Übersichtsarbeiten - OUP 04/2021

Die Rolle von PRP

Erhan Basad

Zusammenfassung:
Plättchenreiches Plasma (PRP) hat ein breites Anwendungsspektrum in der Behandlung muskuloskelettaler Erkrankungen und frühen Stadien der Gonarthrose erlangt. Die im autologen Serum durch Zentrifugation angereicherten Plättchen werden unter anderem zur Behandlung von Knorpelschäden und milden Formen der Gonarthrose eingesetzt. Obwohl eine steigende Zahl von Studien potentielle Effizienz nachweisen kann, gibt es auch kontroverse Seiten bei der Verwendung von PRP. Mit der Zunahme randomisierter kontrollierter Studien kommen validierte Klassifikationen zum Einsatz. Jedoch stellt das individuell variable und inhomogene Ergebnis bei der Herstellung von PRP die Studien vor methodische Probleme, die eine exakte Einstufung der Methode erschweren. Ungeklärt sind hierbei die Rollen von Thrombozyten-Konzentration, der Anteil an Leukozyten, die Dosierung, Therapiezeitpunkte, Therapiefrequenz und die begleitenden Rehabilitationsstrategien.

Schlüsselwörter:
Arthrose, autolog, Knorpelschaden, Plasma, Plättchen, PRP, Regeneration, Wachstumsfaktoren

Zitierweise:
Basad E: Die Rolle von PRP
OUP 2021; 10: 170–173
DOI 10.3238/oup.2021.0170–0173

Summary: Platelet rich plasma (PRP) has found wide application in the treatment of musculoskeletal disorders and early stages of Osteoarthritis. The platelets are enriched in autologous serum by centrifugation and are used to treat cartilage lesions and mild forms of osteoarthritis of the knee. Although an increasing number of studies have shown potential effectiveness. There are also controversial sides to the use of PRP. With the increase of randomized controlled trials, validated classifications are being used. However, the individually variable and inhomogeneous results in the production of PRP poses methodological problems for the studies, that makes it difficult to classify the method precisely. Also, the roles of platelet concentration, the proportion of leukocytes, dosage, therapy timepoints, therapy frequency and the accompanying rehabilitation strategies are not fully clarified.

Keywords: arthritis, autologous, cartilage, growth factors, osteoarthritis, plasma, platelet, PRP, regeneration

Citation: Basad E: The role of PRP.
OUP 2021; 10: 170–173. DOI 10.3238/oup.2021.0170–0173

ATOS-Klinik Heidelberg - Zentrum für Hüft- und Knie-Endoprothetik, Regenerative Gelenkchirurgie

Einleitung und Grundlagen

Die Arthrose (Osteoarthritis - OA) ist eine multifaktorielle Erkrankung von Knorpel und Knochen, an dessen Anfang die Verletzung oder Degeneration des Gelenkknorpels steht. Gelenkknorpel hat aufgrund der geringen mitotischen Aktivität von Chondrozyten und der fehlenden Vaskularisation ein sehr limitiertes Regenerationspotential. Destruierend auf die Knorpelmatrix werden hypermetabolische und katabole Effekte der Synovia angesehen [1]. Ziel der intraartikulären Maßnahmen ist es daher, das Gelenk durch anabole bzw. anti-katabole Effekte zu schützen. Als intraartikuläre Therapie finden derzeit Injektionen mit Hyaluronsäure (Hyaluronic acid - HA), Kortikosteroide und das Plättchenreiche Plasma (PRP) Anwendung. PRP ist ein autologes Blutpräparat mit einer erhöhten Konzentration an Thrombozyten, was grundsätzlich durch Zentrifugation und je nach Hersteller mit unterschiedlichen Techniken erreicht wird (Tab. 1). Thrombozyten oder Plättchen sind kernlose Zellkörper (zytoplasmatische Fragmente), die sich bei ihrer Entstehung von Megakaryozyten abschnüren und in erster Linie für die primäre Hämostase bzw. fibrinvermittelte Thrombozyten-Aggregation bekannt sind. Von einer Aktivierung spricht man, wenn bei einer Verletzung der Zellwand die Plättchen durch Kontakt mit Kollagen und extrazellulären Matrixproteinen zytoplasmatische Substanzen absondern. Bei einer Verletzung zählen Vasokonstriktion, Immunantwort, Angiogenese und Geweberegeneration zu den Effekten der Plättchen-Aktivierung. Die erhöhte Plättchen-Konzentration bei der PRP-Therapie dient der lokalen Bereitstellung von Wachstumsfaktoren und bioaktiven Substanzen.

