Übersichtsarbeiten - OUP 02/2015

Differenzialdiagnostik bei Schmerzen nach Hüftendoprothese

Besonders schwierig ist insbesondere bei solchen schleichenden Verläufen, die Differenzialdiagnose zum periprothetischen Infekt. Ein einzelnes Untersuchungsverfahren stellt hier keine 100-prozentige Sicherheit dar. Letztendlich wird man immer laborchemische Parameter wie das CRP mit einer Aspiration und die Gewebegewinnung normalerweise in Form einer Trockenbiopsie kombinieren müssen (Tab. 3).

Im Rahmen der Laboruntersuchung gilt es bei Infektverdacht neben dem Blutbild insbesondere das C-reaktive Protein zu untersuchen. Die Interpretation sollte jedoch auch nur im Gesamtbild aller diagnostischen Mosaiksteine erfolgen. Erhöhte Entzündungsparameter haben eine hohe Sensibilität bei nur geringer Spezifität für das Vorliegen eines Protheseninfektes [35]. Es gibt jedoch auch durchaus völlig normale CRP-Werte bei sogenannten Low-grade-Infekten [36]. Die Bestimmung weiterer Laborparameter wie Interleukin-6, Procalcitonin oder „receptor activator of nuclear factor kappa-B ligand“ (RANKL) spielen im klinischen Alltag keine Rolle.

Eine diagnostische Abklärung mittels einer Szintigrafie hilft allenfalls in der späten Phase weiter; ansonsten muss die Skelettszintigrafie kritisch gesehen werden. Sie hat eine hohe Sensibilität für die Diagnose einer Prothesenlockerung, jedoch eine sehr geringe Spezifität [37, 38]. Innerhalb des ersten Jahres nach endoprothetischer Versorgung, insbesondere bei zementfreien Systemen, ist die Szintigrafie aufgrund der postoperativen Umbauprozesse nicht verwertbar. Insgesamt sind die Angaben in der Literatur hierzu sehr uneinheitlich.

Eine Mehrspeicherung der Szintigrafie bei Hüftendoprothesen-Patienten wurde bei beschwerdefreien Hüftendoprothesen-Patienten regelhaft bis zu einem Jahr dokumentiert [39, 40, 41]. Es gibt sogar Literaturstellen, die 4 Jahre nach der Implantation einer zementfreien, fest sitzenden Prothese Prozesse nachweisen, die dann nicht fälschlicherweise als Lockerungszeichen interpretiert werden dürfen [42].

Bei Infektverdacht ist die Punktion obligat. Es sollte darauf geachtet werden, dass ein eventuell vorbereitend genommenes Antibiotikum 2 Wochen vor der Punktion abgesetzt wurde. Die Punktion erfolgt dann in der Regel unter Bildwandlerkontrolle unter sterilen Bedingungen ohne Lokalanästhesie (bakteriostatischer Effekt). Das Aspirat muss über 14 Tage bebrütet werden, um beispielsweise Proprioni-Bakterien auch nachweisen zu können. Es erfolgt eine separate Synovialanalyse. Bei einer Leukozytenzahl von mindestens 0,5 x 109/l und einem hohen Anteil neutrophiler Granulozyten (> 65 %) muss sehr wahrscheinlich von einer infizierten Prothese ausgegangen werden [43].

Die Entnahme von Gewebeproben hat im deutschen Sprachraum einen festen Bestandteil bei der Infektdiagnostik erhalten. Dieses ist in Nordamerika nicht so der Fall. Es sollen in offener Technik oder als Trockenbiopsie mindestens 5 Proben aus der Gelenkschleimhaut entnommen werden, die dann histologisch und mikrobiologisch untersucht werden. Diese Technik ist der reinen Punktion deutlich überlegen [44].

Das bioptisch gewonnene Gewebe erlaubt zum einen die mikrobiologische Untersuchung, zum anderen die feingewebliche histologische Aufarbeitung mit der Abklärung des Gewebetypes nach Krenn (Tab. 4). Auch bei der differenzialdiagnostischen Betrachtung ob ein Infekt oder eine Abrieberkrankung vorliegen, ist die histologische Untersuchung ganz entscheidend.

