Übersichtsarbeiten - OUP 09/2017

Die Wertigkeit von diagnostischen Parametern in der Abklärung von periprothetischen Infektionen

Georg Mattiassich1, 2, Reinhold Ortmaier1, Josef Hochreiter1

Zusammenfassung: Trotz der Fortschritte der letzten Jahre ist eine zweifelsfreie Diagnose zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gegeben. Durch neue diagnostische Möglichkeiten und Verfeinerung der bereits bestehenden Algorithmen wird in Zukunft auch die noch genauere Abklärung unsicherer Fälle einer periprothetischen Infektion möglich sein.

Schlüsselwörter: periprothetische Infektionen; Diagnose; Diagnostik; Knieinfekt; Knieendoprothese; Knietotalendoprothese

Zitierweise
Mattiassich G, Ortmaier R, Hochreiter J: Die Wertigkeit von diagnostischen Parametern in der Abklärung von periprothetischen Infektionen. OUP 2017; 9: 420–424 DOI 10.3238/oup.2017.0420–0424

Summary: Despite progress made in recent years, there is still no unequivocal diagnosis at this time. By means of new diagnostic possibilities and refinement of the existing algorithms, the even more precise clarification of uncertain cases of a periprosthetic infection will be possible in the future.

Keywords: periprosthetic infections; diagnosis; diagnostics; knee infection; knee replacement; total knee replacement

Citation
Mattiassich G, Ortmaier R, Hochreiter J: The importance of diagnostic parameters in the diagnosis of periprosthetic infections.
OUP 2017; 9: 420–424 DOI 10.3238/oup.2017.0420–0424

Hintergrund
und Epidemiologie

Die Implantation von Hüft- und Knietotalendoprothesen gehört zu den erfolgreichsten Operationen mit hoher Patientenzufriedenheit. Periprothetische Infektionen (PPI) sind allerdings eine Hauptursache für das Versagen einer Prothese [32]. Die Infektionsrate nach Implantation einer primären Knieendoprothese liegt zwischen 0,4 % und 2 %, steigt jedoch bei chronischer Polyarthritis oder im Falle einer Revision auf 4–5 % [4, 5, 23, 37]. Zwar scheint die Diagnose des PPI durch Diagnosekriterien und verschiedene Abklärungsalgorithmen hinreichend suffizient möglich zu sein, die Diagnose der sogenannten Low-grade-Infekte ist jedoch schwierig.

Diagnosekriterien

Aufgrund von Unsicherheiten in der Abklärung wurden Diagnosekriterien, wie die der Musculoskeletal Infection Society (MSIS) oder nach dem International Consensus meeting (ICM) 2013 erstellt [36, 53]. So werden klinische und laborchemische Auffälligkeiten in Major- und Minor-Kriterien unterteilt. Sollte eines von 2 Major-Kriterien erfüllt sein bzw. 3 von 5 Minor-Kriterien, ist die Diagnose einer PPI anzunehmen.

Als Major-Kriterien wurden 2 positive Kulturen periprothetischen Gewebes oder Flüssigkeit mit phänotypisch identen Erregern oder eine Fistel mit Kommunikation zum Gelenk festgelegt. Wenn 3 der folgenden 5 Minor-Kriterien vorliegen, wird dieses ebenfalls als positives Ergebnis gewertet:

  • 1. Erhöhtes Serum-CRP (C-reaktives Protein) (> 100 mg/l bei akuter PPI; > 10 mg/l bei chronischer PPI) UND erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) (kein Grenzwert bei akuter PPI; > 30 mm/h bei chronischer PPI).
  • 2. Erhöhte Leukozytenzahl in der Synoviaanalyse (> 10.000 Zellen/ml bei akuter PPI; > 3000 Zellen/ml bei chronischer PPI) oder 2 „++“ positiver Farbänderung im Leukozytenesterase-Streifen-Test der Gelenkflüssigkeit.
  • 3. Erhöhter Anteil der neutrophilen Granulozyten in der Gelenkflüssigkeit (> 90 % bei akuter PPI; > 80 % bei chronischer PPI).
  • 4. Positive Histologie periprothetischen Gewebes (mehr als 5 neutrophile Granulozyten pro High-power-field, entsprechend einer 40-fachen Vergrößerung).
  • 5. Eine positive Kultur periprothetischen Gewebes oder Flüssigkeit.