Bereits früh fand PRP Anwendung zur Stimulation der Wundheilung an der Haut [25] oder zur Knochenheilung [25]. Auf die Rolle der Bestandteile wurde in verschiedenen Arbeiten detailliert eingegangen [10, 23, 30, 37]. Im Tierversuch konnten Verbesserungen in der Biomechanik, bei der Chondrozyten-Proliferation und bei Regeneration von Knorpeldefekten gezeigt werden [19, 28, 31]. Die Wachstumsfaktoren befinden sich in den Alpha-Granula und werden im Falle einer Aktivierung sezerniert. Außerdem enthalten Plättchen Gerinnungsfaktoren, Zytokine, Chemokine und ca. 800 verschiedene andere Proteine. Zu den häufigen Wachstumsfaktoren (Tab. 2), welche für die Therapie von Interesse sind, gehören Tissue Growth Factor-? (TGF-?), Insulin-like Growth Factor 1 (IGF-1), Bone Morphogenetic Proteins (BMP), Platelet-Derived Growth Factor (PDGF), Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), Epidermal Growth Factor (EGF), Fibroblast Growth Factor (FGF), und Hepatocyte Growth Factor (HGF). Als wichtigste Komponente ist das TGF-? zu werten, da es eine Rolle bei der Proliferation und Differenzierung von Chondrozyten spielt [5]. TGF-? induziert außerdem die chondrogene Differenzierung von mesenchymalen Stammzellen zu Chondrozyten und hat einen suppressiven Effekt auf das pro-inflammatorische Zytokin IL-1. Bei BMP wiederum konnte eine Rolle bei der Migration von Chondrozyten nachgewiesen werden [4]. IGF-1 ist ein wichtiger Faktor bei der Zellteilung von Chondrozyten und bei der Synthese der extrazellulären Knorpelmatrix. Es gibt auch Untersuchungen, die zeigen konnten, dass PRP die endogene Produktion von Hyaluronsäure stimulieren kann [15, 33]. Damit sind nur einige wichtige Bestandteile und Effekte genannt, die in der Summe zur Therapie von Knorpelschäden und Gonarthrose noch durch Studien erforscht werden. Ein weiterer kontrovers diskutierter Faktor, der bei PRP als Bestandteil berücksichtigt werden muss, ist der Anteil an Leukozyten. Der Leukozyten-Anteil kann je nach Herstellungsmethode stark variieren (Leukozyten-armes und Leukozyten-reiches PRP). Als positiver Effekt wird Leukozyten die hilfreiche Rolle als Quelle von nützlichen Enzymen und als Infekt-Prävention zugesprochen [11]. Auf der anderen Seite werden pro-inflammatorische Zytokine und Enzyme als antagonistische bzw. negative Effekte gewertet [38]. PRP wurde darüber hinaus im Tierversuch erfolgreich auf biologisch positiv modulierende Effekte bei der Transplantateinheilung nach Kreuzbandplastik hin untersucht [14].

