Übersichtsarbeiten - OUP 06/2018

Distale Humerusfrakturen
Epidemiologie, Diagnostik, Klassifikation, operative Techniken, ErgebnisseEpidemiology, diagnostics, classification, surgical approach, outcome

Andreas Harbrecht1, Michael Hackl1, Lars-Peter Müller1, Kilian Wegmann1

Zusammenfassung: Distale Humerusfrakturen sind häufig komplexe Verletzungen, die einen sorgfältig geplanten Therapieansatz benötigen. Ziel ist es, ein Höchstmaß an Stabilität und Funktionalität für das Ellenbogengelenk wiederzuerlangen. Therapie der Wahl ist die Osteosynthese, um den Patienten möglichst frühzeitig Übungsstabilität zu ermöglichen. Die Fraktur wird anhand der AO-Klassifikation, unter Zuhilfenahme der Dubberley-Klassifikation bei Frakturen in der Frontalebene, eingeteilt. Je nach Frakturtyp reicht die Osteosynthese von Schrauben- bis hin zur Doppelplattenosteosynthese, welche parallel oder 90° versetzt angeordnet werden kann. Kombinationsverfahren sind häufig. Anatomisch vorgeformte winkelstabile Plattensysteme erreichen dabei auch bei osteoporotischem Knochen gute klinische Ergebnisse. Als Rückzugsverfahren steht beim geriatrischen Patienten die Ellenbogenprothetik zur Verfügung. Zu den häufigsten Komplikationen der operativen Eingriffe am distalen Humerus gehören die Ellenbogensteife, traumatische und posttraumatische Schäden des N. ulnaris, heterotope Ossifikationen, Pseudarthrosen und die posttraumatische Arthrose.

Schlüsselwörter: distale Humerusfraktur, Klassifikation, operative Techniken, Schraubenosteosynthese, Doppelplattenosteosynthese, klinisches Ergebnis

Zitierweise
Harbrecht A, Hackl M, Müller LP, Wegmann K: Distale Humerusfrakturen. Epidemiologie, Diagnostik, Klassifikation, operative Techniken, Ergebnisse.
OUP 2018; 7: 311–318 DOI 10.3238/oup.2018.0311–0318

Summary: Distal humerus fractures are difficult injuries that require a carefully planned approach. To restore the anatomy and achieve a satisfying functional outcome, surgical fixation represents the treatment of choice. Fractures are classified according to the AO-classification and according to the Dubberley-classification for fractures with coronal shearing. Depending on fracture morphology, fixation can be performed with screws but is most commonly done with bicolumnar double-plate osteosynthesis. Precontoured plates can be arranged parallel or perpendicular and achieve high stability as well as good functional outcome, also in case of osteoporosis. If reconstruction is not feasible, total elbow arthroplasty represents a useful salvage procedure in the elderly patient. The most common complications include elbow stiffness, traumatic and posttraumatic ulnar neuropathy, heterotopic ossification, non-union and post-traumatic arthrosis.

Keywords: distal humerus fractures, classification, surgical
technique, cannulated compression screws, double-plate
fixation, outcome

Citation
Harbrecht A, Hackl M, Müller LP, Wegmann K: Fractures of the
distal humerus. Epidemiology, diagnostics, classification, surgical
approach, outcome.
OUP 2018; 7: 311–318 DOI 10.3238/oup.2018.0311–0318

1 Schwerpunkt für Unfall-, Hand- und Ellenbogenchirurgie der Universität zu Köln

Epidemiologie und
Unfallmechanismus

Die Behandlung der distalen Oberarmfraktur beim Erwachsenen ist anspruchsvoll, geht nicht selten mit einer dauerhaften Reduktion der Funktion des betroffenen Ellenbogens einher und birgt potenzielle operative Komplikationen. Insgesamt tritt diese Entität selten auf. Sie macht einen Anteil von 2–6 % aller Frakturen mit einer Inzidenz von 5,7 pro 100.000 Einwohnern pro Jahr aus [9, 27]. Betrachtet man die demografische Entwicklung, so muss man mit einer steigenden Inzidenz aufgrund der steigenden Anzahl älterer Patienten mit osteoporotisch veränderter Knochenstruktur rechnen [24].

