Übersichtsarbeiten - OUP 11/2014

Die Plattenosteosynthese als neue Alternative zur Behandlung von Patellafrakturen

Zur Untersuchung der Primärstabilität der winkelstabilen Patellaplatte wurde die „Arrow Plate“ (Arthrex GmbH, München) gegen eine Zuggurtung mit K-Drähten in einem zyklischen Belastungstest unter physiologischer Lasteinleitung getestet.

Die Versuche wurden an speziell angefertigten Dom-artigen Kunstknochenmodellen (30pcf Schaumblöcke, Firma Sawbones, Malmö, Schweden) durchgeführt, die die Geometrie der Patella und die mechanischen Eigenschaften humanen Knochens nachbildeten. Als Fraktur wurde eine komplette Querfraktur der Patella simuliert und jeweils 10 Knochenmodelle mit der winkelstabilen Patellaplatte und der Zuggurtung versorgt. In einem eigens gefertigten Testaufbau wurden die Knochenmodelle fixiert und mit Hilfe einer elektromechanischen Prüfmaschine (z10 Firma Zwick, Einsingen) einer kombinierten Zug- und Biegebelastung unterworfen (Abb. 1a-b). Die Last wurde zyklisch mit einer Geschwindigkeit von 1 mm/min aufgebracht, wobei die Höhe der Zuglast bei jedem Belastungszyklus bis zum Versagen der Osteosynthese erhöht wurde. Die Bewegung im Frakturspalt wurde mit einem 3D-Bewegungsanalysesystem (Pontos, Firma GOM, Braunschweig) erfasst. Als Messergebnis wurden die Last beim Versagen und die Dislokation der Frakturspalte festgehalten, wobei als Versagen der Osteosynthese ein Bruch des Kunstknochens oder eine Dislokation der Fragmente von ? 3 mm gewertet wurde. Zum statistischen Vergleich wurden die Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet und ein Wilcoxon-signed-Rank-Test durchgeführt (SPSS).

Klinische Untersuchung

In der BG-Unfallklinik Murnau wurden seit 6/2011 insgesamt 53 Patienten (58,3 ± 17,1 Jahre) mit Patellaplatte osteosynthetisch versorgt, davon waren 8 Eingriffe Revisionsoperationen bei Pseudarthrose oder Implantatversagen. 28 Patienten wurden mit der Starplate versorgt, 25 mit der Arrowplate. Bei 10 Patienten wurde die Fraktur zusätzlich zur Platte noch mit Schrauben oder Cerclage stabilisiert.

Ein Follow-up haben wir von 19 Patienten mit einer mittleren Zeit von 14 Monaten (± 9,2 Monate; Median: 13 Monate). Von diesen Patienten wurden 9 mit Arrowplate und 10 mit Starplate versorgt. Bei 6 Patienten war die Plattenosteosynthese ein Revisionseingriff (2-mal Refraktur, 3-mal Pseudarthrose bei Zuggurtung, 1-mal Infektverlauf).

Ergebnisse

Biomechanische Untersuchung

Unter der zyklischen Belastung kam es in allen Fällen zu einem Versagen des künstlichen Knochenmaterials. Ein Versagen der Osteosynthese wurde zuerst bei 370 N unter Zuggurtung beobachtet. Die mittlere Versagenslast bei der Plattenosteosynthese war um 68 % höher als bei der Zuggurtungsosteosynthese (Tab. 1). Bei der Zuggurtung kam es bereits vor dem Versagen zu einer fast 5-fmal höheren Dislokation der Frakturenden (Tab 1).

