Übersichtsarbeiten - OUP 03/2015

Die Sonografie zur differenzierten Abklärung von Schmezzuständen des Hüftgelenks im Kindes- und Jugendalter

H. Gaulrapp1

Zusammenfassung: Schmerzen am Hüftgelenk gehören zu den häufigsten Beschwerden der Extremitäten im Wachstumsalter. Schmerzzustände des kindlichen Hüftgelenks können mithilfe der Sonografie unmittelbar differenziert diagnostiziert werden. Dazu gehört insbesondere die Abklärung von Gelenkerguss, Hämarthros und Pyarthros, der Verbreiterung der Synovialis und einer Angioneogenese bei chronischer Coxitis. Mit der sonografisch wie im Röntgen dokumentiertbaren Lateralisation des Hüftgelenks werden differenzierte Ansatzpunkte für das therapeutische Vorgehen bei M. Perthes möglich. Injektionen und Punktionen des Hüftgelenks werden sonografisch erleichtert. Die seitenvergleichende Sonografie stellt ein unverzichtbares Muss in der Abklärung kindlicher Hüftschmerzen dar.

Schlüsselwörter: Ultraschall, Hüftgelenk, Schmerzen, Kindes- und Jugendalter

Zitierweise
Gaulrapp H. Die Sonografie zur differenzierten Abklärung von Schmerzzuständen des Hüftgelenks im Kindes- und Jugendalter.
OUP 2015; 03: 145–149 DOI 10.3238/oup.2015.0145–0149

Summary: Hip pain accounts for one of the most recorded complaints in pediatric orthopedics. Immediate diagnosis of joint effusion, hemarthrosis or septic infection, acute and chronic synovitis can be achieved by ultrasound. Lateralisation of the femoral head in M. Perthes can equally be displayed as in X-ray examination. Injection or puncture procedures to the hip joint can be facilitated. Ultrasonography is a must in the process of differential diagnosis in pediatric hip pain.

Keywords: sonography, hip joint, pediatric hip pain

Citation

Gaulrapp H. Ultrasound facilitates differential diagnosis of pediatric hip pain.
OUP 2015; 03: 145–149 DOI 10.3238/oup.2015.0145–0149

Schmerzen am Hüftgelenk gehören zu den häufigsten Beschwerden der Extremitäten im Wachstumsalter. In der bislang einzigen Erhebung an orthopädischen Kliniken in Deutschland 1997 stand deren Abklärung an 4. Stelle der Indikationsliste [10], obwohl diese auch heute fundiert empfohlen wird [14]. Alltägliche Beispiele aus der klinischen Praxis zeigen, dass in der Notaufnahme pädiatrischer, kinderchirurgischer und
orthopädisch-unfallchirurgischer Kliniken, aber auch in Praxen eine – Anamnese und klinische Untersuchung ergänzende sonografische Abklärung nicht oder nicht kompetent genug erfolgt. Tatsächlich vorliegende Entzündungen des Hüftgelenks werden mit Reizzuständen der periartikulären Weichteile oder Muskelzerrungen erklärt und entgehen somit einer korrekten Diagnose. Gründe hierfür liegen vermutlich in praktischen Missständen der Weiterbildung und Organisation oder honorarbedingter Unterlassung, die letztlich berufspolitisch zu lösen sind.

Bereits 1990 stellten Bickerstaff et al. [1] die hohe Wertigkeit der Sonografie in der Diagnostik und der Verlaufskontrolle von Hüftgelenkergüssen dar.

Im Folgenden sollen Wertigkeit und Aussagekraft der Sonografie in der Abklärung von schmerzenden Hüftgelenken anhand der dabei zu findenden relevantesten Erkrankungen erörtert werden.

Verschiedene Studien aus Klinikambulanzen zeigen, dass bei der Sonografie-Indikation „Schmerz“ bzw. „Kapseldistension“ des Hüftgelenks die Coxitis fugax am häufigsten diagnostiziert wird. Es folgen der M. Perthes und die Epiphysiolyse. Nicht selten allerdings findet sich kein pathologischer Befund, sodass eine relevante Pathologie des untersuchten Hüftgelenks dann sonografisch ausgeschlossen werden kann. Trotz ihres nur vereinzelten Vorkommens dürfen rheumatische und insbesondere septische Hüftentzündungen jedoch nicht übersehen werden (Tab. 1) [2, 9, 16].

Sonografische Untersuchung

Der Patient liegt bei der Ultraschalluntersuchung auf dem Rücken. Besteht eine starke Schonhaltung in Hüftbeugung, so kann das Knie der betroffenen Seite durch eine Rolle unterlagert werden. Vorzugsweise werden Schallköpfe mit einer Länge von ? 5 cm verwendet. Dies hängt von der Größe des zu untersuchenden Hüftgelenks und somit von der Körpergröße ab (Abb. 1). Der Fokus sollte in Höhe des Hüftkopfs liegen.