Es sind 2 Häufigkeitsgipfel in der Verteilung der Frakturen auszumachen. Der erste bei den 12- bis 19-jährigen Männern und ein weiterer bei Frauen über 80 Jahren [27].

Bei jungen Erwachsenen ist meist ein Hochrasanztrauma mit einer direkten Krafteinwirkung auf den Ellenbogen Ursache für eine Frakturentstehung am distalen Humerus. Bei den älteren Patienten, die meist osteoporotisch veränderte Knochenstrukturen aufweisen, ist ein Niedrigenergietrauma wie z.B. ein Stolpersturz mit axialer Stauchung des Ellenbogens durch Abfangen des Sturzes mit gestrecktem oder leicht gebeugtem Ellenbogen im Sinne eines indirekten Traumas ausreichend. Es sind aber auch direkte Frakturmechanismen durch unmittelbaren Anprall des Olekranons denkbar. Durch die unterschiedliche Stellung des Ellenbogengelenks zum Zeitpunkt der Krafteinwirkung entstehen verschiedene Frakturtypen.

Frakturklassifikation

Durchgesetzt hat sich im klinischen Alltag die Einteilung der Frakturen nach AO [20]. Sie ermöglicht ein frakturspezifisches therapeutisches Vorgehen. Entsprechend der Klassifikation sind die distalen Humerusfrakturen dem Segment 13 zuzuordnen und werden weiter in 3 Typen A–C mit Schweregraden unterteilt. (Tab. 1). Zusätzlich existieren Einteilungen nach Bryan und Morrey, McKee und Ring/Jupiter, welche rein deskriptiv sind und sich über die Fragmentgröße sowie den Grad der Zertrümmerung definieren [4]. Die 2006 eingeführte Dubberley-Klassifikation stellt eine Subklassifikation der B3-Frakturen dar. Es sind 3 Typen definiert.

Der erste Typ beschreibt eine Fraktur des Capitulum humeri als koronare Abscherung mit oder ohne Fraktur der lateralen Trochleawand,

der zweite Typ Frakturen von Capitulum und Trochlea als ein singuläres Abscherfragment, bei denen die Fraktur in der koronaren Ebene über das Capitulum bis einschließlich zur lateralen Trochlea reicht und der

dritte Typ Frakturen von Capitulum und Trochlea, wobei diese jedoch separat voneinander frakturiert sind.

Zusätzlich unterscheidet Dubberly in Typ-A- und -B-Frakturen. Bei Typ B ist eine posteriore Trümmerzone vorhanden [7].

Diagnostik

Unerlässlich ist eine ausführliche Anamnese und klinische Untersuchung. Erste Hinweise auf eine Fraktur können Schwellung, Schmerz, abnorme Achsfehlstellung sowie Weichteilmantelverletzungen sein. Ein Frakturhämatom ist oftmals initial noch nicht relevant ausgeprägt und demaskiert sich erst später. Eine genaue Untersuchung des verbliebenen Bewegungsausmaßes wird meist von Seiten der Patienten nicht toleriert. Die Dokumentation des Gefäß- und Nervenstatus ist obligat, um traumatische Schädigungen von iatrogenen oder intraoperativen Schäden abzugrenzen. Werden hierbei Schäden diagnostiziert, ist eine fachspezifische präoperative Vorstellung zu empfehlen.

Die Basisdiagnostik in der Bildgebung beinhaltet ein Röntgen des betroffenen Ellenbogens, evtl. erweitert durch ein Röntgen des gesamten Ober- und Unterarms in 2 Ebenen. Handelt es sich um eine mehrfragmentäre Fraktur, bei der die einzelnen Fragmente nicht sicher voneinander abzugrenzen sind, oder handelt es sich um eine intraartikuläre Fraktur, muss die Diagnostik um ein CT mit 3D-Rekonstruktion erweitert werden. Nur dadurch können ein weiteres Verständnis für den Frakturverlauf und die Morphologie der einzelnen Fragmente sowie eine exaktere Klassifikationseinteilung generiert werden [5].

