Originalarbeiten - OUP 05/2012

Einfluss der Erfahrung des Operateurs auf die
Operationsdauer bei endoprothetischen Eingriffen
Influence of the surgeons’ experience on the operation time

K. Zenk1, R. Bader1, R. Lenz1, D. Kluess1, B. Irmscher1, W. Mittelmeier1

Zusammenfassung: Die Zunahme der hüftendoprothetischen Eingriffe erfordert eine zunehmende Effizienzsteigerung seitens der Operateure, um dem steigenden Kostendruck gerecht zu werden. In der vorliegenden retrospektiven Studie soll geklärt werden, ob und inwieweit die spezielle operative Erfahrung des Operateurs Einfluss auf die OP-Dauer nimmt. Die Operationsdauer kann stark differieren, speziell in der Endoprothetik großer Gelenke. Wir konnten zeigen, dass die Erfahrung des Operateurs signifikant die Operationszeit beeinflusst. Daher ist zu diskutieren, ob sich Ärzte in der Weiterbildung frühzeitig auf spezielle Eingriffe und Operationsgebiete in der Orthopädischen Chirurgie spezialisieren sollten.

Schlüsselwörter: Operateur, Operationserfahrungen, OP-Dauer, Weiterbildung

Abstract: The growth of total hip arthroplastic procedures requires an increase in efficiency on part of the surgeons in order to meet the cost pressure. In this retrospective study it will be determined whether and to which extent the specific operational experience of the surgeon may influence operation time. The duration of surgery differs strongly, especially in total joint arthroplasty. It is shown that the experience of the surgeon has significant impact on operation time. Therefore, it should be discussed whether junior doctors in training should specialise early on specific and surgical procedures in orthopaedic surgery.

Keywords: surgeon, surgical experiences, surgical time, training

Einleitung

Die über 400.000 jährlich durchgeführten endoprothetischen Eingriffe in Deutschland tragen im Wesentlichen zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Steigerung der Lebenserwartung der Patienten bei. Laut der fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes wurden 2007 in Deutschland 204.018 Endoprothesen am Hüftgelenk [2] implantiert und 2010 bereits 213.697 [1], was ein Wachstum von knapp fünf Prozent innerhalb von drei Jahren bedeutet. Die Entwicklung der Operationszahlen von Hüftendoprothesen wird im schwedischen, zentral angelegten Endoprothesenregister deutlich. [3] Während dort im Jahr 1999 10.563 Hüft-Erstimplantationen durchgeführt wurden, waren es 2009 bereits 14.646 Operationen. Das entspricht einem Anstieg von 48 % innerhalb von zehn Jahren. In den USA wird von einer Steigerung von 119.000 im Jahr 1990 auf 193.000 im Jahr 2002 [4] berichtet.

Die Zunahme der endoprothetischen Eingriffe im Bereich der Hüft-Erst-implantation erfordert folglich eine Ef-fizienzsteigerung seitens des operativen Eingriffes, um dem wachsenden Bedarf an Implantationen gerecht zu werden. Zudem sollten die dafür eingesetzten personellen Ressourcen [5] unter Berücksichtigung des zunehmenden Kostendrucks nach Möglichkeit nicht ansteigen. Eine wesentliche Stellschraube bezüglich effektiver Ressourcennutzung stellt die Operationszeit dar. In mehreren internationalen Multicenter-Studien [5, 6] wurden bereits zahlreiche Einflussfaktoren auf die Operationszeit untersucht. Es wurde dabei herausgearbeitet, dass kürzere Operationszeiten die Komplikationsrisiken, wie z.B. Infektionen, Mortalität oder Thromboembolie, minimieren [5] und die Revisionsraten reduzieren können [6].

