Übersichtsarbeiten - OUP 03/2021

Einsatz der Strahlentherapie zur Analgesie bei orthopädischen Erkrankungen
Welche Indikationen sind sinnvoll und erfolgversprechend?

Fuß, Ellenbogen, Schulter (Abb.1) sowie die meisten großen Gelenke werden mit opponierenden Stehfeldern behandelt, bei der Hand wird gewöhnlich eine Stehfeldtechnik im Bereich des Handrückens angewandt. Wenn das Zielvolumen die Hautoberfläche einschließt (z.B. bei der Hand), wird Bolusmaterial zur Minderung des Dosisaufbaueffektes aufgelegt.

Die Dosierung ist weitgehend standardisiert. Nach strahlenbiologischen Ergebnissen (s.u.) hat man sich in Deutschland weitgehend auf eine Einzeldosis von 0.5 Gy geeinigt, die zweimal pro Woche appliziert wird. Insgesamt wird eine Dosis von 3.0 Gy gegeben.

Eine erste Nachsorge zur Erfassung der analgetischen Wirkung ist erst nach minimal 3 Monaten sinnvoll. Eine weitere Nachsorge nach ca. 1 Jahr ist empfehlenswert, um erfassen zu können, ob die Wirkung von Dauer ist bzw. um spätere Besserungen, die durchaus vorkommen können, zu erfassen.

Bei ungenügendem Erfolg nach 3 Monaten kann dem Patienten eine zweite identische Strahlentherapieserie angeboten werden, durchaus mit guter Erfolgsaussicht [7]. Weitere Serien sollten frühestens nach einer Latenz von weiteren 6 Monaten erfolgen. Dabei sollte die zu erwartende Wirksamkeit gegen ein mögliches Risiko abgewogen werden. Alternative Methoden sollten mit dem Patienten diskutiert werden.

Wirkungsmechanismus [1]

Strahlenbiologische Untersuchungen konnten die Wirkung niedriger Dosen auf entzündlich/degenerativ verändertes Gewebe weitgehend aufklären, sie ist jedoch bei weitem noch nicht vollständig verstanden. Im Folgenden sind einige Mechanismen exemplarisch aufgeführt, die derzeit diskutiert werden:

Minderung der Adhäsion mononukleärer (Monozyten) und polymorphnukleärer (Granulozyten) des Blutes an aktivierten Endothelzellen und die Verhinderung von deren Wanderung in das Gewebe, maximaler Effekt bei Einzeldosen zwischen 0.3 und 1.0 Gy. Steigerung der Aktivität des antiadhäsiv wirkenden Zytokins TGF ß1.

Förderung der Apoptose von Granulocyten mit nachfolgend verminderter Rekrutierung von Entzündungszellen, maximaler Effekt bei einer Einzeldosis von 0.5–1.0 Gy. Minderung der Aktivität des chemotaktisch wirksamen Zytokins CCL 20.

Minderung der Expression der induzierbaren Sauerstoff-Synthase (iNOS), der Stickoxid-Produktion bzw. der Freisetzung reaktiver Sauerstoffmetaboliten.

Höchste Wirksamkeit im akuten Entzündungsgeschehen bzw. in frühen Stadien der Erkrankung.

Therapieergebnisse

Zahlreiche retrospektive Studien zeigten in den letzten 70 Jahren die gute analgetische Wirksamkeit der Strahlentherapie [1]. Neuere retrospektive Studien finden sich bei Rogers et al. [27] und Micke et al. [16]. Diese sind durch die bereits erwähnten Patterns-of-care Studien ergänzt worden. Bereits 1952 erschien die erste randomisierte Doppelblindstudie. Plenk et al. [25] berichteten von einem nicht-signifikant verbesserten analgetischen Effekt nach Strahlentherapie im Vergleich zu einer Scheinbehandlung. Weitere randomisierte Studien aus den Jahren 1970 und 1975 (Goldie et al. [3], Valtonen et al. [30]) zeigten im Vergleich zu Placebo keinen Unterschied. Die Qualität dieser Studien ist - gemessen an damaligen Bedingungen - sicherlich hoch. Sie sind dennoch vielfach kritisiert worden (teilweise Behandlung heute als ungeeignet erachteter Entitäten, sehr kurze Anamnesedauer, sehr kurzer Follow-up).

Fasciitis plantaris

Retrospektive Studien zeigen eine Schmerzfreiheit bei 13–80 %, zusätzlich eine Schmerzlinderung bei 12–74 % der Patienten (zusammengefasst bei [29]). Es handelt sich hier (und bei den später genannten Studien) um teilweise recht alte retrospektive Untersuchungen mit stark differierender Patientenzahl, die zusammengefasst wurden. Überwiegend wurde in Orthovolttechnik bestrahlt.

In einer randomisierten Studie aus der eigenen Klinik konnte die Überlegenheit einer damals gebräuchlichen Dosis von 6.0 Gy im Vergleich zu einer sehr geringen Dosis von 0.6 Gy nachgewiesen werden, damit war der Beweis der Wirksamkeit der Strahlentherapie erbracht [19]. Weitere randomisierte Studien von Heyd et al. [9] und Ott et al. [23] zeigten die äquivalente Wirkung einer reduzierten Dosis von 3.0 Gy mit der damals üblichen von 6.0 Gy. Dies entsprach auch zumindest teilweise den bereits erwähnten strahlenbiologischen Ergebnissen. In den meisten strahlentherapeutischen Institutionen in Deutschland wurde daraufhin die applizierte Gesamtdosis auf 3.0 Gy abgesenkt – dies auch unter Beachtung des ALARA-Prinzip (keep the dose As Low As Reasonably Achievable). In einer weiteren randomisierten Studie wurde an unserer Klinik versucht, den, strahlenbiologisch gesehenen, guten Effekt einer Einzeldosis von 0.5 Gy auszunutzen, jedoch ergab der Vergleich einer Strahlentherapie mit 6 x 1.0 Gy mit einer Dosierung von 12 x 0.5 Gy keinen Unterschied [26].

Achillodynie

Die Achillodynie wird oft mit anderen Ursachen eines Fersenschmerzes zusammen betrachtet. Literatur über diese Entität findet sich kaum. Erwähnt werden soll die randomisierte Arbeit von Ott et al., [22]. Sie zeigte ein gutes Ansprechen der Schmerzsymptomatik auf die Therapie mit einer Schmerzfreiheit bei 45 % und einer Schmerzlinderung von 50 % der Patienten. Die Kollegen konnten auch hier die Äquivalenz der höheren Dosis (6 Gy) mit der jetzt üblichen (3 Gy) nachweisen.

Epicondylitis

Retrospektive Studien zeigen eine Schmerzfreiheit bei 5–60 % und zusätzlich eine Schmerzlinderung bei 24–31 % der Patienten nach Strahlentherapie [29]. Hautmann et al. [5] berichten in ihrer retrospektiven Studie von einer Schmerzfreiheit bei 64,6 % der Patienten. Ott et al. haben auch für diese Indikation eine randomisierte Studie durchgeführt, diese ergab ebenfalls ein gutes Ansprechen sowie die Äquivalenz der genannten Dosen [20].

Hautmann et al. [4] haben auch die Wirkung einer eventuellen zweiten Bestrahlungsserie nach Versagen der ersten untersucht, sie fanden eine gute Wirksamkeit, sodass die Wiederholung dem Patienten angeboten werden sollte.

Rotatorensehnensyndrom der Schulter

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