Die MRT spielt in der Frakturdiagnostik keine Rolle, da sie ihre Vorteile in der Darstellung von Band- und Weichteilstrukturen hat.

Wichtige Begleitverletzungen

In Abhängigkeit vom Unfallmechanismus sind wichtige neurovaskuläre Strukturen am Ellenbogen gefährdet. Durch scharfe Frakturkanten und/oder Fragmente kann die A. brachialis verletzt werden, welche beugeseitig unter der Aponeurose des M. biceps brachii durch die Fossa cubiti zieht. Als funktionelle Endarterien können somit die A. radialis und A. ulnaris nicht mehr perfundiert sein. Gegebenenfalls muss daher eine Dopplersonografie oder sogar Angiografie bei klinischem Verdacht erfolgen.

Nervenverletzungen sind aufgrund ihrer anatomischen Nähe zum Ellenbogengelenk häufiger. Ihre Häufigkeit wird bei primär traumatischen Schäden mit bis zu 20 % angegeben [12]. Traumatische Verletzungen des N. radialis sind mit 15 % am häufigsten. Der N. ulnaris folgt mit 10 % und der N. medianus mit 4 % [16]. Bei Typ-C-Verletzungen nach AO stellt die Läsion des N. ulnaris mit einer Inzidenz von 25 % die häufigste Komorbidität dar [21]. Als Ursache der Läsionen ist meist eine Überdehnung festzustellen, sodass der weitere Spontanverlauf abgewartet werden kann. Bei Ausfällen über 3 Wochen sollte eine fachspezifisch erweiterte Diagnostik erfolgen.

Offene Weichteilverletzungen kommen bei direktem Trauma auf den Ellenbogen häufig vor, da der Weichteilmantel über den knöchernen Landmarken sehr dünn ist. Insgesamt haben offene Frakturen einen Anteil von 14 % am Ellenbogen [30].

Therapie

Operativ

Die offene Reposition und interne Fixierung nach Prinzipien der AO stellt heutzutage die Standardversorgung der distalen Humerusfrakturen dar. Ziel der operativen Therapie ist die Wiederherstellung der anatomischen Begebenheiten des Ellenbogengelenks, um eine frühzeitige übungsstabile Situation zu schaffen und den Patienten möglichst schnell in die Selbstständigkeit zurückzuführen.

Idealerweise erfolgt die primäre definitive operative Versorgung der Fraktur innerhalb der ersten 24 Stunden nach Trauma. Erfolgt die Versorgung in diesem Zeitraum, können Komplikationen wie Infektionen oder heterotope Ossifikationen reduziert und ein besseres funktionelles Ergebnis erzielt werden, da der Patient schnell in die Beübung überführt werden kann [36].

Im klinischen Alltag kommen heterogene Frakturformen mit zahlreichen primären Komplikationen vor, die eine primäre definitive Versorgung erschweren. Das Vorliegen von schweren Weichteil-, Gefäß- oder Nervenverletzungen, offenen Frakturen oder ein Kompartmentsyndrom stellen eine Notfallindikation dar, die eine unmittelbare operative Versorgung nötig machen. Ist hierbei keine primäre definitive Versorgung möglich, muss ggf. die Anlage eines gelenkübergreifenden Fixateur externe im Rahmen des „damage control“ erfolgen. Eine temporäre Stabilisierung kann somit erreicht und Begleitverletzungen können adressiert werden. Nach Verbesserung der Gesamtsituation kann schließlich die sekundäre Osteosynthese durchgeführt werden [2]. Zur Ausheilung einer Fraktur ist der gelenküberschreitende Fixateur oftmals nicht geeignet, da häufig keine anatomische Reposition möglich ist.

Für die definitive Versorgung der distalen Humerusfrakturen stehen mehrere Verfahren zur Auswahl, die ggf. auch kombiniert werden können.

Schraubenosteosynthese

Tiefe intraartikuläre Frakturen, welche eine Frakturlinie unterhalb der Fossa olecrani und eine Beteiligung des Capitulum humeri aufweisen, wie es z.B. bei Low-energy-Traumata mit koronarer Abscherung des osteoporotisch vorgeschädigten Knochens vorkommt, sind häufig einer reinen Plattenosteosynthese nicht zugänglich [7, 15, 23]. Doppelplatten reichen mit ihren Löchern nicht tief genug, um diese Frakturfragmente sicher zu refixieren. Oftmals kommt es aber auch zu einer Kombination der einzelnen Verfahren bei komplexen mehrfragmentären Frakturen.