Daher sollte nun weniger die Ergebnisqualität in Betracht gezogen, sondern vielmehr der Einfluss der Erfahrung der Operateure auf die OP-Dauer bei endoprothetischen Eingriffen analysiert werden. Es ist davon auszugehen, dass sehr erfahrene Operateure im Vergleich zu Operateuren, die sich noch in der Weiterbildung befinden, kürzere OP-Zeiten aufweisen. In der ärztlichen Weiterbildung gibt es Kataloge [7], die im Rahmen der Weiterbildungszeit abgeleistet und von dem zur Weiterbildung befugten Arzt bestätigt werden müssen. Im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie sind gemäß Logbuch insgesamt 20 Implantationen von Endoprothesen durchzuführen [7]. Diese Eingriffe können innerhalb der Weiterbildungszeit von sechs Jahren abgeleistet werden. Sie sind selbstständig unter Anleitung durchzuführen. In welcher Zeiteinheit die geforderten Eingriffe einer speziellen Kategorie erfolgen sollen, ist nicht geregelt. Der Zugang zu den geforderten endoprothetischen Operationen ist durch den Weiterbildungsvertrag mit der Klinik geregelt, so dass der Weiterzubildende in der Regel das Recht auf Weiterbildung in dem vorgeschriebenen Umfang hat – unabhängig von seiner praktischen Eignung [8]. Ein zusätzliches Entgelt für die auszubildenden Kliniken im Rahmen dieser Weiterbildungsmaßnahmen ist derzeit im Gesundheitssystem nicht vorgesehen.

Das Logbuch ist durch die ärztliche Selbstverwaltung geregelt und wird über die jeweiligen Landesärztekammern im Rahmen des Facharztantrags abgefragt. Eine praktische Leistungskontrolle von operativen Fähigkeiten ist in Deutschland nicht vorgeschrieben. Nach der theoretischen Facharztprüfung ist der Kandidat berechtigt, ohne weitere Anleitung eigenständig Operationen der Orthopädischen Chirurgie durchzuführen, wie z.B. Endoprothesen-Implantationen.

In der vorliegenden retrospektiven Studie soll daher geklärt werden, ob und inwieweit die spezielle operative Erfahrung des Operateurs die Operationsdauer an einer deutschen Universitätsklinik beeinflusst. In Deutschland – einem führenden Land hinsichtlich der Anzahl an endoprothetischen Eingriffen pro Einwohner [9] – wurde nach unserem Wissen bislang keine vergleichbare Studie durchgeführt. Anhand der gewonnenen Daten sollen zudem die aktuellen Vorgaben der Facharztweiterbildung im Bereich Orthopädie-Unfallchirurgie am Beispiel einer Universitätsklinik als ärztlichem Ausbildungszentrum kritisch diskutiert werden. Ein weiteres Ziel dieser Untersuchung ist es, die Relevanz der Einführung von Endoprothetikzentren [10] in Deutschland im Hinblick auf die Maßgabe existierender Hauptoperateure zu überprüfen. Der Grundgedanke bezüglich der Hauptoperateure ist vorrangig die Sicherstellung der Ergebnisqualität, da diese mindestens 100 endoprothetische Eingriffe pro Jahr in einem Zentrum der Maximalversorgung durchführen müssen. In der vorliegenden Studie soll demzufolge analysiert werden, ob sich die Festlegung auf qualifizierte Hauptoperateure positiv auf die OP-Dauer und somit auf die Effizienz auswirkt.

Methode

In unserer Klinik wurden die Operationsminuten von unterschiedlich erfahrenen Operateuren von 871 aufeinanderfolgenden Hüft-Endoprothesen-Erst-implantationen retrospektiv gegen-
übergestellt. Die Analyse basiert auf den von unserer Controlling-Abteilung zur Verfügung gestellten Daten. Als OP-Dauer wurde jeweils die Schnitt-Naht-Zeit definiert. Die Anästhesiezeit wurde nicht berücksichtigt. Für die Auswertung wurde die Anzahl der jeweils durchgeführten Operationen pro Operateur im oben genannten Zeitraum berücksichtigt. Dabei wurden die OP-Zeiten der erfahrensten Operateure (Anzahl implantierter Hüft-Endoprothesen > 1000), der erfahrenen Operateure (Anzahl implantierter Hüft-Endoprothesen zwischen 150 und 500) sowie der Assistenzärzte (Anzahl implantierter Hüft-Endoprothesen < 50) in unserer Klinik betrachtet und vergleichend analysiert. Eingeschlossen wurden Hüft-Endoprothesen-Implantationen mit einem identischen Implantatsystem über den anterolateralen Zugang. Für die drei Operateur-Gruppen wurden die Summe aller durchgeführten Operationen, die durchschnittliche Dauer aller Operationen, die kürzeste sowie die längste Operationszeit herangezogen.

Ergebnisse

Zunächst wurde die OP-Dauer wie folgt gruppiert:

Gruppe 1: < 40 min.

