Übersichtsarbeiten - OUP 03/2015

Die Sonografie zur differenzierten Abklärung von Schmezzuständen des Hüftgelenks im Kindes- und Jugendalter

Besteht ein Hüftgelenkerguss länger als 3 Wochen, so ist neben der Möglichkeit einer rheumatischen Genese ein M. Perthes im Initialstadium oder Kondensationsstadium nicht selten. In den späteren Stadien dieser Erkrankung findet sich dann in der Regel keine Ergussbildung mehr. Das Theorem des ergussbedingt vermehrten intraartikulären Drucks mit der Folge einer hierdurch verursachten avaskulären Hüftkopfnekrose wird aktuell nicht mehr diskutiert [1, 15, 19].

Abb. 5 zeigt eine Verbreiterung des synovialen Randsaums und leichten Erguss. Hier liegt jedoch keine Coxitis fugax vor. Der knöcherne Reflex des subchondralen Knochens des epiphysären Anteils des Hüftkopfs zeigt initiale Deformierung im Übergang Initial/Kondensationsstadium eines M. Perthes. Der Vorteil der Sonografie ist dabei, dass der femorale Gelenkanteil in multiplen Schnittebenen von ventral nach lateral um den Hüftkopf herum dargestellt werden kann [9, 11, 16].

Im Fragmentationsstadium sind in den beiden longitudinalen Standardschnitten ventral und lateral neben der noch sichtbaren Kapseldistension aufgrund intraartikulärer Flüssigkeitsvermehrung und synovialer Verbreiterung bereits deutliche knöcherne Deformitäten zu sehen (Abb. 6–7).

Dabei ergeben sich in Bezug auf die knöcherne Oberfläche teilweise bestechende Analogien im Röntgenbild (Abb. 8) und Ultraschallschnittbild (Abb. 9). Klinisch wird im weiteren Verlauf vor allem die mögliche Lateralisation des Hüftgelenks bedeutsam. Diese lässt sich sonografisch genauso gut wie im Röntgenbild abgrenzen [11, 17, 18]. Die Sonografie stellt somit einen Teil der für die Therapie und Prognose bedeutsamen Containment-Diagnostik dar.

Labrum acetabulare

Schmerzen aufgrund einer Restdysplasie der Hüftpfanne oder des Labrum acetabulare treten im Kindeslater kaum auf. Dennoch muss darauf hingewiesen werden, dass auch nach dem 1. Lebensjahr Fehlanlagen sowohl des knöchernen Pfannenrands als auch des Labrums sonografisch dargestellt werden können. Die Abklärung auf Defekte, Deformierung und mangelnde Mobilität des Labrums erfolgt direkt unterhalb der von Graf beschriebenen echofreien knorpeligen Aussparung in multiplanaren Schnitten.

Abbildung 9 zeigt bei einem 6 Jahre alten Mädchen mit Hüftdysplasie rechts im frontalen Längsschnitt einen deutlichen Überstand des Femurkopfs nach lateral. Der Erkerknorpel ist breit, das Labrum acetabulare ausgestellt, aber noch nicht verformt. Es kommt in dynamischer Untersuchung bei Belastung jedoch unter Druck. Im Röntgenbild findet sich ein CE-Winkel von 16° mit erkernaher subchondraler Sklerose des Acetabulum und nahezu horizontaler Epiphysenfuge.

Epiphysiolysis capitis femoris

Auch für die Epiphysiolysis capitis femoris wird berichtet, dass die sonografische Diagnostik zusätzlich zu der selbstverständlich obligaten Röntgenbildgebung in 2 Ebenen therapeutisch wertvolle Hinweise gibt. Dies gilt insbesondere für die Darstellung eines Gelenkergusses oder Hämarthros bei akuter Krankheitsform. Diese können in der Folge sonografisch unterstützt punktiert und somit entlastet werden. Vor allem aber können durch sonografisches Screening bei schmerzhafter Hüfte durch Veränderungen der knöchernen Oberfläche zwischen Epiphyse und Metaphyse im Seitenvergleich Verdachtsfälle erkannt und radiologisch abgeklärt werden [3, 5, 6, 7, 8, 20].

Schenkelhalsfraktur

In seltenen Fällen liegt nach kindlichem Hüftgelenktrauma trotz unauffälligen Röntgenbild eine intraartikuläre Schenkelhalsfraktur vor, die sich sonografisch durch Hämarthros abzeichnet. Auch hier ist der Vorteil die multiplanare Darstellbarkeit.

Hüftgelenkpunktion

Sonografisch kontrolliert lassen sich für die meisten Hüftgelenkerkrankungen strahlungsarm und meist direkt zugänglich Injektionen und Punktionen durchführen [15]. Hierfür ist insbesondere die nicht direkt sonografisch kontrollierte, sondern die sonografisch unterstützte Technik zu empfehlen.

Hierbei wird zunächst im ventralen Longitudinalschnitt die Punktionsstelle mit einem unter den Schallkopf geschobenen Stift exakt bestimmt. In das danach angelegte Fadenkreuz wird streng senkrecht injiziert bzw. punktiert (Abb. 10 und 11). Die notwendige Stichtiefe kann vorher am Monitor genau festgelegt werden. Der wesentliche Vorteil dieses Vorgehens liegt im deutlich geringeren Aufwand.

Zusammenfassung

Die Sonografie des schmerzhaften kindlichen bzw. jugendlichen Hüftgelenks ergänzt Anamnese und Klinik unmittelbar, bedside und realtime, sodass eine Reihe differenzierter Diagnosen unverzüglich und gut begründet festgestellt oder aber ausgeschlossen werden kann. Dazu gehört insbesondere die Abklärung von Gelenkerguss, Hämarthros und Pyarthros, der Verbreiterung der Synovialis und einer Angioneogenese bei chronischer Coxitis, die Hinweise auf ein entzündliches Krankheitsgeschehen geben können. Im Vergleich zum Röntgen ist zwar nur die Oberfläche knöcherner Strukturen darstellbar. Mit der sonografisch wie im Röntgen dokumentiertbaren Lateralisation des Hüftgelenks werden jedoch differenzierte Ansatzpunkte für das therapeutische Vorgehen bei M. Perthes möglich. Nicht zuletzt erleichtert die Sonografie direkte und strahlungsfreie Injektionen und Punktionen des Hüftgelenks. Für die Abklärung von Schmerzzuständen am kindlichen und jugendlichen Hüftgelenk ist die seitenvergleichende Sonografie somit ein unverzichtbares Muss und nicht bloß eine fakultative bildgebende Alternative.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. Hartmut Gaulrapp

Orthopädie, Kinderorthopädie,

Sportmedizin

Leopoldstraße 25

80802 München

gaulrapp.dr@gmx.net

Literatur

1. Bickerstaff DR, Neal LM, Booth AJ, Brennan PO, Bell MJ. Ultrasound examination of the irritable hip. JBJS (Br) 1990; 72-B: 549–553

2. Bosch R, Niedermeier C, Heimkes B. Stellenwert der Sonographie in der Differentialdiagnose des kindlichen Hüftgelenksergusses (M. Perthes, C. fugax, Epiphysiolysis capitis femoris). Z Orthop 1998; 136: 412–419

3. Castriota-Scanderbeg A, Orsi E. Slipped capital femoral epiphysis: ultrasonographic findings. Skeletal Radiol. 1993; 22: 191–193

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