Als Material zur Schraubenosteosynthese werden im eigenen Vorgehen kopflose Kompressionsschrauben mit einem Durchmesser von 2,2 oder 3,0 mm benutzt. Diese werden über zuvor eingebrachte K-Drähte als kanülierte und kopflose Kompressionsschrauben angewendet. Zur Sicherung der Rotationsstabilität müssen mindestens 2 Schrauben parallel oder divergierend eingebracht werden. Der Fokus sollte auf der korrekten Reposition der Trochlea und des Capitulum humeri liegen, da diese die entscheidenden Säulen für die Kraftübertragung sind [28]. Des Weiteren ist es wichtig, alle Fragmente ausreichend anatomisch zu reponieren, um eine Revaskularisierung zu ermöglichen (Abb. 1 und 2) [34].

Zusätzlich können Schrauben zur Osteosynthese bei Abrissfrakturen des Epicondylus humeri lateralis oder medialis (Typ A1) eingesetzt werden.

Plattenosteosynthese

Die Platten zur Versorgung der distalen Humerusfrakturen sollten aufgrund des geringen Weichteilüberzugs am Ellenbogen ein flaches Profil aufweisen und anatomisch vorgeformt sein.

Partiell artikuläre Frakturen (Typ B1 und B2) können mit einer singulären Plattenosteosynthese versorgt werden, wohingegen metaphysäre Frakturen (Typ A2 und A3) sowie intraartikuläre Frakturen (Typ C1 bis C3) über eine Doppelplattenosteosynthese stabilisiert werden. Kombiniert werden können beide Verfahren mit zusätzlichen freien Schrauben.

Handelt es sich bei den partiell artikulären Frakturen (Typ B3) zusätzlich um eine Fraktur mit einer dorsalen Trümmerzone (Dubberley Typ B), muss diese Trümmerzone meist mit Knochen aufgefüllt und zusätzlich per singulärer Platte versorgt werden [8].

Schwere artikuläre Frakturen (Typ C1 bis C3) erfordern eine dezidierte Darstellung des Gelenkblocks und daher einen ausreichenden Zugangsweg zur Verschraubung des Osteosynthesematerials. Die Darstellung des Gelenks erfolgt über einen dorsalen Zugang.

Für diesen Zugang bestehen zahlreiche Variationsmöglichkeiten an der Muskulatur vorbei oder durch sie hindurch. Der Ellenbogen ist flexibel zu lagern, sodass intraoperativ eine Flexion des Gelenks von mindestens 90° möglich ist. Klassischerweise wird der Patient hierfür in Bauchlage mit einem kleinen Armtisch gelagert. Der Hautschnitt ist vom distalen Drittel des Humerus unter radialer Umschneidung der Olekranonspitze bis auf die proximale Ulnahinterkante zu ziehen [13]. Der N. ulnaris ist in seinem Verlauf am medialen Rand des Trizeps brachii aufzusuchen und konsequent zu schützen [1].

Operative Zugangswege

Paratrizipitaler Zugang

Durch diesen Zugang wird ein Fenster medial und lateral der Trizepsmuskulatur durch das Abschieben und Mobilisieren der Muskelfasern vom Humerus geschaffen, ohne den ulnaren Ansatz zu gefährden. Auf diese Weise wird der Streckapparat geschont. Der Nachteil liegt in der eingeschränkten Sicht auf den distalen Humerus und seine Gelenkfläche, ist jedoch für die Versorgung von Typ-A2- und -A3-Frakturen sowie Typ-C1- und -C2-Frakturen potenziell ausreichend [29]. Dieser Zugang hat den Vorteil, dass er zum Lateral Para-Olecranon-Approach (Triceps-on) erweitert werden kann, sofern intraoperativ eine Osteosynthese nicht möglich ist und daher eine Totalendoprothese implantiert werden soll [33].