Zu den bisher nachgewiesenen Effekten von PRP gehören somit die Rekrutierung von regenerierenden Zellen, Gewebeproliferation, Angiogenese, Reduktion von kritischen Regulatoren inflammatorischer Prozesse und die Senkung der Expression von inflammatorischen Enzymen [35]. Darüber hinaus konnten positive Effekte bei der Chondrogenese und Proliferation von mesenchymalen Stammzellen nachgewiesen werden [16]. Daraus ergeben sich Synergien bei der regenerativen Behandlung von isolierten Knorpelschäden mittels Knochenmarkstimulation oder Chondrozyten-Transplantation, insbesondere in Kombination mit einer Matrix. Bei der Behandlung der Gonarthrose konnte nachgewiesen werden, dass PRP Synovialzellen, Endothelzellen und Makrophagen infiltrieren und positive Effekte auf die anabole bzw. katabole Reaktionen haben und somit die Progression der Arthrose positiv beeinflussen kann [1]. Diese Kombination von positiven Effekten unterstützt den Einsatz von PRP zur additiven konservativen Behandlung von Knorpelschäden und bei frühen Formen der Gonarthrose.

Klinische Anwendungen von PRP

In der Sportmedizin hat sich die PRP-Therapie als vielversprechendes Verfahren zur Behandlung von Tendopathien an der Patellarsehne, der Achillessehne [24] und bei Muskelverletzungen etabliert. Bei akuten Muskel- und Sehnenverletzungen konnten bisher jedoch noch keine überzeugenden Studien abgeschlossen werden, die eine Überlegenheit von PRP zu Plazebo-Injektionen zeigen [6, 8, 18, 13, 22, 32].

Bei der Arthrose-Therapie hingegen scheinen intraartikuläre PRP-Injektionen die Knorpelregeneration zu stimulieren und die entzündlichen Symptome der Arthrose zu reduzieren. Durch eine zunehmende Zahl klinischer Studien kann die PRP als sicheres und kurzfristig wirkendes konservatives Therapieverfahren bei der Arthrose-Therapie befürwortet werden [20]. Wegen seiner autologen Beschaffenheit ist die intraartikuläre PRP-Therapie als frei von allergischen Reaktionen und medikamentösen Nebenwirkungen einzustufen. Die einfache Herstellung und Anwendbarkeit von PRP hat in den letzten Jahren zu einer deutlichen Verbreitung dieser Therapiemethode geführt. Klinische Studien konnten Effekte bei Schmerzreduktion und Gelenkfunktion nachweisen [7, 17]. Auch randomisierte kontrollierte Studien (RCT) mit Placebo-Injektionen und Hyaluronsäure-Injektionen konnten bessere klinische Ergebnisse zeigen [11]. Zu ähnlichen Ergebnissen konnten Reviews [29] und Meta-Analysen kommen. In einem Übersichtsartikel [9] wurden in-vivo Studien mit insgesamt 908 Probanden zu PRP versus HA bei milden Formen der OA in einer Metaanalyse untersucht und zeigten statistisch signifikant gebesserte klinische Ergebnisse (Schmerz, Funktion, Bewegung) für die PRP-Therapie. Ob eine einzige PRP Injektion (Single-Shot) mit 10 ml Inhalt bei der Gonarthrose ausreicht, hat eine prospektive einarmige Studie aus 2019 untersucht und gezeigt, dass 82 % der Probanden 6 Monate nach Injektion signifikante Verbesserungen im Schmerz-Score und im klinischen Score aufwiesen [12]. Eine weitere Studie untersuchte den Effekt nach der subchondralen Infiltration des Knochenmarks mit PRP [33], konnte keine effektiven klinischen Ergebnisse zeigen. Als zusätzliche Indikation ist die PRP Injektion bei mechanisch stabilen Meniskusschäden [3], als Augmentation nach Meniskusnaht [2] oder bei primären kreuzbanderhaltenden Operationen [4] beschrieben worden [35], ohne jedoch hochsignifikante Ergebnisse nachweisen zu können. O’Connell und Mitarbeiter konnten in einem Review feststellen, dass besonders bei milden Formen der OA mit PRP im Vergleich zu HA und Placebo erfolgversprechende Ergebnisse nachgewiesen wurden [29]. Die vorgenannten Studien verdeutlichen, dass frühe Formen der Arthrose und Knorpelschäden zu den am meisten erforschten Anwendungsgebieten von PRP aus dem Gebiet der muskuloskelettalen Therapie zählen.