Gruppe 2: 40–69 min.

Gruppe 3: 70–89 min.

Gruppe 4: 90–119 min.

Gruppe 5: ≤ 120 min.

Verglichen wurde die Anzahl der Operationen und die OP-Dauer innerhalb der drei definierten Gruppen der Operateure über die erfassten 3 Jahre (Abb. 1).

Es zeigt sich, dass die durchschnittliche OP-Dauer in der Gruppe der erfahrensten Operateure um 18,8 min. geringer ist als in der Gruppe der erfahrenen Operateure (Fachärzte) und um 31,4 min. geringer als in der Gruppe der weniger erfahrenen Operateure (Assistenzärzte in der Weiterbildung). Das heißt: Mit steigender Anzahl der Operationen nimmt die durchschnittlich benötigte Operationsdauer des Operateurs ab (Tab. 1). Um diese Aussage zu untermauern, wurden nicht-parametrische Tests durchgeführt. Zunächst wurde mittels Kruskal-Wallis-Test überprüft, ob signifikante Unterschiede zwischen der OP-Dauer innerhalb aller drei Qualifikationsgruppen bestehen. Da das Ergebnis mit p < 0,001 eindeutig ausfiel, wurde im Anschluss mit Hilfe des Mann-Whitney-Tests untersucht, ob jeweils innerhalb der einzelnen Gruppen signifikante Unterschiede zwischen der OP-Dauer existieren. Die Berechnungen ergaben, dass signifikante Unterschiede in der OP-Dauer bereits zwischen den erfahrensten und erfahrenen Operateuren (p < 0,001) und ebenso zwischen den erfahrenen Fachärzten und den weniger erfahrenen Operateuren (p < 0,001) bestehen.

Diskussion

Das Ergebnis der Operation, speziell in der Endoprothetik großer Gelenke, kann sehr unterschiedlich ausfallen, je nach individuellen Voraussetzungen des Patienten, technischen Gegebenheiten, der Erfahrung des Operateurs und der OP-Dauer [5]. Komplikationen können eine sehr kostenintensive Nachbehandlung erforderlich machen und erhebliche Konsequenzen für den Patienten nach sich ziehen. Durch eine verlängerte Operationszeit in der Endoprothetik steigt die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen an [5]. In der vorliegenden Studie konnten wir zeigen, dass die Erfahrung des Operateurs signifikant die Operationsdauer beeinflusst. Daher ist zu diskutieren, ob sich Ärzte in Weiterbildung frühzeitig auf spezielle Eingriffe und Operationsgebiete in der Orthopädischen Chirurgie spezialisieren sollten. Im Zuge des zunehmenden Kostendrucks besteht die Gefahr, dass Ausbildungseingriffe nicht mehr bestätigt werden können oder von den Kliniken keine ausreichende praktische Ausbildung mehr angeboten wird. Seit einem Gerichtsurteil des Oberlandesgerichts Oldenburg [11] ist durch den Krankenhausträger sicherzustellen, dass der Patient von einem Operateur persönlich behandelt wird, wenn dies vorher mit ihm abgesprochen ist. Der Patient wird sich vermutlich im seltenen Fall den Assistenzarzt als Operateur wünschen. Es bleibt abzuwarten, ob und wann eine spezielle Aufklärung über einen Ausbildungseingriff von den Patienten abgefragt und eingeklagt wird.

Eine gezielte Unterstützung der Weiterbildung im Entgeltsystem als Anreiz für die Ausbildungskliniken ist anzustreben, um eine praktisch-operative Ausbildung sicherzustellen. Dabei muss die Ausführung des Eingriffs unter qualifizierter Anleitung abgesichert sein. Es ist zu klären, ob jeder Arzt in Weiterbildung Orthopädie und Unfallchirurgie den gesamten Katalog bestimmter vorgegebener Eingriffe selbstständig durchzuführen hat – so auch Endoprothesen-Implantationen, obwohl die Mediziner später als Fachärzte nur in wenigen Fällen alle Eingriffe selbstständig ausführen werden. In der Zeit von Kostendruck und steigenden Qualitätsansprüchen der Patienten [12] sollten vor allem diejenigen Kollegen praktisch gezielt ausgebildet werden, d.h. schrittweise an endoprothetische Eingriffe herangeführt werden, welche in der späteren Berufspraxis auch tatsächlich die OP-Ausbildung benötigen. Die Weiterbildung sollte mit geringstmöglichen Risiken und Komplikationen und somit mit hoher Sicherheit für den Patienten ablaufen. Unter Umständen können QM-Maßnahmen, wie die Initiative Endocert [10], dazu beitragen, gezielte Weiterbildungskonzepte abzufragen und zu prüfen. Der darin definierte Hauptoperateur sollte dabei zu einer gezielten und qualitätssichernden Facharztausbildung beitragen.

