletzung bedarf es einer Trennung zwischen der Spaltbildung und einer Fraktur. Liegt eine Traumatisierung der Patella vor, in aller Regel durch eine direkte Krafteinwirkung, so kann eine Verletzung des Spalts zwischen primärem und sekundärem Ossifikationszentrum entstehen, auch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der Ausbildung einer Pseudarthrose, die dann nur schwer von der eigentlichen Patella bipartita abgegrenzt werden kann. Kommt es zu traumatischen Schädigungen, so sind auch die Verletzungszeichen erkennbar, wogegen bei der asymptomatischen Patella bipartita nicht unbedingt klinische Symptome bestehen müssen. Entsteht aber eine Verletzung in diesem Bereich, so ist von einer Verschlimmerung des schon vorher bestehenden Leidens der Patella bipartita auszugehen [3]. Eine Patella bipartita kann frakturieren bei einer repetitiven Stresssituation oder bei einem Einzelereignis [31]. Eine Stressfraktur oder eine fibröse Pseudarthrose sollte bei einem Patienten angenommen werden, der einen direkten Schmerz über der superolateralen Patella angibt. Dazu sind die klinischen und insbesondere radiologischen Gesichtpunkte zu beurteilen.

Im Bereich der Patella bipartita muss auch bei arthroskopischen Untersuchungen mit einem Knorpelschaden gerechnet werden. Diese Knorpelschäden im Sinne der Chondromalacia patellae unterliegen einer Gradeinteilung nach Fründ [20].

Diagnostik

Für die Diagnostik steht das Röntgenbild zur Verfügung, insbesondere unter Berücksichtigung der Patella-Tangential-Aufnahme, aber ebenso die Sonografie [5], die Szintigrafie [9, 29, 52] und die Magnetresonanztomografie [79].

Die symptomatische Patella bipartita betrifft Jugendliche, vor allem in der Adoleszenz, und ist beim Nichtausheilen, d.h. wenn die Ossifikation nicht regulär abläuft, auch im Erwachsenenalter zu finden. Die Entstehung ist aber auf das Kindes- bzw. Adoleszentenalter beschränkt. Hier besteht ein Zusammenhang mit der Entwicklung des Morbus Osgood-Schlatter, bei dem ein vitaler, zentraler Knochenkern gefunden wird mit umgebendem Faserknorpel; abgesehen von der Lokalisation auch mit der Osteochondrosis dissecans vergleichbar. Da beide Veränderungen auf die Durchblutungsstörung während des Wachstums zurückgeführt werden können [82, 83], sind die Pathogenese der Patella bipartita mit der des Osgood-Schlatter sowie auch des Morbus Sinding-Larsen-Johansson vergleichbar. Es handelt sich im Wachstumsalter um eine Störung der Anastomosenbildung zwischen epiphysärem und metaphysärem Gefäßsystem, bei der Apophyse um eine Störung des apophysären und metaphysären Gefäßsystems. Dies trifft somit auch für die Patella bipartita zu, da diese im Sinne einer Apophyse der Patella verstanden wird [35]. Prädispositionsfaktoren sind die randständige Durchblutungsstörung der Patella, aber auch die kontinuierliche Traktion (Avulsio) mit Einwirkung auf die Knorpelzellen am Übergang zur Hypertrophie. Diese Belastung oder auch Fehlbelastung bzw. Überlastung führt zur Störung der Anastomosenbildung zwischen 2 verschiedenen Gefäßsystemen mit daraus resultierender, evtl. nur vorübergehender Chondrose bzw. Nekrose, nachgewiesen durch das vitale Ossikel, das von Faserknorpel umgeben ist bei den abgeschlossenen reparativen Maßnahmen. Die pathologische Untersuchung exzidierter Fragmente der Patella bipartita zeigt fibröses Bindegewebe zwischen dem primären und sekundären Ossifikationszentrum, dazu Faserknorpel sowie hyalinen Knorpel mit Zeichen der diffusen Texturstörung mit nekrotischem Faserknorpel. Blutgefäße fehlen. Im Vordergrund steht fibröses Bindegewebe sowie Nekrosen des Faserknorpels, es liegen aber auch Zeichen der irregulären Ossifikation vor [51, 46]. Aus histopathologischen Überlegungen heraus ist ein sekundäres bzw. accessorisches Ossifikationszentrum wahrscheinlich, das sich nicht mit dem primären Ossifikationszentrum verbindet. Daraus lässt sich auch als Ursache eine Durchblutungsstörung feststellen, die im Wachstumsalter aufgrund einer nicht eintretenden Anastomosierung von 2 Gefäßsystemen resultiert [82, 83].

Diskussion

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