Diskussion und
Schlussfolgerungen

PRP stellt in der Behandlung von milden Formen der Gonarthrose, bei Knorpelschäden, seltener bei Meniskusschäden und Sehnen-Band-Schäden, ein erfolgreich angewendetes orthobiologisches Verfahren dar. Untersuchungen zeigen eine erhöhte Prävalenz bei der Anwendung von autologen Blutprodukten wie PRP, um Wachstumsfaktoren und Mediatoren an den Ort des Geschehens zu bringen. PRP stellt ein technisch einfaches, minimal invasives und von den Kosten überschaubares Verfahren zur Bereitstellung von Wachstumsfaktoren dar. Die meisten klinischen Studien zeigen, dass die PRP-Therapie als aufeinanderfolgende Injektionsbehandlung mit 2–4 Anwendungen pro Serie durchgeführt wird. Die 2 bis 3malige wiederholte PRP Injektion wird aufgrund des kumulativen Effektes favorisiert. Als Injektions-Abstand werden für eine Therapie-Serie üblicherweise Zeiträume von 1–3 Wochen in einem Zeitraum von 2–3 Monaten beschrieben. Bisherige Studie konnten kurz- und mittelfristige Verbesserungen der klinischen Scores über 6–12 Monate zeigen (Tab. 4). Ein Problem stellt die Standardisierung und Definition von PRP als therapeutisches Produkt dar, weil Plättchen-Konzentration, Gerinnungsfaktoren und der Anteil entzündlicher Leukozyten, je nach Individuum, Zeitpunkt und Herstellungsmethode variieren können. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Anwendung als ergänzende Therapie bei isolierten Knorpelschäden und lediglich bei frühen Formen der Gonarthrose zu favorisieren ist. Dabei sollte auf eine objektiv zurückhaltende Aufklärung der Patienten geachtet werden, ohne falsche Versprechungen zum ohnehin geschwächten Regenerationspotential degenerativer Erkrankungen zu machen. Die Patientenauswahl für die Indikationen (Tab. 3) sollte unter den oben genannten Aspekten sorgfältig und restriktiv erfolgen - besonders wenn Risikofaktoren (Adipositas, non-compliant, Achsendeformitäten, Bandinstabilitäten, subtotale Meniskusresektionen) vorhanden sind, die eine schnelle Progredienz der OA sorgen.

Bei der Durchführung von Studien wird in Zukunft mehr berücksichtigt werden, dass PRP aufgrund seiner variablen Zusammensetzung nicht mit einem pharmazeutischen Produkt gleichzusetzen ist. Mautner und Mitarbeiter [27] forderten daher eine standardisierte Klassifikation für PRP, welches sich an der Zusammensetzung und den wichtigen Charakteristiken orientiert. Für den besseren Nachweis der Therapieeffizienz müsste das individuelle Produkt PRP genauer auf Bestandteile wie Leukozyten, Erythrozyten und idealerweise Wachstumsfaktoren untersucht sowie klassifiziert werden. So wird in der jüngeren Literatur bereits zwischen Leukozyten-reichen (LR-PRP) und Leukozyten-armem (LP-PRP) PRP unterschieden [21]. Außerdem fordern weitere Autoren mehr auf die Konzentration einzelner Wachstums-Faktoren, im Besonderen TGF-?1, PDGF-AB, PDGF-BB, VEGF EGF, und ihre Bedeutung einzugehen. Zukünftige größer angelegte RCT müssen die vorgenannten Ergebnisse bestätigen und stärker auf das Problem der unterschiedlichen Herstellungsmethoden, die individuell unterschiedlichen Beschaffenheit (Variabilität) bei jeder Herstellung und auf die stark variierenden Anwendungsalgorithmen (Anzahl der Injektionen und Zeitabstände) eingehen.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. Erhan Basad

ATOS-Klinik

Zentrum für Hüft-, Knie-Endoprothetik

und Regenerative Gelenkchirurgie

Bismarckstraße 9–15

69115 Heidelberg

basad@atos.de

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