Klinische Untersuchung

Bei 11 Patienten kam es zu einer komplikationslosen Konsolidierung der Fraktur. Die Patienten waren beschwerdefrei und hatten bei der Abschlussuntersuchung eine freie Beweglichkeit. Drei Patienten beklagten noch belastungsabhängige Schmerzen bei jedoch freier Beweglichkeit. Bei dem Patienten mit Infektvorgeschichte kam es zu einem Infektrezidiv, sodass die Platte nach 3 Monaten vorzeitig entfernt werden musste. Der Patient hatte eine Beweglichkeit von 0/0/100° und war weitestgehend beschwerdefrei, im Röntgen zeigte sich jedoch noch keine vollständige knöcherne Konsolidierung der Fraktur. Eine Patientin stürzte kurz nach der Osteosynthese und zog sich dabei eine Querfraktur distal der Platte zu. Hier wurde die Querfraktur mit 2 Schrauben und Fiberwire stabilisiert, die Platte konnte belassen werden. 12 Monate nach der zweiten Fraktur erfolgte die vollständige Materialentfernung, die Patientin ist beschwerdefrei. Bei 3 Patienten kam es im Verlauf zu einer sekundären Dislokation, sodass eine operative Revision durchgeführt werden musste.

Fallbeispiel 1

55-jährige Patientin, die sich bei einem Verkehrsunfall als Fahrradfahrerin gegen Auto unter anderem eine Patellatrümmerfraktur zugezogen hat (Abb. 2a-d). Nach Rückverlegung aus der Türkei wurde eine Woche nach Unfall die Osteosynthese mit Starplate durchgeführt. Bei der letzten Kontrolle 16 Monate nach Unfall war die Patientin beschwerdefrei mit freier Beweglichkeit. Die Fraktur ist knöchern konsolidiert mit exakt reponierter Gelenkfläche. Da die Platte nicht störte, wünschte die Patientin keine Materialentfernung.

Fallbeispiel 2

49-jähriger Patient, der sich bei einem Sturz eine Patellatrümmerfraktur zugezogen hat (Abb. 3a-i). Es erfolgte die Osteosynthese mit Starplate sowie additiver Schraube und Cerclage. Bei einer Kontrolluntersuchung nach 7 Monaten war der Patient komplett beschwerdefrei und hatte eine Beweglichkeit von 0/0/120°. Die durchgeführte Röntgenkontrolle zeigte jedoch eine Dislokation der proximalen Fragmente, sodass die Revision mit Starplate und 2 Schrauben erfolgte.

In der nachfolgenden Analyse fiel auf, dass bei der ursprünglichen Osteosynthese die proximalste Schraube im proximalen Frakturspalt lag, sodass es an dieser Stelle zu einem Versagen der Osteosynthese kam.

Fallbeispiel 3

71-jährige Patientin, die sich bei einem Sturz eine Patellaquerfraktur zuzog, die auswärts mit Zuggurtung versorgt wurde (Abb. 4a-d). In den ersten 2 Monaten zeigte sich ein gerötetes und überwärmtes Bein, bei der Röntgenkontrolle zeigte sich dann ein Implantatversagen, sodass die Materialentfernung und Re-Osteosynthese mit Arrowplate und Schraube durchgeführt wurde. Bei der letzten Kontrolluntersuchung war die Patientin beschwerdefrei, das Osteosynthesematerial ist noch einliegend.

Diskussion

Insgesamt zeigte sich in unserer Studie, dass die winkelstabile Patellaplatte eine gute Alternative in der Versorgung von Patellafrakturen darstellt, insbesondere bei Mehrfragment- und Trümmerfrakturen. Die biomechanischen Tests zeigten für die Patellaplatte eine signifikant geringere Frakturspaltdislokation und eine signifikant höhere Versagenslast im Vergleich zur Zuggurtung, die lange Zeit als Goldstandard in der Versorgung von Patellafrakturen galt. Bei der Zuggurtung zeigte sich in unseren Tests ein Versagen der Osteosynthese bereits bei 370 N. Ähnlich geringe Werte fanden auch Carpenter et al., die die Zuggurtung an humanen Patellae biomechanisch untersuchten. Hier kam es bei 395 N zu einem Versagen der Osteosynthese [5].

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