Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Dr. House, Orthopädie und Tumororthopädie*

Maria A. Smolle1, Lukas A. Holzer1, Andreas Leithner1

Zusammenfassung: Die TV-Serie Dr. House behandelt medizinische Fälle und hat schon immer Zuschauer fasziniert. Schon Dahms et al. haben den potenziellen Einfluss der TV-Serie auf den klinischen Alltag an einer Episode aufgezeigt, in der es um eine Cadmium-Vergiftung geht [2].

Da Dr. House auch unter Medizinstudenten sehr populär ist, haben wir uns die Frage gestellt, welchen edukativen Wert und welche klinische Signifikanz die orthopädischen Fälle
haben, die in der TV-Serie präsentiert werden. Dazu wurden von einem Medizinstudenten, einem Assistenzarzt und
einem Oberarzt für Orthopädie alle Episoden von Dr. House auf orthopädische Fälle untersucht.

Insgesamt wurden in 177 Episoden 20 orthopädische Fälle behandelt. Während die klinische Präsentation, der Krankheitsverlauf und die Behandlung korrekt dargestellt wurden, waren die angewandten diagnostischen Methoden eher teuer. Wie in den anderen Fällen der Serie fanden sich auch
unter den orthopädischen Fällen seltene Diagnosen. Beurteilt von einem Studenten, einem Assistenzarzt in Ausbildung und einem Oberarzt für Orthopädie, wurden die meisten
Fälle als „mäßig“ signifikant für die klinische Praxis bewertet, wobei bei 8 Fällen eine „hohe“ Signifikanz vergeben wurde.

Aus diesem Grund erfahren Medizinstudenten, die Dr. House schauen, womöglich nicht nur etwas über häufige und seltene orthopädische Diagnosen, sondern auch über die Diagnostik und Behandlung.

Schlüsselwörter: Dr. House; neue Medien; orthopädische
Diagnostik

Zitierweise
Smolle MA, Holzer LA, Leithner A: Dr. House, Orthopädie und
Tumororthopädie.
OUP 2018; 7: 098–100 DOI 10.3238/oup.2018.0098–0100

Summary: The TV series House MD, dealing with medical cases, has ever since attracted viewers. The clinical impact of the TV series has already been demonstrated by Dahms et al. [2] in an episode dealing with cadmium poisoning.

As House MD is likewise popular among medical students, we raised the question whether orthopaedic cases – depicted in the series – have an educative value and clinical significance. To answer this question, all episodes of House MD were screened for orthopaedic cases by a medical student, an orthopaedic registrar and an orthopaedic consultant.

Altogether, 177 episodes with 20 orthopaedic cases were analysed. Whilst the clinical presentation, disease progression and treatment were depicted correctly, the medical measures applied were rather expensive. As with other cases depicted in House MD, also orthopaedic cases were related to rare medical diagnoses. Analysed by a student, orthopaedic registrar and orthopaedic consultant, most orthopaedic episodes were graded as “moderately” significant in clinical praxis, whilst in 8 cases, even a “high” significance was assigned.

Therefore, medical students watching House MD, do not only learn something about frequent as well as rare orthopaedic diagnoses, but also about their diagnostics and treatment.

Keywords: House MD; new media; orthopaedic diagnostics

Citation
Smolle MA, Holzer LA, Leithner A: House MD, Orthopaedics and
Tumour Orthopaedics.
OUP 2018; 7: 098–100 DOI 10.3238/oup.2018.0098–0100

Einleitung

Die TV-Serie Dr. House hat zwischen 2004 und 2012 weltweit ein Millionenpublikum mit spannenden medizinischen Fällen und persönlichen Dramen fasziniert. In jeder der Folgen behandelt das Team rund um Dr. Gregory House einen großen Fall sowie parallel ein paar kleinere.

Obwohl der als ständig missgelaunt und exzentrisch dargestellte Dr. House Internist ist, behandelte er erstaunlicher Weise in 18 von 177 Episoden orthopädische Fälle und stellte insgesamt 20 orthopädische Diagnosen (10,2 %). Generell handelte es sich – wie für die Serie charakteristisch – um seltene Erkrankungen.