Bryan- Morrey-Zugang

Bei diesem Zugang wird der Streckapparat von medial in Kontinuität mit dem Periost und der Unterarmfaszie nach lateral präpariert und eine knöcherne Schuppe vom Olekranon abgetragen, um die spätere Refixierung zu erleichtern. Dieser Zugang eignet sich auch für die Implantation einer Ellenbogenprothese [19].

Trizeps-Split

Die Trizepssehne wird mittig in Längsrichtung bis zur Olekranonspitze gespalten. Zusätzlich können zur Verbesserung der Sicht auf den Gelenkblock der proximale Zentimeter der Olekranonspitze reserziert werden [8].

Olekranonosteotomie

Das Olekranon wird auf Höhe der „bare area“ v-förmig bis knapp über die Knorpelgrenze angesägt und schließlich die Osteotomie per Meißel komplettiert. Dieser Zugang bietet die größtmögliche anatomische Exposition des distalen Humerus und der Gelenkfläche. Auf eine suffiziente Refixierung des Olekranons am Ende der Operation ist zu achten. Dies kann mittels Zuggurtungsosteosynthese, Schraubenosteosynthese oder Plattenosteosynthese erfolgen [35].

Im funktionellen Outcome zwischen Trizeps-Split und Olekranonosteomie sind keine signifikanten Unterschiede festzustellen [18]. Nachteile der Olekranonosteotomie sind eventuell ausbleibende Knochenheilung nach Osteosynthese sowie Weichteilirritationen, Materialdislokation oder -versagen, welche eine weitere Operation zur Materialentfernung und/oder Re-Osteosynthese nach sich ziehen.

Es wurde wiederholt diskutiert, wie die Platten bei der Doppelplattenosteosynthese gegeneinander anzubringen sind. Zur Wahl steht die parallele Anordnung (180°) im Gegensatz zur 90°-Anordnung (medial ulnar und dorsal radial). Die parallele Anordnung zeigte im Rahmen von biomechanischen Studien eine erhöhte Primärstabilität, verglichen mit der 90° Konfiguration [14, 25, 38]. Betrachtet man jedoch klinische Vergleichsstudien, so konnte bisher kein signifikanter Unterschied festgestellt werden [31]. Die Nachteile der parallelen Anordnung liegen in der Gefahr der Blockierung sich kreuzender Schrauben und der umfangreicheren Ablösung der Weichteile. Die Wahl der Plattenlage sollte sich vornehmlich an der Frakturkonfiguration orientieren. So sind ventrale Abscherfragmente (AO-Typ-B3) über eine dorsale Platte in der Regel besser zu greifen. Schlussendlich spielen auch die persönliche Präferenz und Erfahrung des Operateurs eine wichtige Rolle.

Bei vollständig artikulären Frakturen (Typ C1 bis C3) kann nach Darstellung über einen dorsalen Zugang der Gelenkblock durch einen K-Draht temporär gestellt werden. Anschließend wird der Gelenkblock an den Humerusschaft reponiert und per Doppelplattenosteosynthese fixiert (Abb. 3). Alternativ kann auch bei großem radialen oder ulnaren Pfeilerfragment die Reposition zunächst über die Wiederherstellung eines Pfeilers erfolgen. Dieser wird über eine Platte am distalen Humerus fixiert und anschließend die restlichen Frakturfragmente, teilweise auch mit freien Schrauben, an diesem Pfeiler wieder aufgebaut, bis letztlich die Reposition des zweiten Pfeilers über eine zusätzliche Platte erfolgen kann. Gegebenenfalls muss eine ausgeprägte metaphysäre Defektzone mittels autologer Spongiosaplastik rekonstruiert werden [8].

Die Platten sollten bei der Anbringung nicht auf selber Höhe enden, um Stresskonzentrationen am Plattenende zu vermeiden. Hierbei ist vor allem auf die jeweils am weitesten proximal eingebrachten Schrauben der Doppelplatten zu achten [10].