Zu bemerken ist, dass Grenzwerte von BSG und CRP nach unicondylärem Kniegelenkersatz zwar gleich sind wie bei einer Totalendoprothese, synoviale Biomarker sich jedoch unterscheiden [40]. Im Folgenden soll auf die einzelnen Untersuchungsschritte und deren diagnostische Wertigkeit eingegangen werden.

Anamnese

In der Anamnese sollte besonders erfragt werden, ob beim Patienten eine komplizierte Wundheilung gegeben war, ob die Notwendigkeit einer Antibiotikabehandlung bestand oder ob eine persistierende Sekretion mit andauernden Schmerzen vorgelegen hat.

Ein höheres Risiko der PPI haben Patienten, welche kürzlich eine Bakteriämie erlitten haben, mehrfache Revisionen am betroffen Gelenk hatten, bereits einmal einen PPI hatten oder Co-Morbiditäten aufweisen, die eine Immundefizienz nach sich ziehen [7–9, 38].

Klinische Untersuchung

Kommt es innerhalb von 3 Monaten zu rasch einsetzenden Symptomen von Schmerz oder Bewegungseinschränkung, handelt es sich meist um hoch-pathogene Keime. Die Infektion steht dann meist in direktem Zusammenhang mit der Implantation oder postoperativen Wundkomplikationen. Typische Symptome sind Infektionszeichen wie Ödem, Rötung, Überwärmung und Fieber. Ein intra-artikulärer Erguss, Wunddehiszenz, persistierende Sekretion, oberflächliche Nekrosen, lokale Entzündungen sowie Hämatome sind weitere Zeichen der Infektion [27].

Während innerhalb des ersten Jahres nach primär gut funktionierender Prothese häufig niedrig-pathogene Erreger wie Propionibacterium acnes oder koagulase-negative Erreger eine PPI auslösen, handelt es sich danach in den meisten Fällen um eine hämatogene Streuung anderer Ursache.

Radiologische Zeichen

Das Röntgen dient zum Nachweis einer Prothesenlockerung bzw. zum Ausschluss von mechanischen Komplikationen und Gleitflächenabrieb. Typische radiologische Zeichen eines Infekts sind selten, da die klinischen und laborchemischen Befunde den radiologischen Zeichen in der Regel vorauseilen. Eine fokale Osteopenie, Osteolysen (> 2 mm an der Metall-Knochen- oder Knochen-Zement-Grenze), subperiostale Abhebungen, Zementfrakturen und transkortikale Fisteln werden als radiologische Zeichen beschrieben [27, 44].

Eine Computertomografie- (CT) oder Magnetresonanz-Abklärung (MRT) bringen meist keine zusätzliche Information hinsichtlich einer Infektion [12, 28]. Die Sonografie kann lediglich bei signifikanter Flüssigkeitsretention Anwendung finden. Ein direkter Infektnachweis ist jedoch auch hier nicht möglich [41].

Nuklearmedizinische
Verfahren

Eine Vielzahl unterschiedlicher nuklearmedizinischer Methoden wurde beschrieben. Eine Meta-Analyse an 11 Studien zeigte eine Sensitivität der Fluorodeoxyglucose-PET (FDG-PET) bei Hüft- und Knieprothesen von 82,1 % bei einer Spezifität von 86,6 %. Dennoch bestand eine große Heterogenität der Ergebnisse [25].

Labordiagnostik
aus dem Serum

Blutsenkungsgeschwindigkeit und C-reaktives Protein

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