Im ventralen Standardschnitt über dem Hüftgelenk werden dann die knöchernen Konturen des Pfannenrands, des Hüftkopfes sowie des Schenkelhalses und die echogen über dem echoarmen Hüftgelenksknorpel und den nicht verknöcherten Anteilen des femoralen Anteils des Hüftgelenks ziehende Hüftgelenkskapsel bis zu ihrer Insertion distal am Schenkelhals verfolgt. Über das Hüftgelenk verläuft echoreich/echoarm gefiedert der M. iliopsoas. Durch leichte Lateralverschiebung des Schallkopfes wird der M. Rectus femoris erkennbar, der sich von der Spina iliaca anterior inferior bis nach distal abgrenzen lässt (Abb. 2) [4].

Abbildung 3 zeigt nach Schuss beim Fußballspiel einen knöchernen Ausriss des M. Rectus femoris aus der Spina iliaca anterior inferior als DD einer artikulär bedingten Schmerzhaftigkeit des Hüftgelenks. Weiter oberflächlich entspringen gemeinsam von der Spina iliaca anterior superior die Mm. sartorius und tensor fasciae latae. An diesen Muskelstrukturen können sich ebenfalls differenzialdiagnostisch relevante knöcherne Muskelausrisse ereignen.

Coxitis fugax

Ist im ventralen Longitudinalschnitt eine Abhebung der Hüftgelenkkapsel im distalen Anteil durch zumeist echofreie Flüssigkeit sichtbar, so liegt eine Coxitis, also eine Hüftgelenkentzündung vor (Abb. 4). Zumeist handelt es sich um eine harmlose, jedoch klinisch schmerzhafte und zum Hinken führende Coxitis fugax als reaktive begleitende Arthritis im Rahmen eines allgemeinen Infekts, die nur der Beobachtung bedarf, nicht jedoch invasiver Abklärung [15]. Betroffen sind meist Kleinkinder vom 3. Lebensjahr an. Je älter die Kinder werden, umso seltener werden Coxitis-fugax-Fälle beobachtet.

Septische Coxitis

Allerdings muss unterstrichen werden, dass niemals sonografisch eine mit tief greifenden Konsequenzen einhergehende septische Coxitis ausgeschlossen werden darf [12, 13]. Daher ist bei entsprechendem klinischen Verdacht eine Kontrolle der Laborwerte angezeigt und mitunter eine schnelle operative Entlastung des betroffenen Gelenks unumgänglich.

Hüftgelenkergüsse sind im Verlauf zu kontrollieren, denn ein chronischer Gelenkerguss spricht für ein aktiviertes Krankheitsgeschehen.

Rheumatische Coxitis

Obwohl mitunter im Vergleich zur Coxitis fugax eine Verbreiterung der Synovialis beobachtet werden kann, ist sonografisch keine Spezifizierung möglich. Die Gegenseite und andere klinisch verdächtige Gelenke sind in jedem Fall sonografisch mit zu untersuchen. Bei rheumatologischer Genese kann das Power-Doppler-Signal eine Angioneogenese in der Gelenkschleimhaut aufzeigen.

M. Perthes

Besteht ein Hüftgelenkerguss länger als 3 Wochen, so ist neben der Möglichkeit einer rheumatischen Genese ein M. Perthes im Initialstadium oder Kondensationsstadium nicht selten. In den späteren Stadien dieser Erkrankung findet sich dann in der Regel keine Ergussbildung mehr. Das Theorem des ergussbedingt vermehrten intraartikulären Drucks mit der Folge einer hierdurch verursachten avaskulären Hüftkopfnekrose wird aktuell nicht mehr diskutiert [1, 15, 19].

Abb. 5 zeigt eine Verbreiterung des synovialen Randsaums und leichten Erguss. Hier liegt jedoch keine Coxitis fugax vor. Der knöcherne Reflex des subchondralen Knochens des epiphysären Anteils des Hüftkopfs zeigt initiale Deformierung im Übergang Initial/Kondensationsstadium eines M. Perthes. Der Vorteil der Sonografie ist dabei, dass der femorale Gelenkanteil in multiplen Schnittebenen von ventral nach lateral um den Hüftkopf herum dargestellt werden kann [9, 11, 16].

Im Fragmentationsstadium sind in den beiden longitudinalen Standardschnitten ventral und lateral neben der noch sichtbaren Kapseldistension aufgrund intraartikulärer Flüssigkeitsvermehrung und synovialer Verbreiterung bereits deutliche knöcherne Deformitäten zu sehen (Abb. 6–7).

Dabei ergeben sich in Bezug auf die knöcherne Oberfläche teilweise bestechende Analogien im Röntgenbild (Abb. 8) und Ultraschallschnittbild (Abb. 9). Klinisch wird im weiteren Verlauf vor allem die mögliche Lateralisation des Hüftgelenks bedeutsam. Diese lässt sich sonografisch genauso gut wie im Röntgenbild abgrenzen [11, 17, 18]. Die Sonografie stellt somit einen Teil der für die Therapie und Prognose bedeutsamen Containment-Diagnostik dar.