Ellenbogenprothetik

Ist eine ausreichende Rekonstruktion des gelenktragenden Anteils oder eine stabile Fixierung nicht möglich, besteht die Möglichkeit zum prothetischen Gelenkersatz. Tief kondyläre C3-Frakturen des distalen Humerus distal der Fossa olecrani mit zusätzlicher B3-Komponente beim geriatrischen Patienten stellen dabei eine typische Indikation dar [7]. Aufgrund der begrenzten Standzeiten und der notwendigen Reduktion der Belastbarkeit des Arms auf 5 kg sollte die Ellenbogenprothetik sehr streng indiziert werden. Beim jungen Patienten stellt sie eine absolute Ausnahmeindikation dar. Beim alten Patienten kann die primäre Frakturprothese zu einer raschen Mobilisierung beitragen. Des Weiteren sind Revisionseingriffe in der kurz- und mittelfristigen Periode nach Versorgung unwahrscheinlicher als bei der Osteosynthese [17].

Konservativ

Der konservative Ansatz beinhaltet das kurzfristige Ruhigstellen mit anschließender frühfunktioneller Nachbehandlung, um Einbußen in der Gelenkmobilität zu vermeiden. Insgesamt sind die klinischen Ergebnisse der konservativen Frakturbehandlung am distalen Oberarm nicht zufriedenstellend. Das Risiko für ein inakzeptables Ergebnis ist um das Dreifache erhöht [21]. Ebenso ist das Risiko für eine verzögerte Knochenbruchheilung 4-mal höher [27].

Aus diesen Gründen sollte eine konservative Therapie nur bei relevant vorerkrankten Patienten mit einem signifikant erhöhten Narkose- und Operationsrisiko indiziert werden.

Bei der Entscheidung für eine konservative Therapie sollte der Ellenbogen für eine Woche in einer Oberarmgipsschiene oder entsprechender Orthese in Funktionsstellung ruhiggestellt werden. Anschließend erfolgt nach Röntgenkontrolle eine passive Beübung des Gelenks aus der Schiene oder Orthese heraus für 4 Wochen. Nach 6 Wochen und nochmaliger Röntgenkontrolle kann der schrittweise Belastungssaufbau mit nun auch aktiven Bewegungsübungen erfolgen. Insbesondere bei älteren Patienten ist die Mitbeübung der angrenzenden Gelenke durch die Physiotherapie von immenser Bedeutung, um dort konsekutive Bewegungseinschränkungen zu vermeiden [8].

Bei inoperablen Patienten mit multifragmentären Brüchen kann die Ruhigstellung ggf. länger als eine Woche erfolgen [8].

Postoperative Nachbehandlung

Das oberste Ziel der osteosynthetischen Versorgung am distalen Oberarm ist die Herstellung einer Übungsstabilität zur frühfunktionellen Nachbehandlung, um eine Einsteifung des Ellenbogengelenks zu vermeiden. Als überaus nützlich hat sich hierbei ein präoperativer Schmerzkatheter gezeigt, welcher zur schmerzfreien postoperativen passiven Durchbewegung genutzt werden kann [37]. Der Ellenbogen wird unmittelbar postoperativ in einer Oberarmgipsschiene in Funktionsstellung oder einer entsprechenden Orthese ruhiggestellt, und aus dieser heraus kann das Gelenk unter physiotherapeutischer Begleitung durchbewegt werden. Das Tragen der Gipsschiene oder Orthese zur Nacht kann für den Patienten hilfreich sein. Eine suffiziente Kryotherapie und Lymphdrainage sollte supportiv stationär und ggf. auch im weiteren ambulanten Setting durchgeführt werden. Musste der Trizeps abgelöst und refixiert werden, so ist dementsprechend die aktive Streckung gegen die Schwerkraft bzw. gegen Widerstand für 6 Wochen zu unterlassen. Die Belastungssteigerung des Ellenbogens ist ab der 6. Woche freizugeben.

Komplikationen

Die Rate an Komplikationen bei der Versorgung distaler Humerusfrakturen wird in der Literatur mit 30 % angegeben [12, 22]. Folgende Komplikationen sind zu unterscheiden (Tab. 2).

