Übersichtsarbeiten - OUP 11/2014

Die Plattenosteosynthese als neue Alternative zur Behandlung von Patellafrakturen

S. Wurm1, P. Augat2, V. Bühren1

Zusammenfassung: Die Osteosynthese dislozierter
Patellafrakturen hat auf Grund der Mobilität der Patella eine nicht zufriedenstellend hohe Komplikationsrate.
Winkelstabile Plattensysteme könnten dank ihrer hohen
mechanischen Stabilität eine Alternative in der Versorgung von Patellafrakturen darstellen. Ziel dieser Untersuchung war es erstens die mechanische Stabilität eines winkelstabilen Plattensystems im Vergleich zur Zuggurtungsosteosynthese zu untersuchen und zweitens den Erfolg bei der klinischen Anwendung der Plattenosteosynthese zu überprüfen. Die biomechanischen Untersuchungen unter zyklischen Belastungen zeigten eine signifikant höhere Stabilität der Plattenosteosynthese im Vergleich zur Zuggurtung. Bei der klinischen Anwendung der winkelstabilen Plattenosteosynthese bei insgesamt 53 Frakturen überzeugte die Technik durch die gute Möglichkeit der anatomischen Reposition der Gelenkflächen auch bei Mehrfragment- und Trümmerfrakturen. Nachuntersuchungen nach einem Jahr in 19 Patienten zeigten bei 3 Patienten eine insuffiziente Frakturstabilisation mit der Notwendigkeit einer operativen Revision.

Insgesamt zeigte die winkelstabile Plattenosteosynthese eine hohe mechanische Stabilität und eine gute Ausheilung auch nach komplexen Patellafrakturen. Bei suboptimaler Schraubenlage kann es jedoch zu Heilungskomplikationen kommen.

Schlüsselwörter: Patella, Fraktur, winkelstabil, Osteosynthese, Biomechanik

Zitierweise
Wurm S, Augat P, Bühren V, Die Plattenosteosynthese als neue Alternative zur Behandlung von Patellafrakturen.
OUP 2014; 11: 530–534 DOI 10.3238/oup.2014.0530–0534

Summary: A sufficient reduction and stable fixation of comminuted patella fractures is often problematic and leading to a high complication rate. However, locked plating systems provide a high stability and represent a respectable alternative in the treatment of patella fractures. The aim of this research was first the analysis of the mechanical stability of a locked plating system in comparison to tension band wiring. Secondly, we had a look at the first clinical results of the patella plate. The biomechanical testing showed a significant higher mechanical stability of the plate osteosynthesis compared to the tension band wiring. In the first clinical use (53 fractures) we saw an excellent reduction of the fracture, the ability to early weight-bearing and good clinical outcomes even in comminuted fractures. We had a follow up of 19 patients with a median time of 13 months. 11 patients had an excellent outcome, three patients needed a re-operation because of an insufficient stabilisation of the fracture.

In conclusion, the locking patella plate showed a high mechanical stability and a good outcome even in comminuted fractures. But a suboptimal position of the screws can lead to complications.

Keywords: patella, fracture, locked plating, osteosynthesis,
biomechanics

Citation
Wurm S, Augat P, Bühren V, Plate osteosynthesis of the patella as an alternative in the treatment of patella fractures.
OUP 2014; 11: 530–534 DOI 10.3238/oup.2014.0530–0534

Einleitung

Die Patella ist ein Hypomochlion, das in die Sehne des M. quadriceps femoris eingelagert ist und dessen Effektivität um ca. 30 % erhöht. Neben ihrer Bedeutung bei der Kniestreckung wirkt sie vor allem beim Abwärtsgehen wie eine Bremsbacke, indem sie Zugkräfte in Kompressionskräfte umwandelt und damit die Beugung abbremst, was auch als patellofemorale Gelenkreaktion bezeichnet wird [1–3]. Patellafrakturen machen 0,5–1,5 % aller Extremitätenverletzungen aus, wobei der Altersgipfel zwischen 30 und 60 Jahren liegt [4]. Bei jüngeren Patienten kommt es durch die Krafteinwirkung des M. quadriceps femoris überwiegend zu Querfrakturen, wohingegen Ältere häufig Trümmerfrakturen erleiden [3].

Aufgrund der funktionellen Bedeutung der Patella ist eine Wiederherstellung der Beweglichkeit nach Patellafraktur essenziell. Undislozierte Frakturen können in der Regel konservativ therapiert werden. Bei Frakturen mit einer Dislokation von 2 mm, Stufen im Gelenkbereich sowie allen offenen und Trümmerfrakturen ist jedoch eine operative Versorgung indiziert. Ziel der operativen Versorgung ist hierbei eine stufenlose Wiederherstellung der Gelenkfläche, da eine verbleibende Inkongruenz eine frühe posttraumatische Retropatellararthrose begünstigt, sowie Belastungsstabilität, die eine schnelle aktive Übungsbehandlung zulässt und damit einer posttraumatischen Knieteilsteife entgegenwirkt.

Zuggurtung und Schraubenosteosynthese waren lange Zeit das Verfahren der Wahl bei der Versorgung von Patellafrakturen. Biomechanische Studien haben jedoch für die Zuggurtungsosteosynthese gezeigt, dass vor allem in Extension die Fragmentkompression unter zyklischer Belastung neutralisiert wird, sodass sich der Frakturspalt öffnen kann. Des weiteren zeigen sich häufig klinische Komplikationen, wie ein Auslockern der Cerclage, Durchschneiden der Drähte und Fragmentdislokation [4–6]. Auch wenn die Schraubenosteosynthese im Vergleich zur Zuggurtung eine signifikant höhere Stabilität aufweist [7–8], bleibt die Versorgung von Mehrfragment- und Trümmerfrakturen mit den gängigen Osteosyntheseverfahren problematisch. Die oft nur unzureichende Wiederherstellung der Gelenkfläche führt zu einer hohen Zahl an posttraumatischen Arthrosen. Insgesamt beklagen 30–50 % nach Patellafraktur Beschwerden und 15–30 % haben eine funktionelle Beeinträchtigung [3].

Zur besseren Versorgung gerade von den komplikationsträchtigen Patellamehrfragment- und -trümmerfrakturen wurden jetzt 2 winkelstabile Platten entwickelt: Die pfeilförmige Arrowplate (Fa. Arthrex, Karlsfeld) ist besonders für Polfrakturen geeignet, wohingegen die Starplate (Fa. Arthrex, Karlsfeld) aufgrund ihrer vielen Besetzungsoptionen ideal für Trümmerfrakturen ist. Beide Platten sind anatomisch vorgeformt, sodass sie sich gut an die Patella anpassen, und zudem Verankerungsmöglichkeiten für Suturen aufweisen.

Ziel dieser kombinierten biomechanischen und klinischen Untersuchung war es, die neu entwickelte winkelstabile Plattenfixation auf ihre mechanische Stabilität und ihre klinische Eignung für die Behandlung komplexer Patellafrakturen zu untersuchen.

Material und Methoden

Biomechanische Untersuchung

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