Die klinische Relevanz der Serie Dr. House wurde bereits von einer Gruppe aus Deutschland betont, die anhand einer Episode der TV-Serie in der Lage gewesen war, einen Fall von Cobalt-Vergiftung zu erkennen [2]. Demgegenüber werfen kritische Stimmen der TV-Serie völlige Fiktionalität vor, die die Zuschauer eher verunsichert denn unterhält [3]. Außerdem ist die Häufigkeit der jeweiligen Diagnosen aufgrund der Tatsache, dass Dr. House sich auf ausgefallene Fälle spezialisiert hat, nicht realitätsgetreu. Aus diesem Grund wurde bereits vorgeschlagen, die Zuschauer vor jeder Episode zu warnen, dass es sich um eine fiktive Darstellung handelt [3].

Für Medizinstudenten ist der Einfluss der TV-Serie womöglich etwas anders. Neben stundenlangem Lernen, Auswendiglernen von dutzenden Lehrbüchern und monatlichen Tests, bleibt interessanterweise dennoch Zeit, um TV-Serien zu schauen; nicht ausschließlich welche mit medizinischem Inhalt, aber doch mit einer gewissen Tendenz hin zu Grey’s Anatomy, Dr. House und Co.. Laut einer Studie aus Australien schauen Medizinstudenten am häufigsten die TV-Serie Scrubs, dicht gefolgt von Dr. House mit 49 % [4]. In einer weiteren Studie, dieses Mal aus den USA, wurden 477 Medizinstudenten nach ihren TV-Gewohnheiten befragt. Zur Auswahl standen die TV-Serien Emergency Room, Dr. House, Nip/Tuck und Grey’s Anatomy, wobei auch hier wieder Dr. House mit 76 % die Statistik anführte [1].

Aus diesem Grund haben wir uns die Frage gestellt, welchen klinischen und didaktischen Wert die in der TV-Serie Dr. House dargestellten orthopädischen Fälle haben.

Methoden

Alle 177 Episoden wurden von einer der AutorInnen (MAS) einem Review unterzogen und jene Episoden herausgesucht, in denen orthopädische Fälle behandelt wurden. Diese ausgesuchten Episoden wurden anschließend einem Facharzt (AL) und einem Assistenzarzt für Orthopädie (LAH) vorgespielt, die jede Episode hinsichtlich ihres didaktischen und klinischen Werts überprüften. Dabei wurden – soweit den Episoden zu entnehmen – die persönlichen Charakteristika der Patientinnen und Patienten, die definitiven Diagnosen, die durchgeführten Untersuchungen und die eingeleiteten Therapien berücksichtigt.

Resultate und Diskussion

Von den insgesamt 20 orthopädischen Diagnosen (Tab. 1) wurden 17 als Haupt- und 3 als Nebendiagnosen identifiziert. Die 20 Patienten waren relativ jung (Durchschnitt: 35 Jahre) und mehrheitlich Männer (60 %). Um die orthopädischen Fälle zu diagnostizieren, reichte in 9 Fällen eine eingehende klinische Untersuchung aus, während Röntgenbilder und Magnetresonanz-Tomografien (MRT) in jeweils 4 Fällen zur Diagnosesicherung notwendig waren. Außerdem wurden zweimal eine Positronenemissions-Tomografie (PET) und einmal eine Computer-Tomografie durchgeführt, um den orthopädischen Fall zu lösen. Die Mehrzahl der orthopädischen Fälle wurden von Dr. House selbst gelöst (n = 16; 80 %), während die restlichen Diagnosen von seinen Teammitgliedern gestellt wurden (n = 4, 20 %).

Generell waren die dargestellte klinische Präsentation, die Diagnosefindung und die vorgeschlagene Behandlung adäquat. Bei der Bildgebung wurde dagegen nicht mit Ressourcen gespart, denn MRTs und PETs wurden großzügiger eingesetzt, als dies in der Realität indiziert gewesen wäre.