Hüftferne
Differenzialdiagnosen

Pathologien im Bereich der Lendenwirbelsäule können vor allen Dingen auf Grund von Affektionen der lumbalen und sakralen Spinalwurzeln zu Beschwerden im Bereich des Hüftgelenks führen. Aber auch Störungen der funktionellen Kette können Leistenschmerzen verursachen. Ätiologisch können hier degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule wie Wirbelkanalstenosen, Traumata, osteoporotisch bedingte Wirbelkörperdeformierungen aber auch Tumoren eine Rolle spielen.

Während Affektionen der Facettengelenke eher zu einer pseudoradikulären dorsalen Schmerzausstrahlung führen, können Nervenwurzelaffektionen von L2 bis L4 durchaus auch ventrale coxalgieforme Beschwerdebilder generieren. Ursache hierfür können wiederum durchaus hypertrophe Facettengelenke oder Instabilitäten eines lumbalen Wirbelsegments sein, wenn es hierdurch zu einer anatomischen oder funktionellen Stenose kommt, welche dann die entsprechende Spinalwurzel komprimiert. Entzündliche Erkrankungen im Sinne der Spondyloditis oder gar im Sinne eines Senkungsabszesses sind zweifelsfrei eher seltene Differenzialdiagnosen, müssen jedoch bei der Gesamtabklärung Berücksichtigung finden. Ähnliches gilt für primäre oder sekundäre Tumoren im Bereich der lumbalen Wirbelsäule. Beim älteren Patienten sind auch osteoporotische Wirbelkörper als Differenzialdiagnosen mit einzubeziehen.

Pathologien im Bereich des Beckens: Neben orthopädisch-unfallchirurgischen Krankheitsbildern gibt es hier auch Prozesse aus dem gynäkologischen oder urologischen Fachgebiet mit abzuklären. Stressfaktoren im Bereich der Massa lateralis betreffen häufig den Patienten mit einer zugrunde liegenden Osteoporose. Finden sich hier Auffälligkeiten im Röntgenbild, so gilt es, mit einer Computertomografie weitergehende Verletzungen des Beckens abzuklären, insbesondere die Frage, ob es sich hier nicht sogar um eine instabile Beckenringfraktur handelt.

Pathologien im Bereich der unteren Extremität: Distal der Prothese befindliche, ossäre Prozesse am distalen Femur oder Kniegelenk können auch eine Ursache für periprothetische Schmerzsyndrome darstellen. Eine einfache Röntgenaufnahme des Kniegelenks kann häufig abklären, inwieweit eine Gonarthrose differenzialdiagnostisch eine Rolle spielt.

Gefäßbedingte Veränderungen: Auch die gefäßchirurgische Abklärung, beginnend mit der Bauchaorta, ist bei ansonsten nicht erklärlichen periprothetischen Schmerzensyndromen indiziert.

Neurologische Pathologien: Je nach Operationszugang gibt es unterschiedliche Risiken für die jeweiligen neurogenen Strukturen um das Hüftgelenk herum. Bei einem streng anterioren Zugang kann es durchaus zu einer Kompression des Nervus cutaneus femoris lateralis mit der entsprechenden Parästhesie und teilweise brennenden Schmerzen im Bereich des anterolateralen Oberschenkels im Sinne Meralgia paraestetica kommen. Operationsbedingte Läsionen von Nervus femoralis und Nervus ischiaticus verursachen eher distal betonte Beschwerden und sind nur selten dem Hüftgelenk selbst zuzuordnen. Hierbei handelt es sich keinesfalls um eine ausgesprochen seltene Komplikation. Die Gesamtinzidenz von neurologischen Komplikationen nach Hüftgelenkersatz reicht von 0,6 % [46] bis 2,24 % [47]. Hierbei gibt es zweifellos bestimmte Risikogruppen. Zu denen zählen Patienten mit Hüftdysplasien sowie Revisionsoperationen. Ursachen für den Nervenschaden können insbesondere Beinverlängerungen und fasciale Hämatome, Prothesenluxation oder direkte Nervenschädigungen sein.

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