Es sollte zudem überdacht werden, ob es sinnvoll ist, gerade die anspruchsvollen Eingriffe wie die Endoprothesen-Implantation über die gesamte Weiterbildungszeit zu verstreuen. Durch die aktuelle Notwendigkeit für zahlreiche junge Kollegen, die Weiterbildungsstätte über mehrere Rotationsstellen zu wechseln, werden diese ggf. mit verschiedenen Zugangswegen und Instrumentarien konfrontiert. Zudem muss hinterfragt werden, welcher tatsächliche Lehreffekt bei geringer Erfahrung und jährlicher Fallzahl des Ausbilders erzielt wird.

Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt noch offen, welchen konkreten Einfluss die OP-Dauer auf die Langzeitergebnisqualität der Hüft-Erstimplantation hat. Es ist zwar zu erwarten, dass mit einer größeren operativen Erfahrung des Operateurs eine bessere Ergebnisqualität erzielt werden kann. Aber auch das gesamte OP-Team sowie Vorbereitung und Nachbehandlung spielen eine wesentliche Rolle im Verfahren. Diese sind durch konsequente Prozessbeschreibung repräsentierbar einzubeziehen. Letztlich sind zur Sicherstellung dieser These prospektive Studien an verschiedenen Zentren der Schwerpunkt- und Regelversorgung zu klinisch-funktionellem Outcome und Versorgungsqualität bei Patienten nach Hüft-Erstimplantation erforderlich.

Korrespondenzadresse

Katrin Zenk

Orthopädische Klinik und Poliklinik

Universität Rostock

Doberaner Straße 142

18057 Rostock

E-Mail: katrin.zenk@med.uni-rostock.de

Literatur

1. Statistisches Bundesamt: Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) Operationen und Prozeduren der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern – Ausführliche Darstellung 2010, Erschienen am 12.10.11, 22

2. Statistisches Bundesamt: Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) Operationen und Prozeduren der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern – Ausführliche Darstellung 2007, Erschienen am 16.03.09, 24

3. Swedish Hip Arthroplasty Register Annual Report 2009. Hrsg: Göran Garellick, Johan Kärrholm, Cecilia Rogmark, Peter Herberts, Sahlgrenska University Hospital Oktober 2010 (http://www.shpr.se/)

4. Kurtz S, Mowat F, Ong K, Chan N, Lau E, Halpern M: Prevalence of primary and revision total hip and knee arthroplasty in the United States from 1990 through 2002. J. Bone Joint Surg. Am. (2005) 87, 1487–97.

5. Ong K, Lau E, Manley M, Kurtz S: Patient, Hospital, and Procedure Characteristics Influencing Total Hip and Knee Arthroplasty Procedure Duration. The Journal of Arthroplasty (2009), 24 (6) 925–26

6. Småbrekke A, Espehaug B, Havelin LI, Furnes O: Operating time and survival of primary total hip replacements: an analysis of 31,745 primary cemented and uncemented total hip replacements from local hospitals reported to the Norwegian Arthroplasty Register 1987–2001.

7. Logbuch. Facharztweiterbildung Orthopädie und Unfallchirurgie, Ärztekammer M-V, 10

8. Crusius A. Weiterbildung-Zeugnisse. Ärzteblatt M-V (2012), 22 (1), 4

9. Kurtz S et al. International Survey of Primary and Revision Total Hip Replacement. 56th Annual Meeting ORS, Paper No. 365

10. Mittelmeier W. Setting far-reaching quality standards. Cera news (2012), 1, 8

11. OLG Oldenburg, Urteil vom 11.05.2005, 5 U 163/04

12. Zenk K et. al. Risikomanagement und Qualitätsmanagement – Ein gemeinsamer Lösungsweg, Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement. (2011), 12, 335

Fussnoten

1 Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Rostock

DOI 10.328/oup.2012.198-0201

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