Fünf der 20 orthopädischen Diagnosen fielen in den Spezialbereich „Tumororthopädie“ (Tab. 2). Dazu zählten:

  • 1. eine avaskuläre Malformation in der Brustwirbelsäule eines 70-jährigen Patienten die eine Hemiplegie verursachte,
  • 2. ein Osteosarkom des Femurs bei einer 20-jährigen Patientin,
  • 3. osteoblastische Veränderungen in den Fingern einer 45-jährigen Patientin mit kleinzelligem Bronchuskarzinom,
  • 4. ein extramammäres Mammakarzinom, welches sich mit osteopetrotischen Veränderungen bei einer 35-jährigen Patientin präsentierte und
  • 5. ein lymphoides Sarkom des Humerus bei einem 15 Jahre alten Mädchen.

Speziell bei den tumororthopädischen Fällen fielen die gute Darstellung des klinischen Verlaufs und das folgerichtige Einschlagen des korrekten diagnostischen Pfads auf, was in der realen Praxis bei tumororthopädischen Diagnosen häufig nicht der Fall ist. Der sensible Umgang, was die therapeutischen Konsequenzen der jeweiligen tumororthopädischen Diagnosen anbelangte, war ebenfalls auffällig. So wurde etwa im Falle der 20-jährigen Patientin mit einem Osteosarkom des Femurs eine weite Resektion mit anschließender Chemotherapie vorgeschlagen. Auch bei der 35-jährigen Patientin mit einem extramammären Mammakarzinom wurde dasselbe Vorgehen – Operation und Chemotherapie – geplant.

Trotzdem wurde auch ein kleinerer Fehler in der Folge „Leben wider Willen“ gefunden: Die Diagnose einer intradural lokalisierten arteriovenösen Malformation der Wirbelsäule wurde gestellt, obwohl im gezeigten MRT keine Beteiligung der Dura zu sehen war.

Zusammenfassung

Obwohl Dr. House mitunter skurril und exzentrisch agiert, können zumindest die dargestellten orthopädischen Fälle für Medizinstudenten lehrreich sein. Vorwiegend seltene, aber dennoch hoch relevante Krankheitsbilder – wie Osteosarkom und paraneoplastische Syndrome – werden in klinischer Präsentation, Diagnostik und dem therapeutischen Vorgehen realitätsnah und korrekt dargestellt.

Einschränkend muss festgehalten werden, dass der menschliche Umgang, insbesondere von Seiten Dr. House, mit den Patientinnen und Patienten heutigen Ansprüchen an eine biopsychosoziale Medizin in keiner Weise genügt. Es wird als durchaus problematisch erachtet, dass auf diese Weise dem ärztlichen Nachwuchs ein – bei aller größtenteils gegebenen fachlichen Korrektheit – unrealistisches und nicht nachahmenswertes Bild der ärztlichen Tätigkeit vermittelt wird.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Maria Anna Smolle

Universitätsklinik für Orthopädie
und Traumatologie

Medizinische Universität Graz

Auenbruggerplatz 5

A 8036 Graz

Österreich

maria.smolle@cbmed.at

Literatur

1. Czarny MJ, Faden RR, Nolan MT, Bodensiek E, Sugarman J: Medical and nursing students‘ television viewing habits: potential implications for bioethics. Am J Bioeth. 2008; 8: 1–8

2. Dahms K, Sharkova Y, Heitland P, Pankuweit S, Schaefer JR: Cobalt intoxication diagnosed with the help of Dr House. Lancet. 2014; 383: 574

3. Lapostolle F, Montois S, Alhéritière A, De Stefano C, Le Toumelin P, Adnet F: Dr House, TV, and reality. Am J Med. 2013; 126: 171–3

4. Weaver R, Wilson I: Australian medical students‘ perceptions of professionalism and ethics in medical television programs. BMC Med Educ. 2011; 11: 50

Fussnoten

* Die im Folgenden dargestellte Studie erhielt bei der 33. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie den 3. Posterpreis.

1 Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie, Medizinische Universität Graz, Österreich

SEITE: 1 | 2