Ellenbogensteife

Die Ursachen für eine Ellenbogensteife sind zu unterscheiden in intrinsische Faktoren wie Osteophyten, Gelenkinkongruenz und Adhäsionen sowie extrinsische Faktoren wie heterotope Ossifikationen, kapsuläre Fibrosen und muskuläre Kontrakturen. Oftmals handelt es sich um Mischformen [8].

Essenziell zur Vermeidung der Ellenbogensteife ist die frühzeitige Beübung des Ellenbogens unter physiotherapeutischer Anleitung. Hierbei kommen spezielle Motorschienen als auch regelmäßiges passives/aktiv-assistiertes Training durch die Physiotherapie zum Einsatz. Kommt es dennoch zu einer Steife des Gelenks, ist die genaue Analyse der zugrundeliegenden Pathologie zu erforschen. Als operative Möglichkeiten steht die arthroskopische oder offene Arthrolyse zur Verfügung.

Heterotope Ossifikationen

In 14 % der Fälle werden klinisch relevante Ossifikationen nach operativer Versorgung distaler Humerusfrakturen beschrieben [6]. Bei Typ-C-Verletzungen nach AO steigt die Inzidenz sogar auf 26 % [6]. Je schwerer die Verletzung, desto höher ist demnach die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Ossifikation.

Eine wirksame Prophylaxe gegen die überschießende Knochenreaktion wurde bislang noch nicht beschrieben. Versuche mit einer Einmalbestrahlung des OP-Gebiets von 7 Gy erbrachten keinen sicheren Erfolg [26], ebenso wenig zeigte der Einsatz von Indometacin weder einen generellen Vor- noch einen Nachteil [21]. Lediglich bei Hochrisikopatienten für die Entstehung von Ossifikationen konnte ein positiver Nutzen festgestellt werden. Die Entscheidung für oder gegen die Gabe von Indometacin ist individuell abzuwägen.

Nervenschaden

In der primären Traumasituation ist meist der N. radialis verletzt [16]. Intra- und postoperativ ist vor allem die iatrogene Verletzung des N. ulnaris gefürchtet. Diese tritt mit einer Inzidenz von 20 % auf [12]. Um dies zu vermeiden, ist die sorgfältige Darstellung des N. ulnaris und Umschlingung mit einem Vessel-Loop bei entsprechendem Zugang angeraten. Kommt es nach Reposition und Osteosynthese zu keinerlei Irritation des Nervs, so kann dieser in seine ursprüngliche Position zurückverlagert werden. Eine standardmäßige ventrale Transposition des Nervs bietet keinen Vorteil [21]. Die ventrale Transposition ist individuell aufgrund der genauen Analyse des Operationsgebiets nach Osteosynthese zu entscheiden. Bei posttraumatischer Irritation des N. ulnaris kann die Transposition zu einer Besserung beitragen.

Infekt

In 1–12 % der Fälle kommt es zu einem postoperativen Infekt [3, 11]. Die Wahrscheinlichkeit ist umso höher, je ausgeprägter der Weichteilschaden ist und je später die definitive Versorgung erfolgt. Hinweise für das Bestehen eines Infekts sind Überwärmung, Schmerz, Schwellung, erhöhte Infektparameter und ggf. putrider Ausfluss. Als Therapie kommt in diesen Fällen meist nur die komplette Implantatentfernung in Frage.

Pseudarthrose

Zu einer ausbleibenden Knochenheilung kommt es laut aktueller Datenlage in 2–10 % [32]. Klinisch imponieren ein Bewegungsschmerz mit Bewegungseinschränkung und insbesondere belastungsabhängige Schmerzen. Ursachen hierfür sind meist eine insuffiziente Primärosteosynthese oder ein sekundäres Materialversagen. Als Therapiemöglichkeiten stehen die Re-Osteosynthese mit ggf. notwendiger Spongiosaplastik oder alternativ bei älteren Patienten mit osteoporotisch vorgeschädigtem Knochen die Implantation einer Ellenbogenendoprothese zur Verfügung.

Interessenkonflikt: Keine angegeben.

Korrespondenzadresse

Andreas Harbrecht

Schwerpunkt für Unfall-, Hand-
und Ellenbogenchirurgie der

Universität zu Köln

Kerpener Straße 62

50937 Köln

andreas.harbrecht@uk-koeln.de

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