Labrum acetabulare

Schmerzen aufgrund einer Restdysplasie der Hüftpfanne oder des Labrum acetabulare treten im Kindeslater kaum auf. Dennoch muss darauf hingewiesen werden, dass auch nach dem 1. Lebensjahr Fehlanlagen sowohl des knöchernen Pfannenrands als auch des Labrums sonografisch dargestellt werden können. Die Abklärung auf Defekte, Deformierung und mangelnde Mobilität des Labrums erfolgt direkt unterhalb der von Graf beschriebenen echofreien knorpeligen Aussparung in multiplanaren Schnitten.

Abbildung 9 zeigt bei einem 6 Jahre alten Mädchen mit Hüftdysplasie rechts im frontalen Längsschnitt einen deutlichen Überstand des Femurkopfs nach lateral. Der Erkerknorpel ist breit, das Labrum acetabulare ausgestellt, aber noch nicht verformt. Es kommt in dynamischer Untersuchung bei Belastung jedoch unter Druck. Im Röntgenbild findet sich ein CE-Winkel von 16° mit erkernaher subchondraler Sklerose des Acetabulum und nahezu horizontaler Epiphysenfuge.

Epiphysiolysis capitis femoris

Auch für die Epiphysiolysis capitis femoris wird berichtet, dass die sonografische Diagnostik zusätzlich zu der selbstverständlich obligaten Röntgenbildgebung in 2 Ebenen therapeutisch wertvolle Hinweise gibt. Dies gilt insbesondere für die Darstellung eines Gelenkergusses oder Hämarthros bei akuter Krankheitsform. Diese können in der Folge sonografisch unterstützt punktiert und somit entlastet werden. Vor allem aber können durch sonografisches Screening bei schmerzhafter Hüfte durch Veränderungen der knöchernen Oberfläche zwischen Epiphyse und Metaphyse im Seitenvergleich Verdachtsfälle erkannt und radiologisch abgeklärt werden [3, 5, 6, 7, 8, 20].

Schenkelhalsfraktur

In seltenen Fällen liegt nach kindlichem Hüftgelenktrauma trotz unauffälligen Röntgenbild eine intraartikuläre Schenkelhalsfraktur vor, die sich sonografisch durch Hämarthros abzeichnet. Auch hier ist der Vorteil die multiplanare Darstellbarkeit.

Hüftgelenkpunktion

Sonografisch kontrolliert lassen sich für die meisten Hüftgelenkerkrankungen strahlungsarm und meist direkt zugänglich Injektionen und Punktionen durchführen [15]. Hierfür ist insbesondere die nicht direkt sonografisch kontrollierte, sondern die sonografisch unterstützte Technik zu empfehlen.

Hierbei wird zunächst im ventralen Longitudinalschnitt die Punktionsstelle mit einem unter den Schallkopf geschobenen Stift exakt bestimmt. In das danach angelegte Fadenkreuz wird streng senkrecht injiziert bzw. punktiert (Abb. 10 und 11). Die notwendige Stichtiefe kann vorher am Monitor genau festgelegt werden. Der wesentliche Vorteil dieses Vorgehens liegt im deutlich geringeren Aufwand.

Zusammenfassung

Die Sonografie des schmerzhaften kindlichen bzw. jugendlichen Hüftgelenks ergänzt Anamnese und Klinik unmittelbar, bedside und realtime, sodass eine Reihe differenzierter Diagnosen unverzüglich und gut begründet festgestellt oder aber ausgeschlossen werden kann. Dazu gehört insbesondere die Abklärung von Gelenkerguss, Hämarthros und Pyarthros, der Verbreiterung der Synovialis und einer Angioneogenese bei chronischer Coxitis, die Hinweise auf ein entzündliches Krankheitsgeschehen geben können. Im Vergleich zum Röntgen ist zwar nur die Oberfläche knöcherner Strukturen darstellbar. Mit der sonografisch wie im Röntgen dokumentiertbaren Lateralisation des Hüftgelenks werden jedoch differenzierte Ansatzpunkte für das therapeutische Vorgehen bei M. Perthes möglich. Nicht zuletzt erleichtert die Sonografie direkte und strahlungsfreie Injektionen und Punktionen des Hüftgelenks. Für die Abklärung von Schmerzzuständen am kindlichen und jugendlichen Hüftgelenk ist die seitenvergleichende Sonografie somit ein unverzichtbares Muss und nicht bloß eine fakultative bildgebende Alternative.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. Hartmut Gaulrapp

Orthopädie, Kinderorthopädie,

Sportmedizin

Leopoldstraße 25

80802 München

gaulrapp.dr@gmx.net

Literatur

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Fussnoten

1 Facharztpraxis für Orthopädie und Kinderorthopädie München-Schwabing

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